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2007/12/27 Verwaltungsgerichtshof beschäftigt sich mit der Unabhängigkeit der Datenschutzkommission
VwGH sieht Unabhängigkeit der Datenschutzkommission gegeben - steht damit im Gegensatz zum EU-Vertragsverletzungsverfahren - Entscheidung geht auch zu Lasten der DSK, verbaut sie doch die Möglichkeit nach besserer finanzieller und personeller Ausstattung - Unabhängigkeit wird wohl endgültig erst in Brüssel entschieden, nicht in Österreich

Die aktuelle Entscheidung des VwGH (2006/06/0322) geht bezügliche einer unabhängigen und effizienten Überprüfungs- und Kontrollinstanz in Datenschutzfragen eigene Wege. Während im Rahmen eines durch die ARGE Daten anhängig gemachten Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Republik Österreich, die Europäische Kommission massive Bedenken hinsichtlich der Organisation der österreichischen Datenschutzbehörde äußert, sieht man beim österreichischen Verwaltungsgerichtshof die Sache eher locker. Während man bei der DSK die ergangene Entscheidung - die letztendlich auch zu Lasten der DSK selbst geht - mit lautem Jubel begrüßt, stellen sich die inhaltlichen Ausführungen des Höchstgerichts als überaus dürftig dar.

Anlassfall für die entsprechenden Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs war eine Beschwerde, welche ein Betroffener anlässlich einer Datenübermittlung an eine Schweizer Behörde durch die österreichische Bezirkshauptmannschaft infolge einer Geschwindigkeitsübertretung von sieben (sic!) km/h auf Schweizer Bundesgebiet eingebracht hatte. Die Datenschutzkommission hatte die entsprechende Beschwerde abgewiesen. Gegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshofs war dann allerdings nicht nur der Anlassfall der Datenübermittlung, sondern vielmehr die Datenschutzkommission selbst, da der Beschwerdeführer in Anbetracht der Nichterfüllung der europarechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Unabhängigkeit der österreichischen Datenschutzbehörde sachliche Unzuständigkeit geltend gemacht hatte.


Gründe für die mangelnde Unabhängigkeit der DSK

Vorgebracht wurden seitens des Beschwerdeführers zur fehlenden Unabhängigkeit der DSK folgende Argumente:

-) Die organisatorische Eingliederung der Datenschutzkommission nebst Geschäftsstelle und Personal in die Behörde Bundeskanzleramt sowie die Stellung des "Bundesbeamten als geschäftsführendes Mitglied" sind mit Art. 22 der EU-Datenschutzrichtlinie unvereinbar

-) Die belangte Behörde ist beim Bundeskanzleramt eingerichtet und hängt in jeder maßgeblichen Hinsicht vom Wohlwollen des Bundeskanzlers ab. Über die fehlende Budgethoheit, über die fehlende Nachbesetzungsbefugnis, über den fehlenden Einfluss auf Personal, sei die Datenschutzkommission völlig abhängig vom politischen Wohlverhalten gegenüber dem Bundeskanzler.

-) Die befristete Bestellung der Behördenmitgliedern ist dadurch, dass diese nach Ablauf ihrer Amtszeit wieder zur Behörde zurückkehren zu müssen, unvereinbar mit den Unabhängigkeitsgarantien.


Entscheidung des VwGH enttäuschend

Trotz der Tatsache, dass sich die Europäische Kommission den Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der Organisation der DSK mit Art. 22 der EU-Datenschutzrichtlinie bereits angeschlossen hat, fand seitens des Verwaltungsgerichtshofs keine umfassende Auseinandersetzung mit der Thematik statt.

Die Kernargumente des Höchstgerichts waren eher formalistisch: Auch die ordentlichen Gerichte als Rechtsprechungseinrichtungen müssten bei der Ausübung ihrer Tätigkeit gewisse Rahmenbedingungen hinnehmen, die von der Justizverwaltung bestimmt werden, insbesondere hätten die einzelnen Rechtsprechungseinrichtungen keine Budgethoheit und auch keine Personalhoheit.

Weiters seien gemäß der Verfassungsbestimmung des § 37 DSG 2000 nicht nur die Mitglieder der Datenschutzkommission (nämlich des Kollegiums) in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden, es unterstünden auch die in der Geschäftsstelle der Datenschutzkommission tätigen Bediensteten fachlich nur den Weisungen des Vorsitzenden oder des geschäftsführenden Mitgliedes der Kommission. Weiters sei gesetzlich nicht vorgegeben, wer geschäftsführendes Mitglied der Kommission zu sein hat, vielmehr bestimme dies die Kommission selbst durch ihre Geschäftsordnung.

