2004/12/07 Datenschutz bei Musikdownload - Sind Provider zur Datenweitergabe berechtigt?
Im Zuge der Diskussion um die Rechtmäßigkeit der Datenweitergabe von Kundendaten durch Internet Service Provider (ISP) wurden auch die Geschäftsbedingungen von 23 bekannten Providern analysiert - die von der Kopierindustrie gern zitierte Auskunftsverpflichtung gemäß Urheberrechtsgesetz gilt für Provider nicht
Zweifelhafte Datenweitergabe
Darf ein Provider die Daten einer Person, welche sich hinter einer IP-Adresse verbirgt, an Dritte weitergeben, wenn jene angeben, durch den illegalen Musikdownload des Nutzers geschädigt worden zu sein? Die Beantwortung dieser Frage ist umstritten.
Grundsätzlich könnten die allgemeinen Geschäftsbedingungen derartige Ermächtigungen enthalten, aber auch im Urheberrechtsgesetz (UrhG) könnte eine derartige Ermächtigung stehen.
AGB als geeignete Ermächtigung?
Einen Anhaltspunkt für die Zulässigkeit solch einer Datenweitergabe können die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Provider geben- grundsätzlich muss der Kunde nämlich vor einer dem Vertragsverhältnis zweckentfremdeten Datenübermittlung um seine Zustimmung gebeten werden.
Da Zustimmungserklärungen von den Unternehmen oft in ihren AGB "versteckt" werden, wurden die AGB der 23 wichtigsten Provider Österreichs auf das Vorhandensein solcher Bestimmungen überprüft. Das Ergebnis: Kein einziger Provider wird durch seine AGB ermächtigt, Daten ohne eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage an Dritte weiterzugeben. Fast alle Provider verpflichten ihre Kunden jedoch, sie bei Geltendmachung von Ansprüchen durch Dritte schad- und klaglos zu halten. Dies bezieht sich lediglich auf das Innenverhältnis zwischen dem Provider und seinem Kunden, nicht jedoch gegenüber außenstehenden Dritten.
Welche Daten werden übermittelt?
Abgesehen von den zur Erbringung der Dienste technisch notwendigen Übermittlungen behalten sich etliche Provider gemäß AGB's vor, im Falle der Nichtzahlung des Entgelts Kundendaten an Wirtschaftsauskunftsdienste und "Schwarze Listen" weiter zu geben. Manche umschreiben den Zweck und die Empfänger der Übermittlungen dabei nur sehr vage, andere präzisieren dies genau.
Die Datenübermittlung aufgrund gesetzlicher Bestimmungen behalten sich alle Provider vor. Manche schließen eine Übermittlung ohne gesetzliche Grundlage explizit aus, bei den Restlichen ergibt sich dies aus dem Kontext.
Berufung des Providers auf AGB wirkungslos
Da kein Provider eine Bestimmung in seinen AGB enthält, die die Bekanntgabe der Nutzerdaten wegen illegalen Musikdownloads rechtfertigen würde, stellen bereits die AGB der Provider keine ausreichende Grundlage zur Datenweitergabe dar. Die Berufung der Kopierindustrie auf das Vertragsverhältnis zwischen dem einzelnen Provider und seinen Kunden muss demnach wirkungslos bleiben.
Besteht eine Auskunftsverpflichtung nach dem UrhG?
Vertreter der Kopierindustrie versuchen Provider mit Hinweis auf §87b Abs. 3 UrhG zur Bekanntgabe von Kundendaten zu bewegen. Üblicherweise wird dem Provider eine IP-Adresse und Datum und Uhrzeit eines angeblich erfolgreichen Downloadversuchs von urheberrechtlich geschützten Werken präsentiert. Der Provider wird dann aufgefordert die Kundendaten (Name und Adresse) der Person zu nennen, die zu diesem Zeitpunkt diese IP-Adresse benutzte.
Offensichtlich die Aufforderung der Auswertung von Verkehrsdaten. Es ist in diesem Zusammenhang auch offensichtlich unerheblich, ob diese Adresse statisch oder dynamisch vergeben wird, da der Vertreter der Kopierindustrie die Verwendung zu einem bestimmten Zeitpunkt beauskunftet haben will.
Trifft nur auf Vermittler zu
Analysiert man den §87b Abs. 3 UrhG, dann besteht zwar eine Auskunftsverpflichtung nach dem UrhG, diese trifft jedoch nur Vermittler im Sinne §81 UrhG, also Personen und Stellen, die eine unzulässige Weitergabe von urheberrechtlich geschützten Werken organisiert haben.
Dies könnten etwa Musiktauschbörsen sein, aber auch Betreiber von Foren-, Newsgruppen oder Chatrooms, deren Ziel die Verbreitung oder der Austausch von geschützten Werken ist. Auch ein Betreiber eines Proxyservers, dessen Zweck ausschließlich darin besteht, unzulässige Datenübermittlungen zu organisieren oder zu verschleiern, würde darunter fallen.
Sieht man vom Sonderfall ab, dass ein Internet Service Provider (ISP) Anschlüsse mit der ausdrücklichen Möglichkeit eines illegalen Musikdownloads verkauft oder damit so intensiv wirbt, dass illegaler Musikdownload für den Kunden eine wesentliche Kaufentscheidung für einen bestimmten Anschluss ist, ist der ISP keinesfalls als Mittler anzusehen.
