2007/06/04 Telefondatenspeicherung auch Anschlag auf Redaktionsgeheimnis
Mit Beendigung der Begutachtungsfrist zur Novelle des Telekommunikationsgesetzes wird die Kritik an der sogenannten Vorratsdatenspeicherung immer massiver. Neben den bereits bekannten Kritikpunkten - massiver Eingriff in Bürgerrechte, hohe Kosten, geringe Effizienz - fällt vor allem auf, dass eine durch den vorliegenden Gesetzesentwurf stark betroffene Gruppe – Medienvertreter und Journalisten - gar nicht erst zur Begutachtung eingeladen wurde.
Die ARGE Daten hat in ihrer Stellungnahme zum vorliegenden Begutachtungsentwurf bereits darauf aufmerksam gemacht, dass deren Rechte massiv eingeschränkt werden. Im Ministerium begründet man die mangelnde Einbindung der Medienbranche damit, dass "diese ohnehin nicht betroffen sei." Betrachtet man allerdings die gegenwärtige Rechtslage unter Hinzuziehung des vorliegenden Entwurfs zeigt sich ein anderes Bild.
TKG-Novelle
Kern des Problems ist der geplante § 102a Abs. 1 TKG. Dieser sieht vor, dass die entsprechenden der Vorratsdatenspeicherung unterliegenden Daten für einen Zeitraum von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Beendigung eines Kommunikationsvorganges zum Zweck der Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von mit beträchtlicher Strafe bedrohten Handlungen nach § 17 SPG, einschließlich der Tatbestände der §§ 107 und 107a StGB zu speichern sind. Faktisch hat dies eine Datenspeicherung zum Zwecke der Ermittlung bei all jenen Tatbeständen, welche mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind, zur Folge. Die Arge Daten hat bereits darauf hingewiesen, dass die geplante Regelung jeglichen Sonderstatus für Journalisten vermissen lässt.
Redaktionsgeheimnis
Der Schutz des journalistischen Redaktionsgeheimnisses ergibt sich aus § 31 Mediengesetz. Dort ist grundsätzlich das Recht normiert, dass Medieninhaber, Herausgeber, Medienmitarbeiter und Arbeitnehmer eines Medienunternehmens oder Mediendienstes in einem Verfahren vor Gericht oder einer Verwaltungsbehörde als Zeugen die Beantwortung von Fragen zu verweigern können, die die Person des Verfassers, Einsenders oder Gewährsmannes von Beiträgen und Unterlagen oder die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen betreffen. Dieses bestehende Recht darf auch nicht umgangen werden, insbesondere dadurch, dass dem Berechtigten die Herausgabe von Schriftstücken, Druckwerken, Bild- oder Tonträgern oder Datenträgern, Abbildungen und anderen Darstellungen mit solchem Inhalt aufgetragen wird oder diese beschlagnahmt werden. Bezüglich der Überwachung der Telekommunikation von Teilnehmeranschlüssen eines Medienunternehmens und eine optische oder akustische Überwachung von Personen unter Verwendung technischer Mittel in Räumlichkeiten eines Medienunternehmens wird auf die Strafprozessordnung verwiesen.
Bestimmungen der Strafprozessordnung
Die gegenwärtige Rechtslage sieht in § 149a Abs. 3 StPO die Überwachung von Teilnehmeranschlüssen von Medienunternehmen nur unter relativ strengen Bedingungen vor. Eine Überwachung eines Teilnehmeranschlusses, dessen Inhaber ein Medienunternehmen ist, ist gegenwärtig nur dann zulässig, wenn zu erwarten ist, dass dadurch die Aufklärung einer strafbaren Handlung gefördert werden kann, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit einer zeitlichen Freiheitsstrafe bedroht ist, deren Untergrenze nicht weniger als fünf Jahre und deren Obergrenze mehr als zehn Jahre beträgt. Eine Überwachung ist auch nur zulässig, wenn die Verhältnismäßigkeit zum Zweck der Maßnahme gewahrt wird. In einer Abwägung ist zu überprüfen, ob der angestrebte Erfolg in einem vertretbaren Verhältnis zu den voraussichtlich bewirkten Eingriffen in die Rechte unbeteiligter Dritter steht, und zu prüfen, ob nicht auch mit weniger eingreifenden Maßnahmen begründete Aussicht auf den angestrebten Erfolg besteht.
