2002/11/23 Abgezockt per SMS - Cyberpiraterie als Geschäftszweig
Liebes-SMS leert Taschen der Handy-Besitzer - SMS Einsatz nicht ausdrücklich geregelt - Missbrauch von Telefonanlagen - Mobilkom-Anbieter vernachlässigen PRIVACY-Service
Liebes-SMS leert Taschen der Handy-Besitzer
In den letzten Tagen erhielten tausende Österreicher und Österreicherinnen ein SMS mit ungefähr folgendem Inhalt 'Ich hab mich wirklich in Dich verliebt u. muss es Dir endlich sagen! Weißt Du wer ich bin?' Weiter folgt die Aufforderung eine bestimmte Nummer zurückzurufen.
Neben der Peinlichkeit eventuell während einer geschäftlichen Sitzung oder im vertrauen Familien- oder Freundeskreis ein derartig aufdringliches Mail zu erhalten, entpuppt sich die Rückrufnummer als Mehrwertnummer zu 3,63 EUR/min (rund 50 ATS/min). Das heftige Liebeswerben ist schlicht NewEconomy-Abzocke.
Hans G. Zeger, Obmann ARGE DATEN: 'Seit die Mobil-Anbieter in der verzweifelten Suche nach neuen Absatzmärkten SMS und 'local based services' propagieren, war es nur eine Frage der Zeit, bis findige Köpfe diese Dienste auch für schlichtes Abzocken mißbrauchen.'
SMS im Telekomgeseztz (TKG) nicht ausdrücklich geregelt
Während Telefonwerbung, Faxwerbung und der Versand von Werbemails im TKG ausdrücklich geregelt ist, fehlen entsprechende Bestimmungen für SMS-Mitteilungen. Man könnte daher SMS als besondere Form eines Mails interpretieren und daher die Mail-Regelungen anwenden.
Hans G. Zeger: 'Tatsächlich sind derartige Hilfskonstruktionen nicht wirklich brauchbar. Ob ein Gericht der Argumentation folgt ist ungewiss, gewiss bleiben nur Prozessrisiko und Anwaltskosten. Auch eine ausdrückliche Regelung im TKG für SMS-Dienste wäre nicht zielführend. Für die derzeitige Abzock-Welle käme sie zu spät, findige NewEconomists würden sowieso bald neue Dienste schaffen, die wieder nicht ausdrücklich geregelt sind.'
Mißbrauch von Telekommunikationseinrichtungen
Der Gesetzgeber hat jedoch mit §75 TKG den Mißbrauch von Telekom-Einrichtungen ganz allgemein geregelt, auch die 'grobe Belästigung' anderer Benutzer ist davon erfaßt.
Die laufende Liebes-SMS-Welle ist sicher als derartiger Mißbrauch anzusehen, besonders erschwert ist der Fall durch den massenhaften Einsatz des Dienstes und der geradezu gewerbsmäßigen Abzockerei.
Geheimnummer schützt nicht vor Belästigung
Wie schon im Fall der unerwünschten Anrufe durch Marktforscher (siehe AD-Newsdienst 2002/10/18) werden die Nachrichten an computergenerierte Telefonnummern verschickt. Damit werden auch Personen erfaßt, die nicht im Telefonbuch stehen und bisher der Meinung waren, von Belästigungen und unerwünschten Zusendungen generell befreit zu sein.
Mitverantwortung der Telekom-Anbieter
Auch die Telekom-Anbieter tragen für derartige Aktionen Mitverantwortung. Die Einrichtung der Mehrwertnummer erfolgt durch einen Telekombetreiber, dieser hat auch die Verpflichtung den Zweck einer eingerichteten Nummer zu prüfen und zu achten, daß dieser Zweck nicht im Widerspruch zum Grundrecht auf Privatsphäre steht.
Auch das massenhafte Versenden von SMS-Nachrichten von einer bestimmten Stelle aus, bleibt einem Mobil-Betreiber nicht verborgen. Ein rasches Reagieren auf Mißbrauch gehört zu den Betriebspflichten des Mobilkom-Anbieters.
