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2006/07/26 Mehr Videoüberwachung auf Wiener Linien
Nach einem Jahr "Probebetrieb" kam es zur vorhersehbaren Reaktion - mangels Evaluationskriterien wird die Überwachung der U-Bahnlinien als Erfolg verkauft - aus billigem Populismus wird das teure und menschenrechtswidrige Projekt flächendeckend ausgeweitet - fehlende gesetzliche Regelungen erlauben die Videoüberwachung unbescholtener Bürger

Stadtrat Rieder kündigt Ausweitung der U-Bahn-Videoüberwachung an

Mit einer "Stärkung des subjektiven Sicherheitsgefühls" rechtfertigt der Wiener Stadtrat Rieder die flächendeckende Überwachung der wiener Verkehrsteilnehmer. In Zukunft sollen alle U-Bahnlinien mit Überwachungskameras ausgestattet werden.

Es handelt sich um eine ideologisch motivierte Alibiaktion, die bloß auf niedere Instinkte in der Bevölkerung appelliert. Damit soll von steigenden sozialen Spannungen, der geringeren Toleranz gegen andersartige Lebensformen und Kriminalität in Wien abgelenkt werden.


Stadtrat Rieder informiert die Bevölkerung unvollständig

(1) Bloß um weniger als ein dutzend Vandalen aufzuspüren werden Millionen völlig unbescholtener Bürger überwacht und ihr Verhalten in der Öffentlichkeit aufgezeichnet. Derartige technische Überwachungsmaßnahmen hat zuletzt der OGH als rechtswidrig eingestuft. Auch Verfassungsrechtler bezweifeln die Verhältnismäßigkeit und damit Rechtmäßigkeit der U-Bahn-Überwachung, die ARGE DATEN hat dazu berichtet (http://www2.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGED...).

(2) Sollten U-Bahnfahrgäste tatsächlich Opfer krimineller Aktivitäten werden, etwa durch einen Taschendiebstahl, dann haben sie keinen Anspruch auf die Herausgabe des Videomaterials, dieses dient bloß Wiener Linien eigenen Zwecken.

(3) Alle bisherigen Erfahrungen mit Videoüberwachungen, sowohl in Österreich, als auch in anderen Ländern zeigten, dass Kriminalität damit bestenfalls verlagert wird und dass derartige Anlagen einem enormen Gewöhnungsdruck unterliegen und daher nach einiger Zeit erhöhter medialer Aufmerksamkeit ihr Abschreckungspotential verlieren. So stiegen schon nach einem halben Jahr SCS-Videoüberwachung die Kriminalitätsdelikte wieder deutlich an, ebenso am Schwedenplatz. Auch im Bankenbereich ist keine Verbesserung der Kriminalität erkennbar. Trotz praktisch hundertprozentiger Videoüberwachung stieg die Zahl der Überfälle in den letzten fünf Jahren um 76% an, bei gleichzeitigem Sinken der Aufklärungsquote von 70,4% (2001) auf 44% (2004). Die Täter hatten offensichtlich gelernt, sich eine Kappe aufzusetzen.

(4) Niemand kann sicher sein, dass erlaubtes, aber von der gesellschaftlichen Norm abweichendes Verhalten aufgezeichnet und gegen die Betroffenen verwendet wird. So könnten etwa Bilder von sich umarmenden Homosexuellen, die nunmehr in der U-Bahn aufgenommen werden können, aufbewahrt werden und gegen die betroffenen Personen verwendet werden. Auch hier hat der OGH in einer Grundsatzentscheidung festgehalten, dass allein die Möglichkeit einer derartigen Aufzeichnung durch das Vorhandensein eines geeigneten technischen Systems als Eingriff in die Privatsphäre anzusehen ist.


Gesetzliche Regelung überfällig

Mangels gesetzlicher Regelungen ist der Wildwuchs an Grundrechtseingriffen, wie es Videokameras darstellen derzeit möglich, auch die Datenschutzkommission hat mangels klarer Entscheidungskriterien keine realistischen Möglichkeiten die Videoüberwachung auf das sinnvolle Maß zu beschränken.

Immerhin dürfte sich aber sowohl bei Beamten, als auch bei Politikern, drei Jahre nach dem Vorstoß von Obmann Zeger im Datenschutzrat (http://www2.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGED...), ein Umdenken breit machen da man die Notwendigkeit der gesetzlichen Regelung der Videoüberwachung sieht.

Auf Grund der Undifferenziertheit der Aufzeichnungen wird zwangsläufig immer eine Mehrheit von völlig unbescholtenen Bürgern erfasst. Kann man bei diesen Aufzeichnungen etwa gesundheitliche (Behinderungen, Verletzungen) oder ethnische Merkmale (Hautfarbe, Gesichtszüge, Bekleidung) erkennen, werden Handlungsweisen aufgezeichnet, die auf weltanschauliche Gesinnung (Demonstranten, Träger von Stickern) oder sexuelle Orientierung (Homosexuelle) schließen lassen, dann handelt es sich um sensible Daten, über die nach EU-Recht ein Aufzeichnungsverbot existiert.

Gerade in Hinblick auf die Gefahr einer sozial kontrollierten und damit unfreien Gesellschaft und angesichts der geringen Erfolge in der Bekämpfung schwerer Kriminalität, wird die Notwendigkeit klarer Regeln deutlich.

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