1995/06/11 Stellungnahme der ARGE DATEN zu Lauschangriff und Rasterfahndung (Kurzfassung) Entwürfe der Bundesministerien für Justiz und Inneres
Die ARGE DATEN ist schockiert darüber, daß die Absicht besteht, Lauschangriff und Rasterfahndung in der bevorstehenden Sondertagung des Nationalrats noch rasch durchzudrücken. Diese Absicht kann nur als zweifelhaftes Wahlkampfmanöver angesehen werden, bei dem der Bevölkerung das Gefühl vermittelt werden soll, daß etwas gegen die Kriminalität getan wird. Weder der Lauschangriff noch die Rasterfahndung sind dafür aber geeignete Mittel.
Der Lauschangriff kann überhaupt nur bei bestimmten Formen der organisierten Kriminalität (etwa Schutzgelderpressung) wir-kungsvoll sein. Gegen die nicht organisierte Massenkriminalität und auch gegen die Briefbombenattentäter ist der Lauschangriff nicht geeignet. Pro verurteilter Person werden beim Lauschan-griff bis zu 100 unbeteiligte Personen abgehört. Darüber hinaus verbreitet allein die Möglichkeit des Lauschangriffs Unsicherheit: Da zwangsläufig auch Unschuldige abgehört werden, kann jeder vom Lauschangriff betroffen sein.
Die Rasterfahndung ist zur Bekämpfung organisierter Kriminali-tät völlig ungeeignet. Bei politischen Delikten (z. B. den Briefbomben) kann sie nur zu Ergebnissen führen, wenn man massiv in die Privatsphäre zehntausender unbescholtener Bürger eingreift und systematisch Daten wie Vereinsmitgliedschaften, Zeitschriftenabonnements, Veranstaltungsteilnahmen etc. abgleicht. Das steht in keinem Verhältnis zum angestrebten Er-gebnis. Die Möglichkeit des Mißbrauchs erhobener Daten kann nicht ausgeschlossen werden. Da der vorgeschlagene Entwurf keine brauchbaren Kontrollmechanismen vorschlägt, könnte jede Regierung das Instrument der Rasterfahndung (unter dem Vorwand der "Terrorismusbekämpfung") auch zur Bespitzelung politischer Gegner einsetzen.
Bei der diesbezüglichen Enquete wurde der Entwurf des Justizmi-nisteriums von der Mehrzahl der Experten als Diskussionsgrund-lage, aber noch nicht als beschlußreif angesehen. Der Entwurf des Innenministeriums, der der Polizei praktisch schrankenlose Ermächtigungen gegeben hätte, stieß auf einhellige Ablehnung. Eine ausführliche Diskussion über den nun geänderten Entwurf wäre dringend nötig, ist aber bis zur Sondertagung nicht mehr möglich.
Forderungen der ARGE DATEN
Die ARGE DATEN fordert daher mit Nachdruck, daß auf Rasterfahn-dung und Lauschangriff verzichtet wird. Auf keinen Fall sollte das Gesetz nun noch rasch beschlossen werden. Sinnvollerweise wäre eine Neuregelung der polizeilichen und gerichtlichen Ermittlungsmethoden im Rahmen der schon seit geraumer Zeit dis-kutierten Reform des strafrechtlichen Vorverfahrens.
Auf die Rasterfahndung sollte völlig verzichtet werden. Stattdessen sollte über verbesserte Möglichkeiten beim EDV-Ein-satz in der Polizei diskutiert werden. Viele Formen der EDV sind datenschutzrechtlich völlig unproblematisch und wesentlich nützlicher als die problematische Rasterfahndung.
Statt der Einführung des Lauschangriffs sollten zunächst andere Maßnahmen in Angriff genommen werden, die nicht in die Grund-rechte eingreifen. So sind z. B. die Möglichkeit des Zeugen-schutzes noch völlig unzureichend geregelt. Bei den Hauptfel-dern der organisierten Kriminalität (Drogen, Eigentumskrimina-lität, Schlepperunwesen) sind nicht-polizeiliche Methoden in den Vordergrund der Kriminalitätsbekämpfung zu stellen: Liberalisierung von Bagatelldelikten im Drogenbereich, Alarman-lagen oder Wegfahrsperren gegen Einbruchs- oder Autodiebstähle, Abschaffung jener Willkürmaßnahmen, die Ausländer dazu verlei-tet, sich Schleppern anzuvertrauen.
Bei der Telefonüberwachung und dem schon derzeit zulässigen "kleinen" Lauschangriff (Abhören in Anwesenheit eines verdeck-ten Ermittlers) gibt es noch große Probleme. Es gibt z. B. keine Untersuchungen darüber, wieviele unschuldige Personen ab-gehört werden bzw. inwieweit die Überwachungsmaßnahmen tatsäch-lich zu Verurteilungen führen. Daher sollte zuerst eine akzeptable Regelung für die Telefonüberwachung und den kleinen Lauschangriff gefunden werden, bevor der große Lauschangriff eingeführt wird.
Die 14 Seiten lange, vollständige Stellungnahme der Arge Daten kann bei der Arge Daten (siehe Fußzeile) angefordert oder über das Internet (http://ftp.freenet.at/privacy/gesetze-stellungnahmen/lausch.doc bzw. .../lausch.pdf) bezogen werden.
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