Private DNA-Analysen - Ein Fall für den Volksanwalt?
ORF-Sendung "Volksanwalt - Gleiches Recht für alle" zeigt skandalöse Praktiken bei DNA-Analysen auf - Private DNA-Analysen boomen - Bisherige Gesetze verbieten DNA-Analysen fremder Personen, sind jedoch nicht exekutierbar - umfassende Novellierung erforderlich
ORF-Sendung "Ein Fall für den Volksanwalt"
Am 24.9.05 17:45 ORF2 präsentiert der Vorarlberger Volksanwalt die schier unglaubliche Geschichte einer amtswegig verordneten DNA-Untersuchung für private Zwecke. Mutter und Sohn mussten sich gegen ihren Willen einer DNA-Analyse unterziehen.
Private DNA-Analysen boomen
Misstrauen in den Lebensbeziehungen fördert Eingriffe in Privatsphäre. Immer öfter beschaffen sich Väter heimlich DNA-fähiges Material ihrer Kinder und Lebensgefährting/Ehegattin und lassen diese Daten in Privatlabors auswerten (Vaterschaftstests). Dabei sind sie im Sammeln nicht gerade zimperlich. Benutze Damenbinden, ausgerissene Haare oder verschmutzte Unterhosen werden genauso herangezogen, wie Zigarettenkippen oder Speichel- und Urinreste.
Damit begehen sie rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre, die ebenso strafbar sind, wie das Labor, das diese Untersuchungen durchführt, ohne sich von den tatsächlich gegebenen Einverständniserklärungen zu überzeugen. Praktisch alle Labors begnügen sich mit einer Erklärung des Auftraggebers, dass alle anderen Personen einverstanden seien. Dies ist aber aus datenschutzrechtlicher Sicht unzureichend.
Biometrische Untersuchungen ohne Einverständnis sind verboten
Die DNA-Analyse, aber auch die Analyse von Fingerabdrücken, der Iris, Gesichtserkennung usw. stellen Eingriffe in die Privatsphäre des Betroffenen dar und sind daher grundsätzlich verboten.
Zulässig ist eine DNA-Analyse nur unter bestimmten Voraussetzungen, wie etwa im Zuge polizeilicher Ermittlungen oder auf Anordnung eines Gerichts. Auch mit freiwilliger Zustimmung des Betroffenen kann eine DNA-Analyse gemacht werden, dazu ist es jedoch notwendig, den Betroffenen über Zweck und Folgen umfassend aufzuklären. Zustimmungen sind nur gültig, wenn sie "in Kenntnis der Sachlage" gegeben werden.
Bisherige rechtliche Möglichkeiten nicht praxistauglich
Theoretisch sind die Menschen vor derartigen Übergriffen durch eine Reihe von Gesetzen, allen voran die Europäische Menschenrechtskonvention Art. 8, die in Österreich Verfassungsrang besitzt, der §1 des Datenschutzgesetzes, aber auch §16 ABGB oder der neuen Privatsphärebestimmung §1328a ABGB geschützt.
Leider sind diese Bestimmungen durchwegs zivilrechtlicher oder verfassungsrechtlicher Natur und entweder gar nicht direkt oder nur über teure und langwierige Zivilverfahren einklagbar. Einem minderjährigen Kind, das vor Gericht die Vertretung eines Erziehungsberechtigten benötigt, könnte unter Umständen überhaupt der Weg versperrt sein, wenn der Erziehungsberechtigte gleichzeitig jene Person ist, gegen die es Klage führen möchte.
Was jedoch fehlt, wären einfache verwaltungsrechtliche Tatbestände, die ein Verbot der Durchführung biometrischer Analysen ohne Einverständnis vorsieht und die durch Anzeige bei den Verwaltungsbehörden geahndet werden könnten. Wichtig wäre bei diesem Tatbestand eine Parteienstellung bzw. Verständigungspflicht des Betroffenen, da - abhängig vom Ausgang des Verfahrens - daraus resultierende Schadenersatzansprüche wesentlich einfacher zivilrechtlich geltend gemacht werden könnten.
Realisiert werden könnte diese Bestimmung im Datenschutzgesetz oder im Gentechnikgesetz.
Recht auf Auskunft und Löschung
Abgesehen von den fehlenden rechtlichen Abwehrmöglichkeiten besteht jedenfalls ein Recht auf Auskunft über die im Zuge einer DNA-Analyse angefallenen Daten und auch - sofern die Daten unrechtmäßig ermittelt wurden, ein Anspruch auf Löschung.
Dieser Anspruch gilt gegenüber jeder Stelle, die über diese DNA-Daten verfügt, also auch dem ermittelnden Labor. Neben einigen Privatlabors hat sich insbesondere das Gerichtsmedizinische Institut in Innsbruck auf DNA-Analysen spezialisiert.
Der Anspruch gilt auch dann, wenn man selbst nicht der Auftraggeber der Untersuchung ist, in keinem Vertragsverhältnis zum Labor steht und sogar dann, wenn der Auftraggeber die Datenweitergabe untersagt hätte.
Die Rechte Auskunft und Löschung sind Persönlichkeitsrechte, die durch Dritte nicht eingeschränkt werden können.
DNA-Analyse sollte ursprünglichen Zweck behalten
Insgesamt nimmt die DNA-Analyse in der öffentlichen Berichterstattung und auch bei Politikern des rechts-radikalen Lagers einen viel zu hohen Stellenwert ein. So wurden zwar seit 1997 (dem Beginn der kriminaltechnischen DNA-Analyse) bis Ende 2003 (neuere Daten liegen noch nicht vor) fast 65.000 Mundhöhlenabstriche durchgeführt, denen steht jedoch die bescheidene Zahl von nicht einmal 17.000 Tatortspuren gegenüber. Nur in etwas über 3000 Delikten konnten in den letzten sechs Jahren DNA-Analysen Hinweise zu Tatverdächtigen erbringen, 2003 waren es 759 Delikte. Das sind bei knapp 470.000 bekannt gewordenen Delikten (Stand 2003) gerade mal 0,16% der Delikte.
Auch wenn immer wieder einige spektakuläre Erfolge durch die Medien gehen, auffällig ist die extrem geringe Zahl von gesicherten Tatortspuren. Gerade das Massendelikt "Diebstahl durch Einbruch und mit Waffen", das 2003 121.629 mal verübt wurde, würde sich für die Sicherung von Tatortspuren geradezu anbieten. Warum das nicht geschieht, dazu besteht von Seiten der Sicherheitsbehörden jedenfalls erhöhter Erklärungbedarf. Offenbar liegen in den meisten Fällen gar keine geeigneten Tatortspuren vor. Einbrechern ist es offenbar ein Leichtes die Gefahr einer DNA-Analyse zu unterlaufen.
Als gezieltes Mittel in der kriminalistischen Ermittlungsarbeit sind DNA-Analysen bei speziellen Verbrechenskonstellationen jedoch sinnvoll, etwa jenen gegen Leib und Leben. Hier sollte nach strengen rechtsstaatlichen Kriterien vorgegangen werden. Dies nützt der polizeilichen Ermittlung und schützt die unbescholtene Bevölkerung. Der (Alp)Traum mancher rechtspopulistischer Politiker flächendeckend und prophylaktisch die DNA der Bürger zu erfassen, sollte sich angesichts der bisher bescheidenen Anwendungserfolge als bloßer Kontroll- und Überwachungswahn selbst entlarven.
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