2003/04/21 Was wurde aus dem Cybercrime-Abkommen?
Vorstoß des Europarates zu mehr Überwachung nicht wirklich erfolgreich - Offenbar kein Bedarf an eigenen Cybercrime-Regeln - Keine Ratifizierung durch den Nationalrat - Bisher erst durch Albanien und Kroatien ratifiziert
Budapest 23.11.2001 - Europarat beschließt Cybercrimeabkommen
Als klassische Anlaßgesetzgebung wurde in Reaktion zu den September-Terroranschlägen vom Europarat mit großem publizistischen Aufwand eine Cybercrime-Initiative gestartet.
Durch neue, zum Teil neu erfundene, Straftatbestände sollte einerseits die Onlinenutzung leichter kriminalisiert werden können, andererseits sollten Polizei und Strafverfolgungsbehörden, jedoch auch Geheim- und Staatspolizeidienste, zusätzliche, erweiterte Lauschbefugnisse erhalten.
Auf der Budapester Konferenz wurde dieser Cybercrime-Vorschlag von 27 der 45 Europaratsmitglieder unterzeichnet, für Österreich durch Bundesminister Böhmdorfer.
Zusätzlich wurde das Abkommen von den USA, Südafrika, Kanada und Japan unterfertigt. Weitere vier Europaratsmitglieder folgten in den letzten 1 1/2 Jahren. Immerhin 14 Mitgliedsländer des Europarates fehlen noch.
Damit Böhmdorfers Unterschrift Gültigkeit erlangt, bedarf es eines Beschlusses (Ratifikation) durch den österreichischen Nationalrat, dieser Beschluß fehlt bis heute.
Bisher nur zwei Ratifizierungen
Damit das Abkommen selbst in Kraft tritt, müßten es jedoch mindestens fünf Staaten ratifizieren, darunter drei Europaratsmitglieder.
Tatsächlich haben erst Albanien und Kroatien (!) das Abkommen ratifiziert, kein einziges EU-Land, aber auch nicht die USA, Rußland oder Japan.
Für Österreich war jedoch die bloße Ankündigung der Cybercrime-Initiave Vorwand genug, in einer Art vorauseilendem Gehorsam zusätzliche Computerstrafdelikte zu schaffen, die mit 1.10.2002 in Kraft traten.
Vom 'widerrechtlichen Zugriff' bis 'Computerstörung' wurden eine Reihe neuer Strafbestimmungen geschaffen:
- Widerrechtlicher Zugriff auf ein Computersystem (§118a)
- Missbräuchliches Abfangen von Daten (§119a)
- Störung der Funktionsfähigkeit eines Computersystems (§126b)
- Missbrauch von Computerprogrammen oder Zugangsdaten (§126c)
- Datenfälschung (§225a)
Hans G. Zeger: 'Die praktische Relevanz zur Verbrechensverfolgung dürfte gering sein, meist wird man an Beweisproblemen und/oder dem vorsätzlichen Schadensnachweis scheitern. Dies umso mehr als viele vorsätzliche Störungen nicht von üblichen Softwarefehlern und Systemabstürzen des marktführenden Betriebssystem nicht zu unterscheiden sind. Offenbar sollte jedoch Aktionismus signalisiert werden und eine gewisse präventive (abschreckende) Wirkung erzielt werden.'
Ein naiver Standpunkt. Auf diese Weise können zwar Schüler und Hobby-'Hacker' kriminalisiert werden, nicht jedoch professionelle Täter, die weltweit über verteilte Rechnersysteme agieren und auch gelernt haben, Spuren zu verwischen und die Computesysteme nichtsahnender Dritter zu benutzen.
Wirkungsvoller wäre es, mit geeigneten Knowhow für die Einhaltung bestehender Straftatbestände zu sorgen, mit der schon bisher bestehenden Bestimmung 'Datenbeschädigung' (§126a) könnten sowieso praktisch alle relevanten Computerdelikte erfaßt werden.
Österreich bleibt Überwachungs-Musterknabe
Auch mit der nunmehr im neuen Telekommunikationsgesetz geplanten vorbeugenden Telefon- und Internetdatenaufzeichnung von rund 13 Millionen (13.000.000 !!) Teilnehmeranschlüssen versucht der Innenminister wieder allen internationalen Überwachungs-Entwicklungen voraus zu sein.
Selbst jetzt, nachdem die heftig kritisierte Telekom-Überwachungsverordnung vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde, Österreich - in Relation zu den Einwohnern - 6mal so lauschfreudig ist wie die USA und Cybercrime-Convention in praktisch keinem Land Priorität genießen.
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