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2007/10/22 Himmlische Section Control - UNIQA präsentiert KFZ-Überwachungsprojekt
Mehrfach verschoben stellt nun die UNIQA-Versicherung ihr KFZ-Überwachungsprojekt "SafeLine" vor - verkauft wird das Projekt als fahrtleistungsabhängige Versicherung - Autofahrer, die sich auf dieses Versicherungsmodell einlassen müssen mit gravierenden Nachteilen rechnen - der Schutz ihrer Daten ist nicht gesichert - Projekt widerspricht Datenschutz

Mehrfach verschoben wird das KFZ-Überwachungsprojekt "endgültig" vorgestellt

Seit mehreren Jahren bastelt die UNIQA-Versicherung an einem flächendeckenden Autofahrer-Überwachungssystem, die ARGE DATEN berichtete bereits 2006 und Anfang 2007 darüber.

Verkauft wird das Projekt als "fahrtleistungsabhängige" Versicherung. Tatsächlich ist eine derartige Idee nicht neu, schon bisher haben KFZ-Versicherer für bestimmte Autofahrer, etwa Zweitwagenbesitzer oder Besitzer von Oldtimern verbilligte Versicherungen angeboten. Diese waren jedoch bloß auf bestimmte Kilometerfahrtleistungen oder bestimmte Monate gebunden. Neu am UNIQA-Projekt "SafeLine" ist die detaillierte Aufzeichnung über die Autofahrer, wann sie welche Strecken fahren.

Ursprünglich gemeinsam mit IBM geplant, mehrfach verschoben, wird das Proekt nun durch ein GPS-System der Firma Dolphin, Tochter der italienischen Metasystems SpA realisiert. Bei der Dichte der aufgezeichneten Daten kann zu Recht von einer himmlischen "Section Control" gesprochen werden.


Umfassende Datenaufzeichnung

Auf Grund der umfassenden Datenaufzeichnung kann leicht errechnet werden, welche Strecken ein Autofahrer regelmäßig zurücklegt, dies lässt Rückschlüsse auf Beruf und  Freizeitverhalten zu. Aus den Änderungen des Verhaltens könnten auch Rückschlüsse über Erkrankungen oder berufliche Veränderungen gezogen werden. Weiters lassen sich aus der Länge der Strecken, die ohne Unterbrechung gefahren werden, Rückschlüsse über Fahrgewohnheiten ableiten, aber auch, ob der Autofahrer zu einem bestimmten Zeitpunkt übermüdet war. Auch die Fahrgeschwindigkeit ist letztlich bestimmbar. Diese Information lässt Rückschlüsse auf Geschwindigkeitsübertretungen, aber auch auf überdurchschnittliche Materialbeanspruchung zu. Wer laufend seinen PKW "am Limit" fährt, wird sich bei einem Unfall vorhalten lassen müssen, dass sein PKW vermindert verkehrstauglich war.


Datenzugriff spätestens nach dem ersten gröberen Unfall zu erwarten

Die UNIQA-Versicherung schwört zwar bei Projektstart von "SafeLine" Stein und Bein auf die Detaildaten der Autofahrerüberwachung nicht zuzugreifen, übersieht aber eine Reihe zentraler rechtlicher Grundlagen und Verpflichtungen.

Grundsätzlich ist die Versicherung als Auftraggeber nach dem Datenschutzgesetz anzusehen und trägt daher die Verantwortung für die Datenverwendung. Sie hat somit immer auch Zugang zu allen Detaildaten.

Hans G. Zeger, Mitglied des Datenschutzrates: "Nun wird sicher niemand so naiv sein, zu glauben die UNIQA-Versicherung wird einen KFZ-Überwachungsleitstand einrichten und in Echt-Zeit das Fahrverhalten der Versicherten beobachten."

Gerade bei Unfällen, die letztlich Grund für eine KFZ-Versicherung sind, wird es aber mit der Geheimhaltung der Daten vorbei sein, vielleicht nicht bei jedem verbeulten Kotflügel, aber doch sobald Personenschäden auftreten oder mehrere Fahrzeuge beteiligt sind. Hier würde nicht einmal eine vertragliche Vereinbarung mit dem KFZ-Besitzer helfen, die Daten nicht zu verwenden. Haftungsfragen und die Verpflichtungen zur Aufklärung strittiger Sachverhalte würden vertragliche Geheimhaltungsbestimmung aushebeln.