Er stellt bloß technische Infrastruktur zur Verfügung, auf deren rechtmäßige oder auch unzulässige Nutzung er weder Einfluss nimmt, noch zur vorbeugenden Überwachung und Kontrolle verpflichtet ist. Der Provider ist hier am ehesten in der Position eines Hotelbetriebs zu sehen, der Zimmer vermietet, aber nicht wissen kann, welche Dinge tatsächlich in den Zimmern besprochen werden. Er wäre auch mit dem Verkäufer von CD-Rohlingen vergleichbar, der ebenfalls nicht als Vermittler illegaler Musiknutzung angesehen werden kann, nur weil die Rohlinge auch illegal genutzt werden könnten.
Grundsätzlich wird zur Vermittlungstätigkeit immer eine willentliche Entscheidung für eine bestimmte Tätigkeit gehören, alle "Dual-Use"-Tätigkeiten, die für rechtmäßige oder unrechtmäßige Dinge genutzt werden können, werden nicht darunter fallen.
Weitergabe von Nutzerdaten auf Anforderung der Kopierindustrie unzulässig
ISP's (die ARGE DATEN hat eine Reihe dokumentierter Fälle dazu) die Kundendaten aufgrund der Urheberrechtsbestimmung weitergeben, handeln eindeutig rechtswidrig. Kunden denen aus dieser Datenweitergabe ein Schaden erwächst, haben die Möglichkeit den ISP auf Schadenersatz zu belangen.
Jedenfalls Gerichtsbeschluss notwendig
Manche ISP's rechtfertigen die rechtswidrige Weitergabepraxis als "Dienst am Kunden". Da im Falle eines Gerichtsbeschlusses die Daten bekannt zu geben wären, ein Gerichtsverfahren jedoch zusätzliche Kosten verursacht, helfe man "den Kunden Geld sparen".
Hier wird das österreichische Rechtssystem völlig verkürzt und zu einer Privatangelegenheit von Kopierindustrie und Providern gemacht.
Zuerst ist nicht immer sicher gestellt, dass tatsächlich ein Gerichtsbeschluss zur Herausgabe der Kundendaten erwirkt wird bzw. erwirkt werden kann. Selbst wenn dieser jedoch vorliegt, hat die Kosten der Kunde nur dann zu bezahlen, wenn er tatsächlich unzulässige Werknutzung im Sinne der Urheberrechtsbestimmungen betrieben hat. Dies setzt unter anderem voraus, dass der Kunde selbst ein rechtswidriges Verhalten gesetzt hat und nicht ein anderer, zufälligen Nutzer seines Anschlusses.
Tatsächlich enthält jedoch der Themenbereich Musiktausch und Musikdownload eine Fülle offener Fragen, die es höchst unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass tatsächlich in allen von der Kopierindustrie behaupteten Fällen Urheberrechtsverletzungen vorliegen.
Zuletzt wurde in einer Reihe von Entscheidungen festgestellt, dass nur geegnüber dem Gericht der Provider zur Bekanntgabe von Verbindungsdaten (inkl. IP-Adresse) verpflichtet ist. Dies natürlich nur, sofern er diese Daten überhaupt noch hat. Bei einem dynamischen IP-Adressen müssen spätestens nach Bezahlung der Nutzungsgebühr die Verbindungsdaten gelöscht werden, bei einem pauschalierten Internetzugang dürften Verbindungsdaten gar nicht aufgezeichnet werden.
Bedenkliche Rechtsposition
Mit der Verkürzung des Rechtssystems wird einem Faustrecht Tür und Tor geöffnet, in dem jene Seite, die sich höhere Verfahrenskosten und teurere Anwälte leisten kann, rascher ihre vermeintlichen Rechte erzwingen kann. Unter tatkräftiger Beihilfe unseriöser Provider.
Korrekt wäre die Vorgangsweise der Provider, einerseits den Aufforderer (etwa die Kopierindustrie) auf die Rechtslage in Österreich hinzuweisen und andererseits allfällige Anfragen und Schreiben der Aufforderer an den Kunden weiter zu leiten. Dieser kann dann selbst entscheiden, welche Schritte er unternimmt um etwa ein rechtswidriges oder auch aus seiner Sicht unerwünschtes Verhalten abzustellen oder sich dagegen zu schützen.
mehr --> Warnung vor Abmahnwelle der Kopierindustrie Archiv --> Urheberrecht 2002 - Haftung, Kompatibilität und geistiges Eige... andere --> http://cso.net/agb.pdf andere --> http://www.ris.at/risgmbh/produkte/agb.htm andere --> http://www.linzag.at/ andere --> http://www.dialog-telekom.at/files/AGB-DSL.pdf andere --> http://www.cnet.at/cnet_neu/agb.htm andere --> http://www.mycity.at/deutsch/agb/index.php andere --> http://www.ycom.at/data/pdf/agb_ycn_V2.1_web.pdf andere --> http://www.kabelsignal.at andere --> http://apa.cms.apa.at/cms/site/downloads/agb.pdf andere --> http://www.tiscali.at/business/docs/zusatz/AGB_Tiscali_AG.pdf andere --> http://kapper.net/agb.php andere --> http://www.council.net/ andere --> http://www.sil.at andere --> http://www.prioritytelecom.at/b/services/agb/agb.pdf andere --> http://www.vol.at/engine.aspx?page=vol-features-agb andere --> http://www.wvnet.at/ andere --> http://2002.net4you.net/pdf/agb.pdf andere --> http://www.etel.at/ andere --> http://www.internic.at/bin/agb?HOSNAME=www.internic.at&TOKEN=public_any_user_nos... andere --> http://www.nextra.at/dokumente/pdf/ED_AGB_Nextra230902_G.pdf andere --> http://www.inode.at/shop/agb.html#12 andere --> http://images.utanet.at/uta/D.EndfassungAGB_2002_08_01.pdf andere --> http://www.telekom.at/Content.Node2/dateien/agb_aonprodukte.pdf
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