2005/09/12 "Vorratsdatenspeicherung" - ein erster Schritt weg vom Grundrechtsstaat
Erfolgreiche Aktion geht weiter - Keine Einigung der Innenminister zur Vorratsdatenspeicherung - ISPA gegen Internetüberwachung - Bisher keine Hinweise, dass die Vortratsdatenspeicherung investigative oder präventive Effekte erwarten lässt - Innenministerin Prokop profiliert sich als 'Grundrechtsgegenerin'
Erfolgreiche Aktion geht weiter
Die zu Ferienbeginn unter freenet.at gestartete Aktion "Nein zur Vorratsdatenspeicherung", bei der BürgerInnen direkt den österreichischen Politikern ihre Bedenken zur Speicherung von Telefonverbindungs- und Internetdaten mitteilen können, geht weiter.
Auch EU-weit ist diese prophylaktische Bürgerüberwachung der Kommunikation (Data-Retention), die einer Aushöhlung des Art. 10a Staatsgrundgesetzes gleichkommt, umstritten. Etliche Länder wehren sich dagegen.
Nicht so Österreichs Innenministerin Prokop, die am letzten EU-Gipfel nicht nur der Vorratsspeicherung viel abgewinnen konnte, sondern auch bei der Infragestellung der Menschenrechte mit dem britischen Innenminister ein Herz und eine Seele war.
Grundrecht auf Sicherheit
In geradezu Orwellscher Mainier startete der britische Innenminister Charles Clarke letzte Woche einen weiteren Angriff auf die Europäische Menschenrechtskonvention: man solle doch das "Grundrecht auf Sicherheit" in die EMRK aufnehmen. Gemeint war allerdings die Möglichkeit der Staaten, zu definieren, welche Lebensformen für die Bürger geeignet und damit sicher sind. Damit werden die Menschenrechte, die als individuelle Freiheitsrechte per definitionem keine Versorgungsrechte sind, sondern immer Selbstverantwortung, Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit voraussetzen und damit immer auch für die Regierungen "Unsicherheit" darüber bedeuten, wie Menschen handeln und denken, ad absurdum geführt.
Aus dem Recht vom Staat möglichst unbehelligt leben zu dürfen wird das Recht des Staates die Lebensweisen zu definieren und zu bestimmen.
Europaweit stieß dieser Standpunkt auf Unverständnis, nicht so bei Innenministerin Prokop, die in streng Metternichscher Manier wieder eine Gelegenheit zur Entmündigung der Bürger sah und freudig zustimmte.
ISPA gegen Internetüberwachung
Auch die Interessensvereinigung der Internetprovider (ISP) spricht sich eindeutig gegen die Vorratsspeicherung aus. Besonders die Tatsache, dass bisher keinerlei Nachweis oder eine Begründung erfolgte, warum die Vorratsdatenspeicherung einen erkennbaren Beitrag zur Terrorismusbekämpfung leisten soll, erregt den Ärger der Internetserviceprovider.
Abgesehen von der mantraartigen Wiederholung, dass mehr Daten mehr Information und damit bessere Verbrechensbekämpfung bedeuten, wurde der Nachweis, dass flächendeckende Überwachung gezielt etwas gegen Terrorismus bewirkt nicht erbracht.
Übersehen wird, dass ein undifferenziertes Anhäufen von mehr Daten nicht mehr Informationen bringt, sondern der Aufwand des Herausfilterns wesentlicher Informationen von unwesentlichen erschwert, dass die Interpretation von 40-100 Mrd. Datensätzen, wie sie bei der Kommunikationsüberwachung anfallen enorme Ressourcen bindet, teuer ist und lange Zeit in Anspruch nimmt. Dass selbst bei genauerster Analyse die Informationen nicht eindeutig sind, widersprüchlich sind und die Erfassung durch Personen, "die etwas zu verbergen haben" leicht umgangen werden kann.
Der Glaube durch Kommunikationsdatenauswertung dem weltweiten Phänomen des Terrorismus auch nur ein Quentchen näher zu kommen, entpuppt sich als infantiler Wunsch nach einem biedermeierlichen Leben.
Angstmache als politisches Kalkül
Während das Innenministerium weiterhin krampfhaft bemüht ist mit Einzeldaten einen "Erfolg" seiner Methoden zur Verbrechensbekämpfung zu verkaufen, sprechen die Gesamtzahlen ein völlig anderes Bild. Ebenso wie 2003 war auch 2004 durch steigende Kriminalität und sinkende Aufklärungsquote bei den Vermögensdelikten gekennzeichnet, bei einem schon seit Jahren auf niederem Niveau stagnierenden Verbrechen gegen Leib und Leben.
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