2008/02/01 Datenschutz für Kapitalanlagegesellschaften wichtiger als Anlegerschutz?
Der Strafprozess zur Betrugsaffäre um den Wertpapierdienstleister AMIS und die Vorfälle um die Immobilienzertifikate von „Meinl European Land“ werfen auch datenschutzrechtliche Fragen auf - dazu eine Entscheidung des OGH - verstößt die Warnung vor „verdächtigen“ Geldanlagen gegen den Datenschutz? - Klare Informations- und Offenlegungspflichten bei Kaptialanlagegesellschaften sind überfällig
Der Anlassfall
Die Betroffene gab an interessierte Anleger sogenannte „Gewinnscheine“ heraus, um den Kauf von Liegenschaften und deren Verwertung zu finanzieren. Seit einigen Jahren war eine nachhaltige Abwärtsbewegung des Handels zu verzeichnen, es häuften sich Beschwerden von Anlegern, dass erteilte Verkaufsaufträge trotz jahrelanger Wartezeiten nicht zum Kurswert durchgeführt werden konnten. Die Beschwerden hatten den Grundtenor, die für den Konsumentenschutz zuständigen Institutionen sollten geeignete Maßnahmen ergreifen. Als es im Rahmen eines strafgerichtlichen Vorverfahrens gegen verantwortliche Personen zu einer gerichtlichen Hausdurchsuchung kam, bereitete das Bundesministerium für Justiz eine schriftliche Verbraucherinformation vor, die in einer auflagenstarken Tageszeitung veröffentlicht wurde.
In der Information wurde unter anderem darüber berichtet, dass die Gewinnscheine nach den Gewinnscheinbedingungen frühestens zum 31.12.2025 oder zum 31.12.2026 gekündigt werden könnten, was den Anlegern beim Verkauf regelmäßig verschwiegen worden sei. Tatsächlich seien die Gewinnscheine aber seit mehreren Jahren unverkäuflich, da sie nicht an der Börse notierten und auch außerbörslich keine Käufer zu finden seien. Dadurch könne nicht einmal der veröffentlichte fiktive Kurswert, der derzeit ohnehin nur mehr einen Bruchteil der früheren Werte ausmache, realisiert werden, sodass die Gewinnscheine für die Anleger praktisch wertlos seien. Das mehrere Seiten umfassende Schreiben endete mit einer Empfehlung der Konsumentenschutzsektion im Bundesministerium für Justiz, Anleger mit noch laufenden Ansparverträgen über bestimmte Gewinnscheine sollten vorläufig keine weiteren Zahlungen mehr leisten.
Klage der Kapitalanlagegesellschaft gegen die "Verbraucherinformation"
Die Klägerin begehrte in einem Verfahren die Feststellung der Haftung der Beklagten - der Republik Österreich - für sämtliche kausale, zukünftige, derzeit noch nicht bekannte Schäden aus der Veröffentlichung und der Verbreitung und Verwendung der durch das Ministerium für Konsumentenschutz erstellten Information. Auf Grund unrichtiger Tatsachenbehauptungen hätten „Vertragsinhaber" die vertraglich vereinbarten Zahlungen bereits eingestellt. Für die Herausgabe der Verbraucherinformation samt Musterbrief durch die Konsumentenschutzsektion sei keine gesetzliche Grundlage vorhanden. Die Klägerin sei auf Grund der unwahren Tatsachenbehauptungen und des daraus resultierenden Medienechos gezwungen gewesen, ein im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit tätiges Unternehmen zu beschäftigen, durch dessen Beratung ein Aufwand entstanden sei, aus dem die Klagsforderung resultiere.
Interessanterweise stützte sich das entsprechende Unternehmen im Rahmen des Verfahrens nicht nur darauf, dass die durch das Konsumentenschutzministerium zur Verfügung gestellten Informationen inhaltlich „verzerrt“ bzw. „unrichtig“ gewesen sein sollen, sondern vielmehr auch darauf, dass – auch bei inhaltlicher Richtigkeit - eine Abwägung im Sinne des Grundrechts auf Datenschutz stattfinden hätte müssen, ob die Übermittlung der entsprechenden Daten des Unternehmens an die Öffentlichkeit verhältnismäßig gewesen sei.
