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2008/08/29 DSK setzt Radarüberwachung auf Gemeindeebene ein Ende
AUS für Gemeindeabzocke durch Radarfallen - jahrelang rechtswidriger Zustand wurde ein Ende gesetzt - trotzdem seltsame Entscheidung der Datenschutzkommission - Politik will Wegelagerermethoden "legalisieren" - schlechter Dienst an der öffentlichen Sicherheit - Extremfall Mödling

Radarfallen der Gemeinden

Selten erreicht die Datenschutzkommission (DSK) die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Zuletzt gelang dies mit dem Verbot der Radarüberwachung durch Gemeinden (K121.359/0016-DSK/2008).

Aus finanziellen Gründen, nicht aus Gründen der Verkehrssicherheit, kamen in den letzten Jahren immer mehr österreichische Gemeinden auf die Idee, im Gemeindegebiet auf eigene Faust Radarüberwachungen durchzuführen. Die technische Durchführung wurde meist an private Unternehmen übertragen. Zu Strafzwecken wurden die erfassten KFZ-Kennzeichen an die Bezirksverwaltungsbehörde übermittelt.

Eine auf Grund von Gemeindedaten erlassene Strafverfügung führte zu einer Beschwerde bei der Datenschutzkommission. Die Gemeinde sei nicht gesetzlich ermächtigt, Daten zur straßenpolizeilichen Überwachung zu ermitteln und auszuwerten.

Die betreffende Gemeinde stellte ihr Vorgehen außer Streit und rechtfertigte sich zunächst mit dem "alten Hut" und falschen Argument, KFZ-Kennzeichen seien keine personenbezogenen Daten. Ansonsten wurde behauptet, dass eine Verkehrsüberwachung durch Privatpersonen zulässig sei.


Entscheidung der DSK

Dem Argument, es handle sich bei den KFZ-Kennzeichen um keine personenbezogenen Daten erteilte die DSK erwartungsgemäß - unter anderem unter Verweis auf die "Section-Control-Entscheidung" des VfGH - eine klare Absage. Die ARGE DATEN berichtete zur "Section-Control-Entscheidung" (http://www2.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGED...).

Sowohl die EG-Richtlinie Datenschutz (95/46/EG) als auch das österreichische DSG verwenden eine weitreichende Definition der "personenbezogener Daten", jede Information ist personenbezogen, wenn sie einer Person zugeordnet werden kann. Beim KFZ-Kennzeichen ist es zumindest der Fahrzeughalter (vulgo: Besitzer).

Eindeutig daher der Bescheid der DSK: Gemäß §94b StVO fällt die Überwachung der straßenpolizeilichen Vorschriften - so auch die Einhaltung der gesetzlichen Höchstgeschwindigkeit - in die Zuständigkeit der lokalen Bezirksverwaltungsbehörde. Gemeinden, so wie andere Behörden dürfen Daten nur auf Grund übertragener gesetzlicher Befugnisse sammeln, für die Verkehrsüberwachung fehlt den Gemeinden diese Befugnis.

Da im Beschwerdefall die Gemeinde selbst als datenschutzrechtliche Auftraggeberin auftrat und mittels eines privatrechtlichen Vertrages die Überwachung  an ein Privatunternehmen delegierte, wurde die gesamte Datenanwendung von der DSK als rechtswidrig eingestuft. Demzufolge war sowohl die Datenermittlung rechtswidrig, sondern auch die Übermittlung zu verwaltungsstrafrechtlichen Zwecken an die Bezirksverwaltungsbehörde.


Datenverwendung zu Strafzwecken trotzdem rechtmäßig?

Soweit, so klar und aus den gesetzlichen Bestimmungen eindeutig abzuleiten. Eigentümlich ist nur, dass es Jahre dauerte bis dieser rechtswidrige Unfug der Gemeinden abgestellt wurde.

Nicht mehr nachvollziehbar ist der zweite Teil der DSK-Enscheidung. Die DSK beschäftigte sich auch mit der Frage, ob die Bezirksverwaltungsbehörde die rechtswidrig ermittelten Daten verwenden durfte.

Verkürzt zusammen gefasst, müssen die Strafverfügungen trotz rechtswidriger Ermittlung bezahlt werden?. Maßgeblich für die DSK-Entscheidung ist das formalistische Argument, §7 Abs 2 DSG 2000 untersage nur die Ermittlung unzulässig verarbeiteter Daten. Eine "geschlossene Kette [rechtlich zulässiger Datenverarbeitungsschritte] bei den zuvor verantwortlichen Auftraggebern" sei nicht notwendig, sofern der Auftraggeber - die Bezirksverwaltungsbehörde - die gesetzlichen Grundlagen zur Datenverwendung habe.


Völlig willkürliche Auslegung der Datenschutzrechte durch die DSK

Wenn eine Behörde die Befugnis hat, Strafen zu verhängen, muss sie sich nicht mehr um die rechtmäßige Grundlage ihrer Daten kümmern. Das aus US-Filmen bekannte Beweisverwertungsverbot illegal beschaffter Informationen gibt es nur in Filmen, nicht - glaubt man der Datenschutzkommission - in Österreich.

Dieser überaus seltsamen Rechtsauffassung ist entgegen zu halten: Die DSK zitiert zwar §7 Abs 2 DSG 2000 richtig, lässt aber §7 Abs 1 DSG 2000 vollkommen außer Acht. Gemäß dieser Bestimmung dürfen Daten nur verarbeitet werden, soweit Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind und die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzen.