Der Umstand, dass das von der Kommission bestellte geschäftsführende Mitglied in personeller Einheit auch Aufgaben außerhalb der Geschäftsstelle, nämlich im eigentlichen Bereich des Bundeskanzleramtes wahrgenommen hatte, seien im Beschwerdefall nicht mehr gegeben; somit bestehe auch keine "Mischverwendung", aus der sich allfällige Interessenskonflikte ergeben könnten. Die Unabhängigkeit sei daher nicht nur durch die Organisationsvorschriften sondern auch durch die reale Ausgestaltung gegeben.

Zusammenfassend sei die Datenschutzkommission - lt. VwGH - ein „Gericht im gemeinschaftsrechtlichen Sinn“ nach Art. 28 der EU-Datenschutzrichtlinie


Höchstgerichtsentscheidung ist inhaltlich ein grober Missgriff

Zusammenfassend muss festgehalten werden, dass die Entscheidung des Höchstgerichts an den tatsächlichen Gründen, welche dazu führen, dass die Datenschutzkommission von ihrer Ausgestaltung nicht den Anforderungen der EU-Datenschutzrichtlinie genügt, vorbei argumentiert.

Bereits mit 5. Juli 2005 wurde gegen die Republik Österreich aus dem Grund der mangelnden Unabhängigkeit der Datenschutzkommission ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.

Die Hauptkritikpunkte sind die finanzielle Abhängigkeit vom Bundeskanzleramt sowie die Tatsache, dass – aufgrund mangelnder gesetzlicher Regelungen - regelmäßig Mitglieder bestellt werden, die aus dem Bundesdienst kommen und obgleich für ihre Funktionsperiode formell weisungsfrei gestellt - zumindest gegenüber ihren früheren und wohl künftigen Arbeitgeber - wohl rein faktisch nicht das volle Maß an Unabhängigkeit aufbringen können. Gemäß § 47 Abs 3 DSG ist ein Mitglied sogar verpflichtend aus dem Kreise der rechtskundigen Bundesbeamten vorzuschlagen.

Ob zum Beschwerdezeitpunkt das bestellte geschäftsführende Mitglied in personeller Einheit tatsächlich auch Aufgaben außerhalb der Geschäftsstelle, nämlich im eigentlichen Bereich des Bundeskanzleramtes wahrgenommen hat, ist grundsätzlich unerheblich - die mangelnde gesetzliche Regelung ist schon ausreichend.

Schon im Rahmen des gegen Deutschland wegen der mangelnden Unabhängigkeit der Datenschutzbehörden verschiedener Bundesländer geführten Vertragsverletzungsverfahrens betonte die EU-Kommission, dass insbesondere Wert darauf gelegt wird, dass nicht nur eine „Weisungsfreiheit“ der Mitglieder der einzelnen Behörden rechtlich verankert wird, sondern auch eine faktische Unabhängigkeit der Mitglieder nationaler Datenschutzbehörden gegeben sein muss sowie eine angemessene finanzielle Ausstattung der jeweiligen Behörde.


Unabhängiges „Gericht“?

Weiters ist daran zu erinnern, dass schon den Unabhängigen Verwaltungssenaten regelmäßig die Qualität als „unabhängiges Gericht“ im Sinne der EMRK abgesprochen wurde. Festgehalten wurde etwa schon in der Entscheidung B 2434/95 des EGMR, dass es einem auf Dauer seiner bloß befristeten Zugehörigkeit zum UVS karenzierten Beamten des Bundes als entscheidenden Mitglied der Behörde an der verfassungsrechtlich gebotenen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit mangeln kann.
Grundsätzlich ist nicht einsichtig, warum dies bei Mitgliedern der Datenschutzkommission, die als Bundesbeamte karenziert und nur für die Funktionsperiode weisungsfrei gestellt sind, nicht gelten sollte. Dass derartige Erwägungen vollkommen unterblieben sind, macht die entsprechend Höchstgerichtsentscheidung letztendlich zu einer rein oberflächlichen Betrachtung.


Kein Anlass für Jubelstimmung bei DSK

Der Homepage der Datenschutzkommission ist zu entnehmen, dass man dort die ergangene Entscheidung offenbar mit lautem Jubel begrüßt. Dazu ist einerseits festzuhalten, dass es schon überaus befremdlich ist, dass man bei der DSK selbst offenbar kein Interesse daran zu haben scheint, eine bessere gesetzliche Ausgestaltung - hinsichtlich Finanzierung und Unabhängigkeit – zu bekommen. Anders kann die offenkundige Freude darüber, dass der VwGH am status quo festhalten möchte, nicht erklärt werden. Anfügen kann man dazu noch, dass man bei der Datenschutzkommission die Sektfalschen nicht zu früh einkühlen sollte: Die EU-Kommission wird die Entscheidung des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs wohl wenig interessieren - der Ball hinsichtlich der Frage der Unabhängigkeit liegt weiterhin in Brüssel und nicht bei der österreichischen Verwaltungsgerichtsbarkeit.

mehr --> VwGH Entscheidung 2006/06/0322

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