2008/06/13 Keine Auskunft der BMI-Mitarbeiter über aktenkundliche sexuelle Neigungen?
DSK-Entscheidung beschränkt Auskunftsrecht - BMI verweigert Auskünfte über sexuelle Gewohnheiten - Verfahren legt "alte Hüte" in den Rechtsschutzdefiziten offen - trotzdem keine DSG-Reform in Sicht
Während die Aufregung um die interne "Bespitzelung" im Innenministerium, welche auch sexuelle Neigungen von Mitarbeitern umfasst haben dürfte, noch kaum verklungen ist, hat die DSK zur Frage der datenschutzrechtlichen Auskunftserteilung des BMI an seine Mitarbeiter eine durchaus beachtenswerte Entscheidung getroffen.
Das BMI hat grundsätzlich seinen Mitarbeitern aus dem internen Aktenprotokollierungssystem der sogenannten AMKO-Personendatei Auskunft zu erteilen, dabei gibt es - nach Ansicht der DSK – erhebliche Einschränkungen.
Anlassfall
Der Beschwerdeführer, Mitarbeiter des Bundesministeriums für Inneres, hatte ein Auskunftsbegehren an das BMI gerichtet.
Das Auskunftsbegehrens hatte sich einerseits auf vom BMI verarbeitete Daten zum Sexualleben des Beschwerdeführers und andererseits allgemein auf die gespeicherten, verarbeiteten und weitergeleiteten Daten über den späteren Beschwerdeführer bezogen. Die erste Auskunft des Bundesministerium für Inneres verlief unbefriedigend.
Hinsichtlich der Daten über das Sexualleben wurde ihm mitgeteilt, es seien im Aktenprotokollierungssystem des BMI (AMKO-Personendatei; kurz AMKO) keine derartigen Informationen gespeichert. Hinsichtlich des allgemeinen Ersuchens um Auskunft wurde - ohne nähere Ausführung der Gründe - auf § 26 Abs 2 DSG 2000 verwiesen und keine weitere Auskunft erteilt.
Beschwerde an die DSK
Der Betroffene wandte sich mit einer Beschwerde an die Datenschutzkommission.
Im Verfahren brachte der Beschwerdeführer vor, es seien zu seiner Person bisher nicht beauskunftete automationsunterstützt verarbeitete Schriftstücke der Abteilung A des Innenministeriums gespeichert, worin über das intime Naheverhältnis zwischen einer Frau und dem Beschwerdeführer berichtet werde. Diese Schriftstücke seien auch an andere Abteilungen weitergeleitet worden.
Hinsichtlich des allgemeinen Ersuchens um Auskunft sei die Auskunft unter Verweis auf § 26 Abs. 2 DSG 2000 zu Unrecht verweigert worden.
Der Beschwerdeführer beantragte, dass er einerseits durch die unrichtige Datenschutzauskunft des Beschwerdegegners zu Daten über sein Sexualleben und andererseits durch die Verweigerung einer allgemeinen Datenschutzauskunft durch den Beschwerdegegner in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundrecht auf Datenschutz verletzt worden sei.
Das Bundesministerium für Inneres versuchte wiederum ein Obsiegen des Beschwerdeführers vor der Datenschutzkommission dadurch abzuwenden, dass diesem nachträglich eine Auskunft erteilt wurde. Übermittelt wurde dem Beschwerdeführer eine Aufzählung von Akten im ELAK zuzüglich Geschäftszahlen, dies mit der Auskunft, dass unter den betreffenden Aktenzahlen personenbezogene Daten zur Person des Beschwerdeführers gespeichert seien. Beigelegt waren diesem Schreiben weiters 69 Auszüge aus der Personendatei der „Automatisierten Kanzleiordnung“ (AMKO). Auskunft darüber, welche konkreten personenbezogenen Daten verarbeitet würden, erteilte das Bundesministerium nicht.
Der Beschwerdeführer brachte vor, dass das Bundesministerium durch die Übermittlung der Ausdrucke aus dem AMKO seiner Auskunftspflicht nur teilweise nachgekommen sei, da nicht angegeben worden sei, „welche konkreten personenbezogenen Daten unter der jeweiligen Aktenzahl über seine Person verarbeitet werden, woher diese Daten stammen, an wen diese Daten weitergeleitet wurden, den Zweck der Datenanwendung und die Rechtsgrundlagen für diese Datenverarbeitung“.
Keine Auskunft über Papierakt?
AMKO ist ein elektronischer Aktenindex, der im nur eine Aktenzahl und hiezu einen Betreff sowie den Aktenlauf ausweist. Welche konkreten personenbezogenen Daten unter dieser Aktenzahl verarbeitet werden, geht im AMKO bestenfalls aus dem Betreff hervor – weitere Informationen können nur durch Einsicht in den durch die Geschäftszahl bezeichneten Akt gewonnen werden. Diese unterliegen nach Auffassung der DSK nicht der Auskunftspflicht, da ihnen keinerlei Dateicharakter zukommt. In Papierform gespeicherte Akten sind nach Ansicht der DSK nicht als dateiförmige Datenverarbeitung anzusehen.
Die Rüge der Unvollständigkeit der Auskunftserteilung wurde durch die DSK somit hinsichtlich AMKO selbst grundsätzlich als nicht gerechtfertigt angesehen, da deren den Beschwerdeführer betreffender Inhalt an diesen in Form von Ausdrucken vollständig übermittelt wurde.
Mitwirkungspflicht
Zum übrigen Auskunftsbegehren wurde durch das Bundesministerium ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seiner Obliegenheit, an einer Auskunftserteilung mitzuwirken, nicht nachgekommen sei, da sein Auskunftsbegehren nicht ausreichend konkretisiert gewesen sei.
