Was sind die zentralen Einwände der ARGE DATEN gegen das Bildungsdokumentationsgesetz?
Bereits seit längerer Zeit beschäftigt sich die ARGE DATEN immer wieder mit dem Bildungsdokumentationsgesetz und der darin vorgesehenen Verpflichtung zur Bekanntgabe von personenbezogenen Daten, die dann jahrzehntelang in einer zentralen Evidenz beim Bildungsministerium gespeichert werden sollen.
Im Folgenden sollen die Hauptkritikpunkte der ARGE DATEN zusammengefasst werden:
- Das verfassungsmäßige Grundrecht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten in §1 DSG 2000 steht zwar unter einem Gesetzesvorbehalt, dies bedeutet allerdings nicht, dass beliebige Eingriffe durch den Gesetzgeber möglich sind. Im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention sind nur Eingriffe durch Gesetze zulässig, die im Rahmen einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind. Aber selbst dann muss der Eingriff in das Grundrecht mit den gelindesten Mitteln erfolgen. Der umfangreiche Datenkatalog des Bildungsdokumentationsgesetzes und der entsprechenden Verordnungen geht darüber weit hinaus.
- Als Zweck für die Bildungsevidenz werden u.a. die Planung, Steuerung und die Wahrung der gesetzlichen Aufsichtspflichten sowie die Bundesstatistik und die Verwaltungsstatistik angeführt. Diese Zwecke können weitestgehend ohne die Verwendung personenbezogener Daten erreicht werden. Nach Aussagen von Bildungsexperten sind z.B. aggregierte Informationen über Jahrgänge von Schülern sehr viel aussagekräftiger als die Daten einzelner Personen. Nach §6 und §7 ist die Verwendung von Daten nur für rechtmäßige Zwecke und dabei nur im unbedingt notwendigen Ausmaß zulässig. Dieser Grundsatz der Datenverwendung wird im Rahmen der Bildungsevidenz jedenfalls verletzt.
- Die vorgesehene lange Speicherdauer der betroffenen Daten entspricht ebenfalls nicht dem im Datenschutzbereich zentralen Verhältnismäßigkeitsprinzip. Es ist nicht einzusehen inwiefern Jahrzehnte alte Daten bei der Planung und Steuerung des Bildungswesen sinnvoll verwendet werden könnten. Ermöglicht wird so eine lebenslange Verknüpfung von Daten aus der Bildungskarriere mit anderen Datenbeständen und deren Missbrauch.
- Durch die Definition der in der Gesamtevidenz verwendeten Daten als indirekt personenbezogen (vgl. §5 Abs. 2 BilDokG) wird den Betroffenen die Wahrnehmung ihrer im Datenschutzgesetz vorgesehenen Betroffenenrechte verwehrt. Da andererseits in §8 BilDokG vorgesehen ist, dass verschiedene Abfrageberechtigte nach Angabe der Sozialversicherungsnummer auf die Bestände der Gesamtevidenz zugreifen können, ist offensichtlich, dass es sich bei den Daten in der Gesamtevidenz um direkt personenbezogene Daten handelt, auf die das DSG 2000 im vollen Umfang anzuwenden wäre. Der Ausschluss der Betroffenenrechte widerspricht diesbezüglich der EU-Datenschutzrichtlinie.
- Durch den Verweis auf §30 DSG in §8 BilDokG wird der Betroffene von der Durchsetzung eventueller Ansprüche in einem ordentlichen Verfahren vor der Datenschutzkommission abgeschnitten. Es kann lediglich eine Prüfung angeregt werden und die Datenschutzkommission kann Empfehlungen abgeben. Eine effiziente Durchsetzung der Rechte der Betroffenen wird so verunmöglicht.
- Die Sozialversicherungsnummer wird grundsätzlich für die Verrechnung von Leistungen aus der Sozialversicherung verwendet. Eine zweckwidrige Verwendung als allgemeines Personenkennzeichen ist nach den Grundsätzen des DSG nicht zulässig. Es ist weiters nicht nachvollziehbar in welcher Weise die Verwendung der Sozialversicherungsnummer für statistische Zwecke eine Erleichterung darstellen soll. Nach den (oft negativen) Erfahrungen mit allgemeinen Personenkennzeichen in anderen europäischen Ländern (z.B. Spanien) sollte von der Einführung solche eindeutiger Identifikationskennzahlen Abstand genommen werden.
- Mit der Verwendung der Sozialversicherungsnummer (bzw. ihrer codierten Variante) als Schlüssel für die Bildungsdokumentation wird die Vorasusetzung geschaffen, dass die Bildungsdaten auch mit Einkommensdaten, mit Gesundheitsdaten, Daten der Privatversicherungen, der Arbeitsmarkverwaltung, sogar der Bausparverträge miteinander verknüpft werden können. Damit werden die Voraussetzungen für einen Datenverbund geschaffen, der den gläsernen Bürger ermöglicht.
- Auch abgesehen von der Sozialversicherungsnummer werden viele Datenkategorien erfasst, die für eine Planung und Steuerung der Bildungspolitik überflüssig sind, für den Betroffenen jedoch durchaus nachteilige Folgen haben könnten. Einige der Datenkategorien sind jedenfalls sensible Daten im Sinne des DSG und der EU-Datenschutzrichtlinie. Für solche Daten müssen bei der Verwendung besonders strenge Maßstäbe angelegt werden. Unter anderem wird erhoben
- die Umgangssprache,
- ob jemand eine Sonderschule besuchte,
- ob es Schulverweise wegen schlechten Benehmens gab,
- ob der Religionsunterricht besucht wurde,
- ob Nachmittagsbetreuung in Anspruch genommen wurde
- welche Schulveranstaltungen besucht wurden,
- welche Freigegenstände besucht wurden,
- in welcher Form das Schuljahr abgeschlossen wurde, ...
(der vollständige Datenkatalog der Bildungsdokumentation findet sich unter http://ftp.freenet.at/bil/datenkatalog-bildok.pdf).
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