Mehrere Szenarien vorstellbar

Szenario I: Den UNIQA-Lenker trifft Verschulden, auf Grund der Schadenshöhe prüft die Versicherung Regressansprüche gegen den Versicherten. Hier können Daten zur überlangen Fahrtdauer (Übermüdung), aber auch zum Fahrverhalten (Geschwindigkeit) zumindest eine Teilhaftung des Autolenkers ergeben, die die Versicherung durch die Fahrtenaufzeichnung zu belegen versucht. Auf diese Auswertungen könnte die UNIQA-Versicherung nicht verzichten, hat sie doch gegenüber allen Mitversicherten die Verpflichtung Kosten und Schäden zu minimieren. Werden die Daten nicht zur Prüfung einer Regressforderung herangezogen, könnten die Mitversicherten eine Pflichtverletzung der Versicherung feststellen.

Szenario II: Der UNIQA-Lenker verursacht Personenschäden. In einem Zivilprozess bezüglich Schadenersatz und Schmerzensgeld könnten die Geschädigten verlangen, dass die Aufzeichnungen offen gelegt werden, um festzustellen, dass der Lenker grob fahrlässig gehandelt hat, indem er etwa übermüdet oder zu rasch unterwegs war. In letzter Konsequenz könnte das sogar im Strafverfahren bezüglich Körperverletzung bedeutsam werden.

Szenaro III: Die Gegenseite wird als Verursacher beschuldigt, bestreitet dies jedoch. In einem Gerichtsverfahren (in erster Instanz vor dem Bezirksgericht) wird die Herausgabe der UNIQA-Daten verlangt. Schon um später den Vorwurf des mangelhaften Beweisverfahrens zu vermeiden, wird das Gericht diesem Antrag stattgeben.

Das Problem ist weniger, dass ein tatsächliches Verschulden eines Lenkers aufgedeckt wird, sondern dass ein Lenker mit Daten und Schlussfolgerungen konfroniert wird, die zwar im konkreten Fall keinen Einfluss auf einen Unfall hatten, die er aber nicht (mehr) ausreichend entkräften kann. Die Aufzeichnungen führen zu einer Verzerrung in der Beweis- und Argumentationslage bei strittigen Auseinandersetzungen.


Auch Polizei wird sich schon auf die Daten freuen

Neben den verkehrs- und zivilrechtlichen Aspekten wird sich auch die Polizei über das Projekt freuen. Hat sie doch mit §53 Abs. 4 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) die Möglichkeit "aus allen anderen verfügbaren Quellen durch Einsatz geeigneter Mittel, ...., zu ermitteln und weiterzuverarbeiten" und daher die UNIQA-Versicherung aufzufordern vorhandene Daten zur "erweiterten Gefahrenerfoschung" bereit zu stellen.

Die Auswertung und Analyse des Fahrverhaltens von einigen hundert Autofahrern kann hier ein ganz besonders interessantes Spitzelprojekt werden. Scheinbar durch das Sicherheitspolizeigesetz legalisiert, jedoch unter Bruch verfassungsrechtlicher Grundrechte. Die (Wieder-)Herstellung der Grundrechte müßte jedoch jeder einzelne Autofahrer über ein mühsames Datenschutzverfahren bis hin zum Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof erst wieder erkämpfen.


Eingriffe auch in Rechte Dritter

Verborgt ein KFZ-Besitzer sein Auto oder wird es routinemäßig nicht von ihm genutzt, sondern etwa von seinen Angestellten, trifft ihn eine umfassende Aufklärungspflicht über die Datenaufzeichnung. Wird ein derartig versicherter PKW betrieblich genutzt, besteht auch die Gefahr eines Konflikte mit dem Arbeitsverfassungsgesetz, das verlangt, dass derartige Datenaufzeichnungen einer Betriebsvereinbarung bedürfen.

