2005/08/24 Erfolgreiche Aktion "Nein zur Vorratsdatenspeicherung"
Erfolgreicher Verlauf der Aktion "Nein zur Vorratsdatenspeicherung von Telekom- und Internetdaten!" - Hunderte Personen haben ihre Sorgen den Politikern mitgeteilt - bisherige Reaktionen - Sicherheitsbericht 2004 von Bundesregierung zurückgehalten - Aktion geht unter http://www.freenet.at weiter
Vorratsdatenspeicherung von Telekom- und Internetdaten
Nach den Londoner Terroranschlägen wurde wieder - stereotyp - der Ruf nach mehr vorbeugender Überwachung laut. Besonders das Kommunikationsverhalten der Bürger wird von Politikern zusehends als Bedrohung empfunden. Damit wurde der Ruf der EU-weiten Speicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten von allen Bürgern laut.
Als angemessene Grundrechtseinschränkung soll dieser Eingriff in die Privatsphäre und diese Aushöhlung von Verfassungsrechten verkauft werden.
Verschwiegen wird dabei, dass Großbritannien schon jetzt führend in der vorbeugenden Überwachung ist, warum wurde dann gerade London als Terrorziel ausgewählt?
Verschwiegen wird auch, dass in den letzten fünf Jahren der Umfang polizeilicher Befugnisse in Österreich drastisch gestiegen ist, trotzdem die Verbrechen gegen Vermögen drastisch gestiegen sind (2003 136.000 Anzeigen) und gleichzeitig die Aufklärungsquote drastisch gesunken ist (unter 10%). Die Zahlen für 2004 sind noch nicht veröffentlicht, der Sicherheitsbericht 2004 wird laut Auskunft des BMI Monaten von der Bundesregierung zurückgehalten. Warum haben die vielen neuen Polizeibefugnisse weder präventive, noch investigative Wirkung? Weder sinkt die Kriminalitätsrate, noch steigt die Aufklärungsquote.
Verschwiegen wird auch, dass vorbeugende Überwachungsmaßnahmen im Telekom- und Internetbereich von Straftätern leicht zu umgehen sind (Wertkartenhandys, Verschlüsselung und Mail-Accounts außerhalb der EU), die Daten aber von unbescholtenen Bürgern und Unternehmen leicht für Wirtschaftsspionage, private Nachforschungen und Überwachung sensibler Berufsgruppen (Journalisten, Ärzte, Rechtsanwälte, ...) dienen können. Auch die Stöberfahndung nach Kleinkriminalität und die Auswertung von Zufallsfunden wird damit möglich.
Verschwiegen wird auch, dass die Auswertung und Interpretation der Daten Unsummen kosten würde und eine neue, die Volkswirtschaft enorm belastende (Un)sicherheitsindustrie entstehen würde. Diese Kosten fallen auch dann an, wenn die Daten gar nicht laufend ausgewertet werden, sondern bloß im "Anlassfall". Für diesen - nicht näher konkretisierten - Anlassfall müssen nämlich schon jetzt die Einrichtungen angeschafft werden und das Personal geschult werden.
Verschwiegen wird auch, in welcher Form die Interessensabwägung zwischen der Aufgabe von Grundrechten und der Intensivierung der Überwachung erfolgen soll. Einem unwahrscheinlichen Ziel von Erfolgen in der Terrorismusverhinderung werden handfeste und ganz konkrete Bürgerrechte geopfert.
Verschwiegen wird auch, dass auf Grund der geringen Erfolgsaussichten dieser Datensammlung der Eingriff als unverhältnismäßig anzusehen ist und damit die Verfassungsrechte aushebelt.
Erfolgreicher Verlauf der Aktion
Unter http://www.freenet.at können Bürger ihre Sorgen Politikern direkt mitteilen. Es können bestimmte Politiker ausgewählt werden und neben dem Standardtext auch eigene Texte hinzugefügt werden. Mehrere hundert Personen haben bisher spontan diese Möglichkeit genutzt.
Die bisherigen Reaktionen
Einige (wenige) Politiker haben auch schon direkt reagiert. Die Antworten finden sich unter: http://ftp.freenet.at/sic/vorrat-reaktionen.pdf.
NR-Abg. Marianne Hagenhofer (SP) läßt ausrichten: "Lassen Sie mich Ihnen versichern, dass ich jegliche Einschränkung von BürgerInnenrechten strikt ablehne. Es gibt bessere und vernünftigere Methoden, um sozialen Spannungen und Gewalttaten vorzubeugen. ..."
NR-Abg. Fritz Grillitsch (VP) möchte bei den Maßnahmen "keinesfalls zu einer dramatischen Beschneidung der Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger" kommen, ansonsten tritt er für die Umsetzung der Maßnahmen ein: "Dieses Ziel verfolge nicht nur ich, sondern auch unsere Bundesregierung in allen Verhandlungen."
Ex-Abg. Rudolf Nürnberger (ÖGB) sieht einen Zusammenhang zwischen betrieblicher und behördlicher Überwachung: "Gerade wir Gewerkschaften sind oft mit Überwachung von Beschäftigten (Telefon, E-Mail, Kameras) durch ihre Firmenleitungen konfrontiert. Unter dem Deckmantel, angebliche oder auch tatsächliche Missstände zu beseitigen,
werden die Kolleginnen und Kollegen überwacht, die Kosten für die
Unternehmen stehen oft in keinem Verhältnis zur Wirkung. ... Ich stimme daher im Prinzip mit Ihnen überein, dass man sehr sorgsam abwägen muss, welche Maßnahmen der Terrorbekämpfung tatsächlich der Bekämpfung des Terrors dienen."
Defensiv die Antwort von NR-Abg. Josef Broukal (SP): "Ich erhalte in den letzten Stunden dutzende identer Mails, in denen eine persönliche Antwort von mir gefordert wird. Ich bin dazu gerne bereit, allerdings auch nur, wenn Mails erkennbar persönlich gemeint sind, und nicht nur als Schimmelbrief versandt werden."
Eher lapidar die Meinung des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung: "Auf die Erhaltung der verfassungsrechtlich verankerten Grundrechte und auch auf die Kosten der diskutierten Maßnahmen wird dabei besonders Bedacht genommen." [???]
Relativ spät, aber doch hat das Büro von Vizekanzler Gorbach reagiert: "Ich gebe Ihnen recht, dass durch eine Vorratsdatenspeicherung Straftaten nicht unmöglich gemacht werden, dennoch gibt es zahlreiche Beispiele, bei denen eine Rückerfassung von Kommunikationsdaten zur Aufklärung oder Verhinderung von Verbrechen geführt haben, sodass diese Möglichkeit nicht gänzlich aus den anzustellenden Überlegungen
ausgeschlossen werden sollte." Leider unterblieb ein Hinweis um welche Straftaten es sich handelt, in welchen Zusammenhang sie mit Terror stehen und welchen Anteil an den Gesamtstrafdaten sie tatsächlich haben.
Und aus dem Bundeskanzleramt (BK Schüssel)? Schweigen.
freenet-Aktion geht weiter
Das Ende der Sommerferien bedeutet noch kein Ende der freenet-Aktion. Tragen Sie sich weiterhin unter http://www.freenet.at ein und fordern Sie die Politiker zu einer Stellungnahme auf.
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