2010/11/10 Smart Metering - Wirtschaftsministerium plant massive Grundrechtseingriffe
Neues Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWOG) erlaubt massive Eingriffe in Privathaushalte - Smart-Metering soll 24-Stundenüberwachung des Stromverbrauchs ermöglichen - Gefährdung der Energieversorgungssicherheit durch unsichere Smart-Meter-Geräte - angebliche Erhöhung der Energieeffizienz bloß Vorwand für neue Kontrollmaßnahmen - ein weiterer Schritt zum Präventiv- und Kontrollstaat - besonders sozial Schwache sind gefährdet
Smart-Metering - "Intelligente Stromzähler"
Durch sogenannte "Intelligente Stromzähler" (Smart-Meter) können laufend die Stromverbrauchsdaten gemessen und übermittelt werden. Zusätzlich können diese Geräte auch von der Ferne gesteuert werden und den Strom eines Konsumenten abschalten oder auf eine bestimmte Leistung begrenzen. Damit ist erstmals eine Priorisierung in der Energieversorgung sozialer Randgruppen, Personen mit "schlechter" Kreditwürdigkeit möglich.
Gar nicht "Smart" sind daher die Konsequenzen der neuen Stromzähler. Der Energieversorger kann leicht feststellen, ob jemand zu Hause ist oder nicht, ob ein Haushalt regelmäßig, nur während der Woche genutzt wird oder am Wochenende. Überschreitungen der maximal erlaubten Stromentnahme sind genauso feststellbar, wie Schaltungen einzelner Großverbraucher (wie Geschirrspüler, Waschmaschine oder E-Herd).
Wird in Zukunft bei Anzeigen wegen nächtlicher Ruhestörung die Polizei beim Energieversorger Stromverbrauchsprofile anfordern um zu erkennen, ob Lärmerreger, wie Waschmaschine, Fernsehgerät oder Stereoanlage eingeschalten waren? Was wie eine paranoide Utopie klingt wird durch Smart-Metering technisch möglich. Und wer behauptet zu einer bestimmten Zeit zu Hause gewesen zu sein, wird - um glaubhaft zu sein - wohl auch ein tageszeittypisches Stromverbrauchsprofil vorlegen müssen. Willkommen im Alibistaat, in dem jeder Bürger jedes Verhalten rechtfertigen und belegen muss.
Völlig unzureichender Gesetzesentwurf
Nun hat das Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend (BMWFJ) einen Gesetzesentwurf zur Einführung von Smart-Metering vorgelegt. In einer ausführlichen Stellungnahme hat die ARGE DATEN dargelegt, warum dieser Entwurf völlig unzureichend ist und statt verbesserter Energieeffizienz bestenfalls ein Mehr an Überwachung der Bürger bringt (http://ftp.freenet.at/privacy/gesetze/stellungnahme-elwog-201...).
Hans G. Zeger: "Im Rahmen eines FFG-Projektes 'Privacy und Metering' konnten umfassend die Konsequenzen auf Grundrechte und Privatsphäre der Strom-Bezieher aufgezeigt werden. Leider hat es das Ministerium verabsäumt diese und andere wissenschaftliche Erfahrungen einzubeziehen."
Der Entwurf löst keines der aufgezeigten Datenschutz-, Datensicherheits- oder Konsumentenschutzprobleme und ist in Summe sogar europarechtswidrig.
Angriff auf Stabilität des Energienetzes
Ausgewiesene Energieexperten meinten zur Zukunft der Energienetze: "Heute ist das Energienetz eines der stabilsten Netze überhaupt, in Zukunft werden wir uns mit ähnlich häufigen Abstürzen und Zusammenbrüchen abfinden müssen, wie bei Telekom- und Computernetzen."
