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2007/11/08 Innenministerium als Partnervermittler oder Sittenwächter?
Weitgehend unbeachtete Änderung des Meldegesetzes brachte Ausweitung der Datensammlung des Innenministeriums - Zweck der Datenerweiterung unzureichend begründet - offenbar Vorbereitung zur polizeilichen Hatz auf "Scheinehen" - Meldebestimmung widerspricht Minimalitätsprinzip des DSG und ist verfassungswidrig

Was hat der "Familienstand" auf dem Meldezettel verloren?

Zweck des Meldewesens ist es, den Auftenthaltsort einer bestimmten Person zuverlässig feststellen zu können. Nicht mehr und nicht weniger. Das Meldewesen ist weder ein öffentliches Strafregister, wie es vom Innenminister vor kurzen mit der Veröffentlichung bestimmter Straftaten angedacht war, noch ein Partnersuch- und -vermittlungsdatenbank, indem Familienerhältnisse dargestellt werden. Um so erstaunlicher ist die Ausweitung der Meldedaten.

Von der medialen Berichterstattung und Juristen so gut wie unbemerkt brachte die Novelle zum Meldegesetz 2006 eine wesentliche Änderung hinsichtlich des Inhalts des Meldezettels mit sich: Zusätzlich zu den bislang erhobenen, personenbezogenen Daten ist nun bei einer Meldung die Bekanntgabe des "Familienstandes" verpflichtend.


Die Novelle zum Meldegesetz

So gut wie unbemerkt wurde die entsprechende Änderung mit Bundesgesetzblatt 45/2006 beschlossen, die entsprechende Änderung des Meldegesetzes bringt die Bestimmung, die das künftige Aussehen und den Inhalt der "Anlage A" festlegt. "Anlage A" bestimmt das genormte Aussehen und den Inhalt des Meldezettels. Zusätzlich zu den schon bisher verarbeiteten, umfangreichen Informationen ist nunmehr aufgrund dieser Bestimmungen auch die Angabe des Familienstandes verpflichtender Teil des Meldezettels. Dabei kann der Betroffene zwischen ledig, verheiratet, geschieden und verwitwet wählen. Ergänzt wird die Novelle durch § 11a MeldeG (geändert wenige Tage davor, BGBl 33/2006), welche Personenstandsbehörden dazu verpflichtet, Änderungen hinsichtlich des Familienstandes von Menschen, die im Bundesgebiet angemeldet sind, dem Bundesminister für Inneres im Wege eines Änderungszugriffes auf das ZMR zu übermitteln.


Verwendungszweck der erhobenen Daten

Interessant ist ein Blick in den Begutachtungsentwurf zu der durchgeführten Novelle. Zunächst fällt auf, dass die erläuternden Bemerkungen zu der entsprechenden Bestimmung überaus dürftig sind - es wird lediglich darauf verwiesen, dass künftig auch der Familienstand von Betroffenen verarbeitet wird, über Sinn und Zweck dieser Maßnahme schweigt sich der Gesetzgeber vollkommen aus. Aufschlussreich ist allerdings ein Vergleich des Entwurfs mit der tatsächlich beschlossenen Fassung: Während der Entwurf mit § 16 b Abs 3 MeldeG noch eine Bestimmung vorgesehen hatte, welche die Verwendung des erhobenen Datums „Familienstand“ für statistische Zwecke beschränkte, ist davon in der beschlossenen Fassung keine Rede mehr. Das erhobene Datum ist somit für sämtliche im Meldegesetz vorgesehenen Zwecke verwendbar, der Zweck der Erhebung, der ursprünglich statistischen Zwecken dienen sollte, bleibt im Dunkeln.

Zu vermuten ist, dass der Anlass für die entsprechende Änderung im sogenannten "Fremdenrechtspaket 2005" zu sehen ist, mit dem sich das Innenministerium den Kampf gegen "Scheinehen mit Ausländern" auf die Fahnen heftete. Von einer Veränderung des Familienstandes erfährt nunmehr die Polizei direkt und kann somit bequem per ZMR-Rasterfahndung zur Ehejagd blasen.