Auffassung des Ministeriums
Die in der Novelle des TKG vorgesehenen Eingriffe widersprechen somit der gegenwärtigen Rechtslage zur Überwachung der Telekommunikation von Medienunternehmen fundamental. Auf die geäußerte Kritik reagiert man im Ministerium bislang mit dem Argument, Vertreter der Medienbranche seien insoferne nicht zugezogen worden, als für diese ohnehin die Regelung der Strafprozessordnung weiter bestehen bleibe. Ob dies tatsächlich der Rechtslage unter Voraussetzung des Beschlusses des vorliegenden Gesetzesentwurfes entspricht, ist allerdings fragwürdig. Zu bedenken ist einerseits, dass die vorliegende TKG-Novelle als späteres Gesetz grundsätzlich gegenüber früheren Regelungen Anwendungsvorrang hat, damit auch für Medienunternehmen die neue Rechtslage gelten würde. Allenfalls könnte man argumentieren, die für Journalisten bestehende Sonderreglung gelte deshalb weiter, da im Mediengesetz im Rahmen des Schutzes des Redaktionsgeheimnisses ausschließlich und ausdrücklich auf die Strafprozessordnung verwiesen wird und damit für Medienunternehmen der § 149 a StPO als spezielle Norm anzuwenden sei.
Allerdings sind derartige Erwägungen immer mit einem juristischen Fragezeichen zu versehen und lässt sich darüber spekulieren, warum der Gesetzgeber, wenn er die gegenwärtige Rechtslage für Medienunternehmen gewahrt wissen will, nicht ausdrücklich im Gesetzesentwurf auf Medienunternehmen Bezug genommen hat- dann wäre hier für Klarheit gesorgt.
Schutz nur für Medienunternehmen
Zu bedenken ist weiters, dass die Regelung des § 149 a StPO nur für Anschlüsse von Medienunternehmen gilt. Investigativer Journalismus findet aber erfahrungsgemäß nicht nur durch Recherchen aus Redaktionsräumen statt. Den Telefon- und Internetverkehr, welche Journalisten von ihren Privatanschlüssen abwickeln, trifft die Vorratsdatenspeicherung hingegen voll, da dort die Sonderbestimmungen der StPO jedenfalls nicht gelten. Die Überwachung journalistischer Arbeit kann demnach auch nicht unter Verweis auf die StPO verhindert werden, sollte der vorliegende Entwurf beschlossen werden.
Fazit - besonders Auskunftspersonen sind gefährdet
Treffen wird dies vor allem Auskunftspersonen aus dem öffentlichen Bereich, aber auch aus dme Unternehmens-Umfeld. Gelangen unerwünschte Informationen an die Öffentlichkeit, wird man in Zukunft alle Telefonverbindungen einer Behörde oder eines Unternehmens nachträglich überprüfen können, auch die Telefonate mit Medienvertretern. Auch Personen aus diesen Behörden oder Unternehmen, die sich mit rechtlich zulässigen Angelegenheit an Medien wandten, geraten dann in den Verdacht der unzulässigen Informationsweitergabe. Ein Verdacht, der, auch wenn er sich nachträglich als unbegründet herausstellt, nachteilig für die Karriere sein kann. Ein Risiko, dass viele Personen schon von vornherein vermeiden werden, Auskünfte werden in Zukunft noch schwerer zu erhalten sein.
Aufgrund des vorliegenden Gesetzesentwurfs kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber künftig auch Medienredaktionen in die Vorratsdatenspeicherung einbindet und damit das Redaktionsgeheimnis letztendlich zu einer Leerformel macht. Gesetzliche Klarstellung täte hier gut. Selbst wenn man dem Gesetzgeber hehre Absichten unterstellt, stellt sich die Frage der praktischen Abwicklung. Wenn für die Anschlüsse von Medienunternehmen tatsächlich Sonderregelungen gelten sollen, werden im Rahmen der Durchführung der Vorratsdatenspeicherung neue Komplikationen auf die Telekommunikationsanbieter, welche für die Speicherung verantwortlich sind, zukommen und den Kunden neue Kosten entstehen. Letztendlich kann aus diesem und vielen anderen Gründen dem Gesetzgeber nur angeraten werden, den vorliegenden Gesetzesentwurf zu entsorgen und stattdessen bezüglich der Vorratsdatenspeicherung den Ausgang vor dem EuGH anhängiger Verfahren abzuwarten.
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