Operation Spring - der Film zum Lauschangriff
Ambitioniertes Filmprojekt hinterfrägt erstmals die "erfolgreichste" Lauschaktion der 2. Republik - Mehr als hundert Verhaftungen endeten mit hunderten Jahren Gefängnis - Wer wurde tatsächlich hinter Gitter gebracht? Auf Grund welcher Beweise? - Kinostart 23.9.05 in Wien und Graz
Operation Spring 1999
Ende Mai 1999 ging die Polizei mit einer österreichweit organisierten Verhaftungsaktion, bei der 850 Beamte beteiligt waren und 100 Menschen, durchwegs Nigerianer verhaftet wurden an die Öffentlichkeit.
Die Beweggründe für die Aktion dürften vielfältig gewesen sein. Zum einen wollte die Polizei rasch nach Verabschiedung des Gesetzes zum "Großen Lauschangriff" beweisen, wie dringend die Lauschbestimmungen benötigt wurden. Zum anderen sollte das Signal gesetzt werden, dass die Polizei energisch gegen Drogendealer vorgehen kann, überhaupt wenn es Ausländer sind. Dass das ganze auch eine Entlastungsaktion des wegen des Omofuma-Todesfalls in Bedrängnis geratenen Innenministers Schlögel darstellte, war wohl nur ein angenehmer Nebeneffekt.
Der Dokumentarfilm rollt das Geschehen an Hand zweier exemplarischer Fälle auf, zwei von hundert "Nonames", ausgestattet mit geringen Deutschkenntnissen, meist nur durch Pflichtverteidiger vertreten.
Zu Wort kommen nur Personen, die direkt in das Geschehen involviert waren, Beschuldigte, Richter, Verteidiger, Beobachter. Ein formaler Kunstgriff, der den Aussagen hohe Authentizität verleiht, der auch Widersprüche in der Darstellung des Geschehens zulässt und die Unterschiede in der Denkweise der Akteure aufzeigt. Eine Vorgangsweise, die naturgemäß auch zu Lücken in der Darstellung führen muss. Die direkt beteiligten Polizeiermittler konnten, wollten oder durften sich nicht äußern, die routinierten Pressesprecher mit ihren vorgefertigten Statements hatten für die Filmemacher keinen Platz.
Und der Rechtsschutzbeauftragte Dr. Matscher? Er fehlt im Film und dürfte ansonsten auch bei den Überwachungsaktionen daneben gestanden sein. Zu keinem Zeitpunkt wurde etwa die korrekte und sorgfältige Auswertung des Lauschmaterials eingemahnt. Was bei jedem Journalisten Standard sein sollte, Check, Re-Check und Doublecheck wurde in Gerichtsverfahren, bei denen es um jahrelange Haftstrafen ging, vernachlässigt. "Übersetzungen" die eher einem phantasievollen Interpretieren eines Stimmengewirrs entsprechen, werden unhinterfragt als Beweismittel herangezogen. Auch "anonyme" Zeugen, denen offensichtlich Hafterleichterung versprochen wurde glänzen als Gedächtnisgenies, können mit erstaunlichen Details über eine Unmenge von Personen aufwarten und waren, vergleicht man die verschiedenen Verfahren gleichzeitig an mehreren Orten. Kasetten, die von schemenhaft gefilmten Gestalten über den Tisch gereicht werden, werden zu Rauschgiftpakete erklärt.
Auch wenn ein anonymer Zeuge später seine Beschuldigungen widerruft. Was soll's? Irgendwas wird schon stimmen, die Verfahren werden nicht mehr neu aufgerollt. Verurteilt wurden Menschen weil sie "unbekannte Mengen von Drogen an einem unbekannten Ort zu einer unbekannten Zeit unbekannten Personen "verkauft haben sollen, so die messerscharfe Begründung eines Richters.
Fragwürdige Ermittlungsmethoden - Mangelhafte Ergebnisse
Operation Spring wurde mit allen Mitteln des "Großen Lauschangriffs" durchgeführt. Videoüberwachung eines China-Restaurants, akustische Raumüberwachung, umfangreiche Telefonüberwachung, Objekt- und Personenobservation sollten die Eckpfeiler modernster Ermittlungsmethoden werden.
Abgesehen von Grundrechtsüberlegungen, waren schon rein technisch die Ergebnisse erschütternd. Verschwommene Bilder zeigen schemenhafte Gestalten, bei denen kaum die Hautfarbe erkennbar ist. Ein Stimmengewirr von bis zu 17 Stimmen in einem nigerianischen Dialekt macht eine seriöse Zuordnung von Stimmen und Personen unmöglich und die fehlende Synchronistation der einzelnen Datenaufzeichnungen macht eine seriöse Zuordnung zwischen den kommenden, anwesenden und gehenden Personen auf den verschiedenen Bändern unmöglich.
Inspiriert von US-Krimiserien, bei denen die Überwachung italienischer Mafialokale so perfekt insziniert ist, alle klar und deutlich und hintereinander sprechen, wurden die technischen Schwierigkeiten der "modernen Ermittlungsmethoden" sträflich unterschätzt. Von der Polizei, vom Rechtsschutzbeauftragten, vom Untersuchungsrichter und vom Verhandlungsrichter.
Faires Verfahren gefordert
Ob es sich bei den Verurteilten um Unschuldige handelt oder ob es sich ganz oder teilweise tatsächlich um Drogendealer handelte, ob sie "Bosse" oder Mitläufer waren, klärt auch der Film nicht, ist auch nicht sein Anliegen. Dass die Verdächtigen kein faires Verfahren erhielten, dass die Unschuldsvermutung gröblich missachtet wurde, die Beweislast umgekehrt wurde und dass trotz umfangreichen Datenmaterials die Informations- und Beweislage außergewöhnlich dünn war, das zeigt der Film plastisch und eindringlich auf.
Der Film ist parteiisch. Er ergreift Partei für den Rechtsstaat. Das wichtigste, das man im Interesse aller Beteiligter fordern kann, ist die Verfahren nach rechtsstaatlichen Kriterien neu aufzurollen und alle jene Widersprüche, Ungereimtheiten und Fehler zu beseitigen, die die bisherigen Entscheidungen verfälscht haben. Wenn schon nicht aus Sympathie zu den Verurteilten, so doch im eigenen Interesse, damit wir uns eines Rechtsstaats sicher sein können.
Gnade uns Gott, dass wir nicht auch einmal eines unbekannten Verbrechens, begangen an einem unbekannten Ort zu einem unbekannten Zeitpunkt beschuldigt werden. Haben Sie für ihr ganzes Leben ein lückenloses Alibi?
OPERATION SPRING
von Angelika Schuster & Tristan Sindelgruber
Start: 23. September Stadtkino/Wien und KIZ - Kino im Augarten/Graz
Premiere: Donnerstag, 22. September, 19.30 Uhr im Stadtkino/Wien
Stadtkino am Schwarzenbergplatz, Schwarzenbergplatz 7-8, 1030 Wien, 01 / 522 48 14
KIZ - Kino im Augarten/Graz, Friedrichstraße 24, 8010 Graz, 0316 / 82 11 86
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