Und so stellt die DSK im ersten Absatz ihres Bescheides die Verletzung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen fest, um dann im zweiten Absatz - auf möglichst behördenfreundliche, selektive Interpretation des DSG bedacht - genau diese Feststellung zu ignorieren. Eine völlig absurde Schlussfolgerung, die nur durch die mangelnde Unabhängigkeit der DSK erklärbar ist.

Zusätzlich zu §7 DSG wird auch in §6 DSG festgehalten, dass Daten nur nach Treu und Glauben und auf rechtmäßige Weise verwendet, für festgelegte, eindeutige und rechtmäßige Zwecke ermittelt und nicht in einer mit diesen Zwecken unvereinbaren Weise weiter verwendet werden dürfen.

Offenbar begreift man Datenschutz am Ballhausplatz, dem Sitz der DSK, wieder einmal bloß als Behördenschutz. Behörden verletzen nie Datenschutzbestimmungen, Behörden haben immer recht und wenn doch einmal ein offensichtlicher Fehler passiert, dann wird er durch willkürliche und selektive Interpretation des DSG repariert.


Betroffener steht Weg zum Verwaltungsgerichtshof (VwGH) offen

Während die DSK hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Datenermittlung durch die Gemeinde richtig – und im Sinne des Betroffenen - entschieden hat, birgt der zweite Teil der Entscheidung datenschutzrechtlichen Sprengstoff. Auftraggeber, der eine entsprechende Kompetenz zur Datenverwendung hat, muss sich nicht darum kümmern, ob diese Daten rechtmäßig ermittelt wurden. Bezirksverwaltungsbehörden und andere Behörden könnten nach Lesart der DSK zur Erfüllung ihrer Aufgaben auch auf schlichtweg rechtswidrige Datenbestände zurückgreifen.

Diese Rechtsauffassung kann vor dem Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden. Die Chancen für den Betroffenen auf Aufhebung des DSK-Bescheides sind auf Grund der willkürlichen Gesetzesauslegung durch die DSK sehr gut. Selbstverständlich verlangen DSG und EG-Richtlinie bei der Verwendung von Daten ihre zuvor rechtmäßige Ermittlung.


Politik will Wegelagerermethoden "legalisieren"

In Deutschland gibt es schon seit 2004(!) Gerichtsentscheidungen, die die Radarmessungen durch Private untersagen, Österreich ist wie immer rechtsstaatlicher Nachzügler.

Populistisch und wahlkampfmotiviert reagiert die Politik auf die Entscheidung. Statt, wie es in zivilisierten Staaten üblich wäre, die Rechtsbrecher, sprich jene Bürgermeister, die rechtswidrig die Gemeindekassen füllen wollten, zu Verantwortung zu ziehen, soll das System Mödling und Co legalisiert werden.

Schon im Frühjahr 2008 kritisierte der Rechnungshof äußerst scharf die Wegelagerermethoden der Mödlinger Gemeindeväter. Mödling betreibt nicht nur illegale Radarboxen, sondern hat die Überwachung einer eigens gegründeten privaten Firma übertragen. Wesentlicher Bestandteil der Vereinabrung ist eine Umsatzgarantie und eine Ausfallshaftung.

Damit die private Firma zu ausreichenden Einnahmen kommt, garantiert die Gemeinde im Umfeld der Radaranlagen KEINE Verkehrssicherheitsmaßnahmen zu setzen. Sollten durch veränderte Verkehrsgewohnheiten, etwa wegen des hohen Benzinpreises, die Strafzahlen sinken, dann wird die Gemeinde - so der geradezu verrückte Vertrag - den Einnahmenausfall ersetzen.


Schlechter Dienst für die Sicherheit

Aus einer wichtigen staatlichen Aufgabe, Sicherheit zu erhöhen, Sicherheit zu fördern, wird das Gegenteil, eine Abzock- und Abkassierbürokratie, bei der Sicherheitsmaßnahmen unerwünscht sind, reduzieren sie doch Behördeneinnahmen und privaten Gewinn.

Statt ehrlich zu budgetieren und den Bürgern klar zu machen, wie viel Gemeindetätigkeiten, wie Schulen, Infrastruktur und Freizeiteinrichtungen kosten, wird versucht durch Wegelagerermethoden ein Zusatzeinkommen zu schaffen. Damit gerät die öffentliche Verwaltung in einen gewaltigen Interessenskonflikt, mehr Sicherheitsmaßnahmen und höheres Sicherheitsbewußtsein der Bürger würden Geld kosten und Einnahmenentfall bedeuten und sind somit unerwünscht.

Nicht zufällig sind in den letzten Jahren die Deliktzahlen in Österreich dramatisch gestiegen, gleichzeitig die Aufklärungsquoten gesunken, bei explodierenden Kosten und ausgeweiteten Befugnissen für die "Sicherheitsbehörden". Mangelnde Sicherheit, Willkür und Abzocke werden zu einem "großen Geschäft" etlicher populistischer Politiker.

Hans G. Zeger, Mitglied des Datenschutzrates: "Qualifikationsanforderung an einen neuen Innenminister: Sicherheit in Freiheit und Würde zu schaffen."

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