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2005/04/04 Asylrechtsentwurf des BMI - die Vorurteilsermächtigung
Der vom BMI vorgelegte Asylrechtsentwurf widerspricht in den Bereichen Datenschutz und Schutz der Privatsphäre europäischen Mindeststandards - schon allgemeine Verdachtsmomente (im Volksmund Vorurteile) ermächtigen zu weitreichenden Eingriffen in Hausrecht und Persönlichkeit - auch Österreicher sind davon unmittelbar betroffen - die Informations- und Beschwerderechte für die Betroffenen sind mangelhaft - selbst die Übermittlung von persönlichen Daten an das Herkunftsland wird nicht ausgeschlossen, mit unmittelbarer Gefährdung zurückgebliebener Angehöriger

Generelle Kritikpunkte

Aus grundrechtlicher Sicht ist zu kritisieren, dass der Entwurf Maßnahmen wie z.B. Hausdurchsuchungen, deren Durchführung der Polizei üblicherweise bei schweren Delikten vorbehalten ist, gegenüber Fremden und Asylsuchenden auch bei bloß allgemeinen, nicht weiter konkretisierten Verdachtsmomenten, die sich nicht nur auf strafrechtlich relevante Tatbestände beziehen, vorsieht.

Die Ermächtigungen für Übermittlungen von Daten sind unklar und allgemein formuliert und gehen inhaltlich zu weit. Für die Löschung von erkennungsdienstlichen Daten sind keine klaren Fristen vorgesehen.


Versuch eine bisher rechtswidrige Praxis zu legalisieren

Die Ermächtigungen zur erkennungsdienstlichen Behandlung von Fremden sind überschießend und widersprechen rechtsstaatlichen Standards. Die bisherige rechtswidrige Praxis der Identitätsfeststellung bei Fremden ohne konkreten Verdacht soll damit offenbar legalisiert werden.

Die Bestimmungen des §35 Fremdenpolizeigesetz sind offensichtlich analog zu den Bestimmungen des §35 Sicherheitspolizeigesetz ausgestaltet. Besonders bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang die Erläuterungen zu dieser Bestimmung. Demnach ist es nach geltender Rechtslage gängige Praxis, dass Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes wider besseres Wissen Personen verdächtigen, um diese zu einer Ausweisleistung zwingen zu können. Durch die neue Bestimmung soll diese Praxis legalisiert werden. Es ist demnach ausdrücklich vorgesehen, dass eine Identitätsfeststellung ohne einen individualisierten konkreten Tatverdacht erfolgen darf. Als Grundlage für eventuelle Zwangmaßnahmen reicht demnach laut dem vorliegenden Entwurf ein allgemeiner Generalverdacht oder bloße Vorurteile gegenüber Fremden aus.


Überschießende Eingriffsrechte in Haus- und Wohnrecht

Gegenüber den Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes, das Durchsuchungen insbesondere zur Hilfeleistung und zur Abwehr von gefährlichen Angriffen vorsieht, gehen die Befugnisse der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im §37 FPG weiter. Bereits das Vorliegen einer gerechtfertigten, im Entwurf jedoch nicht konkretisierten Annahme, dass sich Fremde, die sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, an einem Ort (Grundstücke, Wohnungen, Arbeitsstellen, Fahrzeuge) befinden könnten, rechtfertigt demnach eine Durchsuchung dieses Ortes.

Die Bestimmung ist geradezu eine Einladung zur Denunziation und Anzeige unliebsamer Nachbarn. Damit wird nicht nur massiv in die Persönlichkeitsrechte von Asylwerbern eingegriffen, sondern auch in Haus- und Persönlichkeitsrechte völlig unbescholtener, langjährig in Österreich lebender Menschen. Dies ist ein des Rechtsstaates unwürdiger Eingriff in die Privatsphäre.