Hans G. Zeger: 'Die Belästigungswelle läuft länger als eine Woche und die Mobil-Betreiber hatten darauf in keinster Weise reagiert. Offenbar sind ihnen die Zusatzeinkünfte aus diesen dubiosen Geschäften ganz willkommen.'
Warnung vor STOP-SMS-Portalen
Im Liebes-SMS wird gleichzeitig auf ein Internet-Portal hingewiesen, in dem man sich eintragen kann, wenn man in Zukunft keine belästigenden SMS erhalten möchte.
Das Portal verspricht, keine personenbezogene Informationen zu verwalten und verlangt nur die Eingabe der gültigen Mobil-Nummer.
Hans G. Zeger: 'Derartige Portale existieren auch für SPAM-Mails und sind als äußerst kritisch anzusehen. Meist dienen diese Web-Sites ausschließlich zum Sammeln gültiger Mailadressen und Telefonnummern. Die gegebenen Zusicherungen sind nicht nachvollziehbar und irreführend. Persondaten sind gar nicht nötig, da sowohl die Telekom Austria, als auch Telefon-CD-Herausgeber anbieten, zu einer Telefonnummer die gewünschte Person herauszufinden.'
Es paßt ins dubiose Bild der Abzock/Stop-Aktion, das wenige Tage später die Website nicht mehr aufrufbar war.
Handlungsbedarf bei Mobil-Anbietern und dem Gesetzgeber
Hans G. Zeger: 'Im Sinne einer sinnvollen und möglichst technologieunabhängigen Regulierung ist der Gesetzgeber gefordert, nur wirklich zentrale Punkte zu regeln und Detailregelungen zu vermeiden. In diesem Sinn könnte die Mißbrauchsbestimmung auf unverlangt verschickte Nachrichten, die irreführend oder unklar sind, ausgeweitet werden.'
Für Kosten, die durch derartige Zusendungen anfallen, etwa weil auf die Mehrwertnummer geantwortet wurde, muß ein Rückforderungsrecht und ein Schadenersatzrecht für entstandenen Zeitaufwand und Ärger geschaffen werden. Dies sollte in erster Linie den Anbieter der Mehrwertnummer treffen.
Hans G. Zeger: 'Dieser Kreis von Cyberpiraten ist jedoch oft nach kürzester Zeit nicht mehr greifbar und Rückforderungen gehen ins Leere. Es muß daher auch die Möglichkeit bestehen, die Kosten einer Mehrwertnummer vom technischen Betreiber der Einrichtung rückzufordern und auch vom eigenen Telefondienstanbieter, der das Inkasso durchgeführt hat.'
Diese Regelung ist auch deswegen sinnvoll, da immer mehr Telekom-Betreiber in den Bereich MicroPayment und NewPayment einsteigen und zu Inkassobüros für seriöse und unseriöse Unternehmen werden. Eine Prüfpflicht, wie Kosten und Abrechnungen zustande gekommen sind, ist zum Schutz der Konsumenten notwendig.
Für seriöse Telekom-Anbieter ist durch diese Bestimmungen kein Schaden zu erwarten, da sie ja am Regressweg diese Kosten wieder von jener Stelle zurückfordern können, an die sie die Zahlungen getätigt haben.
Mobilkom-Anbieter vernachlässigen PRIVACY-Services
Analog zur Möglichkeit, nicht ins Telefonbuch eingetragen zu werden, sollten auch Möglichkeiten geschaffen werden, bestimmte Dienste im Mobil-Bereich kostenfrei auszuschalten.
Hans G. Zeger: 'Es wäre für die Mobilkom-Betreiber ein Leichtes die Unterdrückung von SMS- oder Sprachbox-Diensten anzubieten. Ein Kunde könnte sich dann zeitweilig oder auf Dauer in einer Liste eintragen, die die Zustellung derartiger Nachrichten unterbindet.'
Es wäre sogar denkbar, erweiterte Servicedienste anzubieten, die es ermöglichen die Zustellung von Nachrichten auf bestimmte Themen- und Personenkreise einzustellen.
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