In diesem Zusammenhang habe sich das BMI, Abteilung auf Grenzen der möglichen Auskunftserteilung infolge knapper Ressourcen berufen. Die etwa 80 Akten, die über den Beschwerdeführer im BMI bestehen, hätten dienstliche Ereignisse zum Gegenstand, die in Kürze als „der Personalakt“ des Beschwerdeführers beschrieben werden könnten. Es befänden sich darunter zahlreiche Vorkommnisse, wie Schulungen, dienstliche Ausstattung mit Gerätschaften, Ernennungen etc., die dem Beschwerdeführer bestens bekannt sein müssten und auch kaum relevant für seine Rechtsschutzinteressen wären.
Diesem Argument wurde seitens der DSK grundsätzlich Rechnung getragen, allerdings wurde moniert, dass das Ministerium den Beschwerdeführer zu einer Mitwirkung nie aufgefordert hatte, weshalb der Beschwerdeführer in diesem Punkt obsiegte.
Disziplinarrecht
In zwei Fällen hatte der Beschwerdeführer sein Auskunftsbegehren durch Zitierung von Aktenzahlen von sich aus konkretisiert. Im Hinblick auf diesen Teil des Auskunftsersuchens hatte das BMI ein Recht auf Auskunftsverweigerung aus „straf- und dienstrechtlichen Aspekten“ nach § 26 Abs 2 Z 5 DSG 2000 geltend gemacht.
Das Verfahren der DSK ergab in diesem Punkt, dass § 26 DSG 2000 im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung gelangen könne: Der Beschwerdeführer sei als Partei des Disziplinarverfahrens den Verfahrensvorschriften des Disziplinarrechts und den dort geltenden Regelungen über die Akteneinsicht unterworfen. Könnte er über das Auskunftsrecht nach § 26 DSG 2000 Kenntnis über seinen Disziplinarakt erlangen, wären dadurch die Bestimmungen des Disziplinarrechts umgangen, was den Sachnotwendigkeiten dieses Rechtsgebiets zuwiderlaufen würde. In diesem Punkt obsiegte das BMI.
Rechtliche Bewertung
Der vorliegende Fall ist nicht nur deshalb interessant, weil das Thema der „Sexualdaten“ über eigene Mitarbeiter des Innenministeriums erst unlängst Gegenstand medialer Berichterstattung war, sondern zeigt auch gravierende Mängel des Auskunftsrechts im österreichischen Datenschutzgesetz, zumindest bei Interpretation durch die DSK.
Da ist zunächst der „alte Hut“ Papierakt. Dieser Fall zeigt einmal mehr, wie absurd es ist, Akten vom datenschutzrechtlichen Auskunftsrecht auszuschließen. Dadurch, dass die betreffenden Aktenzahlen in systematischer Form verarbeitet werden, gilt dies natürlich auch für die in den betreffenden Akten verarbeiteten personenbezogenen Daten des Betroffen. Jede andere Interpretation würde das Auskunftsrecht völlig aushebeln, da nur ein Minimum an Information systematisch verarbeitet würde, um das Auskunftsrecht für den Rest auszuschließen.
Es würde alleine im Gestaltungsermessen des Auftraggebers liegen, welche Teile der verarbeiteten Information er zu beauskunften hat. Eine Interpretation, der - im Lichte der EU-Datenschutzrichtlinie - keinesfalls zu folgen ist. Natürlich ist der Auskunftsbegehrende daran interessiert, welche Information über ihn verarbeitet wird und nicht an irgendwelchen Aktenzahlen.
Auch die Annahme einer überbordenden Mitwirkungspflicht ist unzulässig. Vor allem ist nicht einsichtig, wie der Betroffene - in Unkenntnis der über ihn verarbeiteten Daten- sein Auskunftsbegehren präzisieren oder einschränken hätte sollen. Eine derartige Einschränkung ist daher schon faktisch nicht möglich. Alleine die Tatsache, dass eine Stelle so viele personenbezogene Daten verarbeitet, dass sie diese nicht mehr vollständig beauskunften kann - so das BMI-Argument kurz gefasst - kann kein Grund für ein beschränktes Auskunftsrecht sein.
Auch dass aus Disziplinarakten nicht Auskunft zu erteilen ist, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als grober Missgriff: Eine Berechtigung zur Auskunftsverweigerung findet sich im DSG nur dann, wenn diese der Vorbeugung, Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten dient. Zunächst scheint fragwürdig, ob dienstliche Disziplinarverfehlungen überhaupt „Straftaten“ sind, die eine Ausnahme von der Auskunftspflicht rechtfertigen. Darüber hinaus ist die Verweigerung der Auskunft eben nur zulässig, wenn diese der Vorbeugung, Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten dient. Insoferne kann nicht generell gesagt werden „Disziplinarsache - keine Auskunft“, sondern es müsste sich das Ergebnis am Einzelfall orientieren. Die von der DSK gefundene Lösung, dass das DSG den Disziplinarregelungen nachgehe, ist dagegen verfehlt, da es keine Ausnahmeregelung im DSG gibt.
Fazit
Der vorliegende Fall zeigt, wie das Innenministerium, dass sich im Zusammenhang mit parlamentarischen Untersuchungsausschüssen als Datenschutzinstitution präsentieren möchte, mit den Daten ihrer Mitarbeiter umgeht und auf deren Rechte reagiert. Bedauerlicherweise erhält sie Schützenhilfe durch die europarechtswidrige Judikatur der DSK, die sich eher an den Interessen der Datenverarbeiter, als den europarechtlichen Vorgaben zu orientieren scheint.
Archiv --> Bescheid K121.323/0007-DSK/2008.pdf
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