Generelle Datenübermittlungen (§56 Asylgesetz)

Besonders kritisch ist die Ermächtigung zur Übermittlung von Daten an verschiedenste Empfänger, die nur dadurch eingeschränkt wird, dass jene Daten übermittelt werden sollen, die vom Empfänger zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben benötigt werden. Die Erfahrungen der Vergangenheit – als Beispiel sei hier nur der Umgang mit den Daten von Vermissten und deren Übermittlung an Hilfsorganisationen und Angehörige im Rahmen der Flutkatastrophe im Dezember 2004 erinnert – zeigen, dass solche Abwägungen von den übermittelnden Behörden in der Praxis nicht sinnvoll durchgeführt werden können. Dies führt im Ergebnis dazu, dass entweder weit überschießende Datenübermittlungen erfolgen oder dass die zur Erfüllung der Aufgaben notwendigen Daten nicht übermittelt werden.

Aus Sicht der ARGE DATEN sollte klar festgehalten werden, welche personenbezogenen Daten an welche Behörden für welche Zwecke übermittelt werden dürfen. Dies entspricht auch den Grundsätzen der §§6ff DSG 2000. Weiters wären jedenfalls ausreichende und unabhängige Kontrollmechanismen vorzusehen, die eine missbräuchliche Datenverwendung verhindern können. Die Datenschutzkommission ist in Hinblick auf die überlangen Verfahrenszeiten (im Durchschnitt wird erst nach 11 Monaten entschieden!) und mit dem Ziel rasche und effiziente Asylverfahren durchzuführen ungeeignet bzw. überfordert.


Datenübermittlung an das Herkunftsland

Die Regelung des §56 Abs. 11 wird in den Erläuterungen zwar als ‚ultima ratio‘ bezeichnet, allerdings lässt die tatsächliche Formulierung im Entwurf einigen Interpretationsspielraum offen. So ist zu kritisieren, dass – wie in den Erläuterungen ausgeführt – die Gefahr einer eventuellen Verzögerung von polizeilichen Ermittlungen bereits eine Übermittlung von Daten an das Herkunftsland rechtfertigt. Es ist dabei zu bedenken, dass eine solche Übermittlung von Daten sowohl den Betroffenen selbst als auch z.B. im Herkunftsstaat verbliebene Angehörige unter Druck setzen oder gar gefährden könnte. Zusätzlich ist weder dem Gesetzeswortlaut noch den Erläuterungen zu entnehmen, an welche Behörden oder Organe des Herkunftsstaates Übermittlungen zulässsig wären.

Deshalb sollten Übermittlungen an den Herkunftsstaat in den Fällen eines laufenden Asylverfahrens oder auch nach Genehmigung des Asyls, nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Betroffenen erfolgen. Der Schutz der Person und auch allfällig im Heimatland verbliebener Angehöriger muss gegenüber allfälliger administrativ-rechtlicher Interessen der Behörden absoluten Vorrang haben.


Schlussfolgerung

Die allgemeinen und zu weitläufig formulierten Bestimmungen zur Datenverwendung und Übermittlung im Asyl- und Fremdenpolizeigesetz sind mit der Verfassungsbestimmung des §1 DSG 2000, mit den Verwendungsbestimmungen von Daten nach Treu und Glauben (§§6ff DSG 2000) und mit der EU-Datenschutzrichtlinie nicht vereinbar. Auch die gegenüber den allgemeinen Regelungen weitergehenden Eingriffsbefugnisse, wie z.B. Durchsuchungen, dürften aus grundrechtlicher Sicht nicht zulässig sein.

Der Entwurf ist daher aus Sicht des Datenschutzes und der Wahrung der Privatsphäre von Menschen als völlig missglückt anzusehen. Es wird daher eine komplette Neufassung der entsprechenden Bestimmungen unter Berücksichtigung der geltenden europa- und verfassungsrechtlichen Bestimmungen zum Schutz der Privatsphäre und des Datenschutzes gefordert.


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