Republik Österreich - Verbraucherschutz hat Vorrang
Die Republik wendete dagegen zusammengefasst ein, die Konsumentenschutzsektion sei zur Herausgabe des Informationsschreibens berechtigt gewesen. Die Angelegenheiten der Konsumentenpolitik umfassten auch die Behandlung von Konsumentenbeschwerden, die Verbraucherinformation und die Förderung der Durchsetzung der Rechte der Verbraucher. In Verfolgung dieses gesetzlichen Auftrags müsse dann, wenn die Interessen vieler Verbraucher betroffen seien, die individuelle Beratung und Hilfestellung durch eine Information der Öffentlichkeit und durch die Zurverfügungstellung standardisierter Informationsunterlagen ergänzt werden. Die Information und die Empfehlungen seien inhaltlich vollständig gerechtfertigt gewesen.
OGH verlangt Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Veröffentlichung
Während von den beiden Erstgerichten die Veröffentlichung als rechtens eingestuft wurde, da ein begründeter Anlass für eine breite Information der Öffentlichkeit gesehen wurde, sieht man seitens des Höchstgerichts (1Ob115/07d) die Sache diffiziler: Zum Zwecke ergänzender Tatsachenfeststellungen wurde die Angelegenheit zurückverwiesen. Neben der Frage der Richtigkeit der verbreiteten Information hält der OGH jedenfalls auch eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit für notwendig. Für gerechtfertigt hält man seitens des Höchstgerichts derartige Konsumenteninformationen - unabhängig von deren Wahrheitsgehalt - nur dann, wenn die nachteiligen Tatsachenmitteilungen zum Zwecke der Beratung bzw. Hilfestellung von und für Konsumenten unvermeidlich waren und es für die Rechtssphäre der betroffenen Unternehmen keine weniger schädlichen bzw gelindere Alternativen gegeben hätte. Der Ball liegt nun abermals beim zuständigen Oberlandesgericht.
Österreichische Datenschutzbestimmungen manövriern sich zusehends ins Abseits
Festzuhalten ist, dass die im Informationsschreiben veröffentlichten Daten keinen Bezug zu einer natürlichen Person, sondern jedenfalls nur zu den beteiligten Personen im juristischen Sinne - Unternehmen - aufweisen. Nach dem österreichischen Datenschutzgesetz, im Gegensatz zur EG-Richtlinie 95/46/EG, fallen auch juristische Personen unter dieselben Schutzmechanismen, wie natürliche Personen. Eine Konstruktion, die immer wieder zu Konflikten in der Wahrung von Grund- und Menschenrechten führt, genießen doch nur natürliche Personen den Schutz der Europäischen Menschenrechtskonvention, die letztlich Grundlage des Datenschutzes ist.
Sinnvoller wäre es das Grundrecht auf Datenschutz und Privatsphäre EU-konform auf natürliche Personen zu beschränken und für die Unternehmen jeweils branchenspezifische Geheimhaltungs- und Informationspflichten festzuschreiben. Gerade im Zusammenhang mit dem oft dubiosen und spekulativen Wirken von Kapitalanlagegesellschaften, die vielen Menschen die wirtschaftliche Lebensgrundlage kosten, darf nicht ein diffuses Berufen auf eine, für ein Unternehmen gar nicht existierende, Privatsphäre, eine transparente Anlegerpolitik verhindern.
Gefordert ist die Politik, ausreichend klare Veröffentlichungsbestimmungen festzulegen, die es Anlegern und Aufsichtsstellen erlaubt rasch und frühzeitig Informationen über die Tätigkeit einer Kapitalanlagegesellschaft zu erhalten und weiter zu verbreiten. Angesichts der oft absurden Datenermittlungs- und Verwendungsermächtigungen im Gesundheits-, Sozial-, Arbeitsmarkt- und Sicherheitsbereich stimmt die "noble" Zurückhaltung im Finanzdienstleistungssektor äußerst bedenklich. Werden hier Interessen von Politikern berührt, die vom Schutz betrügerischer Finanzspekulationen profitieren und daher eine transparente Kapitalanlagepolitik verhindern?
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