Eine vorschnelle Einführung von Smart-Meter, die nicht alle Sicherheitsfragen berücksichtigt, kann die nationale Energieversorgung gefährden. Obwohl weltweit noch sehr wenige Erfahrungen mit Smart-Meter existieren, sind schon jetzt sicherheitsrelevante Angriffe dokumentiert. Derzeit gibt es keine ausreichend zertifizierten Smart-Meter, die einem ernsthaften Angriff standhalten.
Smart-Meter eine volkswirtschaftliche Unsinnigkeit
Bisher gibt es keine ausreichenden Belege, dass durch Smart-Metering tatsächlich nachhaltig Strom gespart werden könnte. Bisherige Erfahrungen berichten zwar von kurzfristigen Einsparungen nach einer verbesserten Stromanzeige, die aber wenige Wochen danach wieder verschwanden.
Es ist bisher auch noch keinem Smart-Meter-Befürworter gelungen, zu erklären, warum die bloße Anzeige des Verbrauchs Einsparungen bringen soll. Niemand fährt bloß deswegen weniger Auto, nur weil der Tankinhalt laut Anzeige ständig geringer wird.
In einer im Juni 2010 vorgestellten Kosten-Nutzen-Analyse wurden Kosten für Smart-Metering im Strom- und Gasbereich zwischen 3.300 und 4.384 Mio Euro (je nach Modell) und die Einsparungen zwischen 3.605 und 4.941 Mio Euro (je nach Modell) berechnet.
Zu beachten ist dabei, dass die Kosten jedenfalls anfallen, die Ersparnisse aber nur wenn sich alle extrem optimistischen Annahmen der Studienautoren erfüllen. Schon geringste Abweichungen im Tempo der Einführung, in der Verbreitung der Geräte oder beim Verbraucherverhalten würden die hypothetischen Einsparungen "auffressen".
Selbst bei den optimistischen Annahmen der Studie wäre bloß eine Einsparungsrendite von 10% zu erwarten. Es gibt zahlreiche andere Energiesparmaßnahmen, die bei geringeren Mitteln und keinen Eingriffen in die Privatsphäre weit höhere Einsparungen ermöglichen.
Smart-Metering ist vorrangig für sozial Schwache eine Bedrohung
Mit den Möglichkeiten Strom von der Ferne abzuschalten, den Verbrauch zu beschränken oder die Preisgestaltung Tageszeitabhängig zu machen, stellen Smart-Meter besonders für sozial Schwache einen massiven Eingriff in ihre Lebensführung und Privatsphäre dar.
So wäre es denkbar Arbeitslose oder Sozialhilfebezieher zu verpflichten, in "lastarmen" Zeiten zu kochen oder zu waschen, da sie als Arbeitslose ja sowieso mehr Zeit hätten und diese leichter einteilen könnten.
Mit einer Priorisierung der Netze, hier die Gut-Zahler, denen Strom rund um die Uhr zur Verfügung steht, dort die Schlecht-Zahler, die Strom nur dann bekommen, wenn zuviel da ist, könnte die Zwei-Klassen-Gesellschaft verstärkt werden.
Freiheit statt Verbraucherüberwachung
In einer demokratischen Gesellschaft sollte jeder Bürger die Freiheit haben, selbst zu entscheiden wie er mit seinen Mitteln umgeht, in welcher Form er Energie sparen will, wie er Energieeffizienz umsetzen will. Dazu hat der Gesetzgeber einen Rahmen zu schaffen, der größtmögliche Freiheit garantiert und zahlreiche Alternativen fördert.
Mit der zwingenden Einführung von Smart-Metering erfolgt genau das Gegenteil. Eine höchst dubiose und extrem teure Lösung soll den BürgerInnen "auf's Aug gedrückt" werden. Damit entlarvt der Entwurf die autoritären Absichten der Bürokraten. Statt freien Bürgern die bestmögliche Energieversorgung zu sichern, werden sie mit Zwangsmaßnahmen und totaler Kontrolle in Form von "Verbraucherinformationen" zwangsbeglückt.
mehr --> Zusammenstellung: Alle Beiträge zu Smart Metering
|