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2007/04/17 Therapie nur ohne Privatsphäre - der neue Weg in die Zwei-Klassen-Medizin
Änderung der Suchtgiftverordnung bringt Aufhebung des Ärztegeheimnisses - zentrales Register führt zu zusätzlicher Gefährdung des Datenschutzes - Therapie nur bei Verlust der Privatsphäre widerspricht zentralen Grund- und Menschenrechten - Suchtgiftverordnung bringt Vorgeschmack auf die durch ELGA drohende Entwicklung

Mit 2007 kam es zu entscheidenden Änderungen in der Suchtgiftverordnung 1997, welche die Rahmenbedingungen für die Erzeugung, Verarbeitung, Umwandlung und Abgabe sogenannter Suchtgifte vor allem für den wissenschaftlichen und medizinischen Bereich festlegt. Bereits im Vorfeld kam es zu Kritik seitens Juristen und Medizinern, welche sich vor allem auf die verschärften Zugangsmöglichkeiten zur Suchttherapie sowie die zentrale Stellung der Amtsärzte im neuen Verordnungskonzept fokussierte. Indessen bringt die Suchtgiftverordnung in der derzeitigen Form auch zahlreiche datenschutzrechtliche Eingriffe mit sich, auf die sich ein Blick durchaus lohnt.


Umfassende Dokumentation und Datenverarbeitung als Grundkonzept

Grundziel der Suchtgiftverordnung ist es, zu verhindern, dass die für medizinische oder wissenschaftliche Zwecke zugelassenen Suchtgifte anders verwendet werden, als gesetzlich vorgesehen ist. Um unerlaubte Verwendungen hintanzuhalten, bedient sich der Gesetzgeber einer umfassenden Reihe von Dokumentationspflichten. Dies beginnt bei den Suchtgifterzeugern, welche ausnahmslos jeden Bezug und jede Abgabe von Suchtgift, verbunden mit den Daten des Lieferanten sowie des Abnehmers zu dokumentieren und diese Daten mit Angaben über Lagerbeginn- und Lagerendbestand zu verifizieren haben. Weiters verpflichtet zur Dokumentation sind Ärzte und Krankenanstalten, welche Suchtgifte bei der Ausübung ihres Berufs benötigen.

Ärzte, welche Suchtgifte abgeben, haben für diese Zwecke eine eigens definierte Suchtgiftverschreibung auszufertigen, welche neben den personenbezogenen Daten des Arztes und des Patienten auch genaue Daten über Bezeichnung und Menge des abgegebenen Suchtgifts enthält.

Apotheker jeglicher Form, die Suchtgifte zu medizinischen Zwecken vertreiben, haben ein sogenanntes Vormerkbuch zu führen, in denen sämtliche Suchtgiftabgaben zu vermerken und als Belege die Suchtgiftrezepte beizufügen sind, welche auch die personenbezogenen Daten des entsprechenden Patienten enthalten.


Auskunftspflichten und automationsunterstützte Datenverarbeitung

Sämtlichen oben beschriebenen Verarbeitungen ist gemeinsam, dass sie auch auf automationsunterstützter Basis betrieben werden können, nicht aber müssen. Das gilt für das Vormerksystem bei Apotheken und Ärzten ebenso wie für die Suchtgiftverschreibung. Für die bei Ärzten geführten Vormerkungen ergibt sich allerdings zusätzlich die Verpflichtung, diese so genau zu führen, dass Behörden Auskunft erteilt werden kann. Bezüglich der Vormerkungen bei Ärzten und Apothekern ergibt sich weiters eine Verpflichtung zur Aufbewahrung für drei Jahre. Weiters haben die mit der Überwachung betrauten Amtsorgane auch die Kompetenz Räumlichkeiten von Ärzten, Arzneimittelherstellern und Apothekern zu betreten.


Zentrales Substitutionsregister

Um diese umfangreichen Datenverarbeitungen zu zentralisieren, wird weiters im Gesundheitsministerium ein zentrales Substitutionsregister geführt. Falls ein Substitutionsmittel mit Suchtgiftverschreibung abgegeben wird, ist diese durch den behandelnden Arzt dem Gesundheitsministerium mitzuteilen. Da diese Verarbeitung dazu dient, Mehrfachverschreibungen zu verhindern, müssen auch personenbezogene Daten betroffener Patienten an dieses zentrale Register übermittelt werden. Auskunftsberechtigt sind Ärzte, Apotheker und Amtsärzte, um Mehrfachverschreibungen zu verhindern.


Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht als Therapievroraussetzung

Um diese umfangreichen Eingriffe in sensible Daten der betroffenen Patienten überhaupt erst zu ermöglichen, wurde als Voraussetzung zum Beginn einer Substitutionsbehandlung festgelegt, dass der Patient den behandelnden Arzt grundsätzlich gegenüber allen eingebundenen Stellen von der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht zu entbinden hat. Es gilt daher: Ohne Entbindung von der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht und zentrale Verarbeitung personenbezogener Daten auch keine Therapie.


Datenschutzrechtliche Problematik

Die grundsätzliche Problematik des ganzen Systems Suchtgiftverordnung besteht rechtlich schon darin, dass diese Regelungen nur in Verordnungsform erlassen wurden, allerdings tief in sensible Daten der Betroffenen eingreifen. Bestimmungen, die nur in Verordnungsform vorliegen, können natürlich weder die ärztliche Verschwiegenheitspflicht noch die Bestimmungen des DSG verdrängen. Daher hat der Gesetzgeber, um diese Problematik zu umgehen, auch vorgesehen, dass der Patient selbst den Arzt von der Verschwiegenheitspflicht zu entbinden und einen schriftlichen Behandlungsvertrag zu unterzeichnen hat, bevor eine entsprechende Therapie begonnen werden kann (festgelegt im Anhang VI der Verordnung dem sogenannten "Behandlungsvertrag" zwischen Arzt und Patienten).

Ob solche Erklärungen aber tatsächlich die vorgesehenen Eingriffe in personenbezogene Daten rechtfertigen können, ist überaus fraglich. Es ist zu bedenken, dass ein Suchtgiftkranker, der eine Therapie beginnen möchte, wohl oft keine andere Wahl hat, als in die Bedingungen einzuwilligen, welche zum Beginn der Therapie vorgesehen sind. Ansonsten gibt es eben keine Therapie. So zustande gekommene Erklärungen als Einwilligungen in die Verwendung sensibler Daten zu betrachten, grenzt wohl an rechtlichen Zynismus.


Fazit

Verständlich ist es, dass der Gesetzgeber verhindern möchte, dass Suchtmittel anders verwendet werden als für vorgesehene medizinische Zwecke und daher eine umfangreiche Dokumentation anstrebt. Nicht mehr verständlich ist es hingegen, wenn sowohl Patienten als auch behandelnde Ärzte- zugunsten von materienfremden Amtsärzten und Behörden- rechtlich entmündigt werden. Darüberhinaus bedürfen Eingriffe in sensible Daten - vor allem aus dem Gesundheitsbereich- grundsätzlich sauberer rechtlicher Lösungen. Eine solche bietet die geltende Suchtgiftverordnung mit ihrer Zustimmungsfarce zur Aufhebung der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht jedenfalls nicht.


Vorgeschmack auf Grundrechtseingriffe durch ELGA

Die ab 1.3.2007 wirksame verfassungswidrige Aufhebung von Privatsphäre und Ärztegeheimnis bei Suchtkranken ist wohl nur ein erster Schritt zum völlig gläsernen Patienten. Schon jetzt durchlöchern eine Vielzahl von Ausnahmebestimmungen das Ärztegeheimnis. Die Verknüpfung von Therapie und Verzicht auf Privatsphäre ist jedoch relativ neu. Nach den Arbeitslosen sollen nun die "Süchtler" auf Grundrechte verzichten. Eine Randgruppe eben, eine Minderheit, minderwertig offenbar. "Sollen doch froh sein, dass sie behandelt werden", für Grundrechte reichts nicht mehr.

Wir haben noch viel Randgruppen, Sozialhilfeempfänger, Ausgleichsrentern, Behinderte, Pflegefälle, Schulabbrecher, ungelernte Arbeitskräfte, Asylanten, Ausländer, Evangelische und Islamische, Kroaten und Slowenen, Kinder und Jugendliche, Nicht-Sportler, Raucher und Trinker, ...

Offenbar wird mit dieser Verordnung auch die Durchsetzbarkeit obszönster Grundrechtseingriffe getestet und die Gesamtbevölkerung auf eine medizinische Minimalversorgung ohne Privatsphäre und Menschenwürde vorbereitet.

Wie heißt es doch im famosen ELGA-Gutachten: "Aus diesen Gründen [Sicherung des Ärztegeheimnisses und Datenweitergabe nur mit Zustimmung des Patienten im Einzelfall, Anm.] ist ELGA in Österreich derzeit nicht DSG konform umsetzbar."

ELGA = ELektronischer GesundheitsAkt (gemeint ist offenbar die ELektronische KrankenListe vulgo EKEL)





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