Verwendung des erhobenen Datums

Verarbeitet werden sämtliche personenbezogenen Daten, die der Behörde via Meldezettel bekannt zu geben sind, im zentral geführten Melderegister, welches unter anderem als "Lokales Melderegister" auch ein Informationsverbundsystem darstellt. Die Meldebehörden dürfen die im Zentralen Melderegister verarbeiteten Daten gemeinsam benützen und Auskünfte daraus erteilen. Der Innenminister kann Organen von Gebietskörperschaften, Gemeindeverbänden und den Sozialversicherungsträgern auf deren Verlangen eine Abfrageberechtigung im Zentralen Melderegister eröffnen, so dass diese den Gesamtdatensatz bestimmter Menschen im Datenfernverkehr ermitteln können.

Darüber hinaus kann der Innenminister bestimmten Personen auf Antrag eine Abfrageberechtigung auf die im Zentralen Melderegister verarbeiteten Daten erteilen, wenn glaubhaft ist, dass diese regelmäßig Meldeauskünfte zur erwerbsmäßigen Geltendmachung oder Durchsetzung von Rechten oder Ansprüchen benötigen. Typischerweise im Besitz einer Abfrageberechtigung sind etwa oft Anwaltskanzleien oder Inkassobüros. Darüber hinaus können die verarbeiteten Daten weiters für die erwähnten, statistischen Zwecke verwendet werden, eine Löschungsverpflichtung besteht erst nach dreißig Jahren.


Problematische Konsequenz der Gesetzesnovelle

Dadurch, dass nunmehr - neben Religionsbekenntnis - auch der Familienstand Teil der im ZMR verarbeiteten Daten ist, vergrößert sich auch die Summe der Informationen, die Abfrageberechtigte aus dem ZMR beziehen können. Wer schon öfters Kontakt mit Behörden und Versicherungsträgern gehabt hat, weiß, wie leichtfertig dort mit Meldedaten oft umgegangen wird. Dazu kommen die privaten Abfrageberechtigten, bei welchen oft nicht nachvollziehbar ist wie und warum die Daten verwendet werden.

Gerade das Datum "Familienstand" ist natürlich für verschiedene Wirtschaftsbereiche - insbesondere Direktmarketing, Auskunftsdienste oder Adressverlage - eine höchst interessante Information. Verantwortungslose Gesetzgebung öffnet in diesem Bereich dem Datenmissbrauch Tür und Tor.


Datenfeld "Familienstand" ist offensichtlich verfassungswidrig

Der Zweck für die Ausweitung der Meldeevidenz ist nicht nachvollziehbar, für die Durchführung meldepolizeilicher Zwecke ist die Kenntnis des Familienstandes jedenfalls nicht nötig. Für Missbrauch aller Art lädt aber ein System wie das ZMR geradezu ein - kein Staat in Europa betreibt heute noch ein derart umfassendes Meldesystem unter Strafdrohung gegen Betroffene und zentraler Einsichtsmöglichkeit für hunderte Stellen.

Die Bestimmung widerspricht somit dem im §1 DSG formulierten Minimalitätsprinzip, dass im Vefassungsrang steht. Es dürfen Daten nur in dem Umfang verwendet werden, als sie für die Erfüllung einer Aufgabe unbedingt erforderlich sind. Auch Gesetze müssen diesem Minimalitätsprinzip, zu dem sich Österreich seit Anerkennung der Europäischen Menschenrechtskonvention verpflichtet hat, folgen.

Auf Grund der unzureichenden Zweckbestimmung ist die Grundrechtswidrigkeit der Bestimmung höchst wahrscheinlich. Verweigert jemand die Angaben zum Familienstand und führt dies zu einem Verwaltungsverfahren wegen eines Meldevergehens, ist die Aufhebung der Bestimmung beim Verfassungsgerichtshof höchst wahrscheinlich.

Die ARGE DATEN wird daher Betroffenen jedenfalls Unterstützung in der Durchsetzung ihrer Verfassungsrechte geben.

mehr --> http://ftp.freenet.at/beh/meldezettel-neu-2006.pdf

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