Aber auch bei privater Nutzung des PKW durch Dritte könnte bei fehlender Aufklärung über die Datenaufzeichnung dem KFZ-Bsitzer eine Datenschutzverletzung zur Last gelegt werden.


Alle UNIQA-Kunden zahlen für fragwürdiges Überwachungsprojekt

Für manche Autofahrer mag die Aussicht auf eine kleine Prämienreduktion attraktiv genug sein, um sich auf das Abenteuer der Rundum-Überwachung einzulassen. Nüchtern betrachtet sind jedoch selbst diese pekunären Vorteile von fragwürdiger Natur. Erkauft werden sie einerseits durch eine extreme Schlechterstellung bei Schadenersatzstreitigkeiten, aber auch durch massive Grundrechtseingriffe. Autofahrer, die eine Spar-Versicherung benötigen, sollten die Versicherung wechseln und ein datenschutzkonformes Angebot auswählen.

Nicht zu unterschätzen sind die horrenden Kosten des Projekts, sowohl was Entwicklung, als auch Betrieb betrifft. Korrekterweise müssten diese ausschließlich durch die Gruppe der Kunden dieser Teilversicherung getragen werden, was, zumindest die ersten fünf bis zehn Jahre diese Versicherung zu einer absoluten Luxusvariante machen würde. In der Anlaufzeit müssen jedenfalls alle UNIQA-Kunden das Projekt finanzieren. Ob die ursprüngliche Spekulation auf hunderttausend Kunden aufgeht, darf bezweifelt werden.

Es ist jedoch nicht unrealistisch, dass im Ergebnis das Projekt keine/zu wenig Kunden findet oder die Preisnachlässe so hoch sein müssen, dass sich das Projekt nie rechnet und somit durch die anderen Versicherten auf Dauer quersubventioniert werden muss, was wettbewerbsrechtlich unzulässig ist und gegen das UWG verstößt.


Ist das Projekt überhaupt zulässig?

Auf den ersten Blick könnte man die Ansicht vertreten, es handele sich um eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen Versicherung und Versicherungsnehmer und wenn beide sich auf das Überwachungs-Abenteuer einlassen, sei das rechtlich in Ordnung.

Tatsächlich enthält jedoch das Datenschutzgesetz mehrere grundrechtliche Bestimmungen, die in die Privatautonomie und damit in die Vertragsgestaltung eingreifen. Wichtigste Merkmale sind dabei der Grundsatz des "gelindesten Mittels" (§1 DSG) und die Datenverwendung nach Treu und Glauben, bzw. das Prinzip der Datenminimalität (§6 DSG).

Dies bedeutet, dass auch Privatunternehmen nicht Verträge mit beliebigen Datenaufzeichnungen anbieten dürfen, sondern die Datenaufzeichnung muss für einen Zweck angemessen und der Datenumfang absolut notwendig sein. Gerade bei einer fahrtleistungsabhängigen Versicherung wäre es absolut ausreichend in regelmäßigen Abständen schlicht den Kilometerstand des Fahrzeugs auszuwerten. Dies wäre datenschutzrechtlich völlig unbedenklich. Auch Missbrauchsmöglichkeiten lassen sich durch Vorkehrungen am Kilometerzähler, eventuell auch durch Einbau eines Zweitzählers zuverlässig ausschalten.

Die behaupteten risikodifferenzierenden Merkmale, ob jemand in der Stadt oder auf der Autobahn unterwegs ist, sind sachlich nicht begründet, da durch individuelles Fahrverhalten, Wettersituation, verkehrsbedingte Rahmenbedingungen (Staus, Baustellen, Urlaubszeit, ...), Zustand des PKWs, Tagesverfassung und Erfahrung des Lenkers usw. wesentlich stärker das Unfallsrisiko beeinflusst werden.

Wenn jedoch zu einem Datenverarbeitungszweck auch datenschutzfreundliche Alternativen existieren oder eine bestimmte Aufzeichnung gar nicht geeignet ist, ein angestrebtes Ziel zu erreichen, dann ist die Datenaufzeichnung unzulässig, dies hat der OGH schon in einer Vielzahl von Entscheidungen festgehalten.

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