2009/08/18 Dürfen Umbauten eines Vermieters, die Privatsphäre von Mietern beeinträchtigen? Mag. jur. Michael Krenn
Wird die Wohnqualität und Privatsphäre von Mietern durch Umgestaltung anderer Liegenschaften unverhältnismäßig eingeschränkt, so kann gerichtlich vorgegangen werden. Gehört das umzubauende Objekt dem gleichen Vermieter hat dieser Entschädigung zu leisten. Ist es jedoch im Eigentum Dritter, so ist der Vermieter anzuhalten Einspruch gegen die geplanten Vorhaben zu erheben.
Die Ausgangslage ist aus zahlreichen Streitigkeiten bekannt: Durch die Neugestaltung (Bebauung, Vergrößerung oder Erhöhung von bestehenden Bauten, etc.) von Liegenschaften fühlen sich Mieter oftmals belästigt und in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt. Solche Änderungen können allerdings nicht nur lästig sein, sondern auch erhebliche Störungen der Privatsphäre mit sich bringen, etwa wenn durch eine Neugestaltung ungehinderte Sicht in eine bestehende Wohnung geschaffen wird. Anlässlich einer aktuellen Entscheidung des OGH (5Ob257/08t) ein kurzer Überblick.
Anlassfall
Im vorliegenden Fall war der Ausbau eines bisher unbenützten Hofgebäudes des Mietgegenstandes zu Büro- und Wohnzwecken mit Anbringung von Fenstern in 8,5 m Entfernung zur ebenerdigen Wohnung einer Mieterin geplant. Womit zwar keine Lichtbeeinträchtigung, jedoch eine teilweise Einsehbarkeit der Wohnräume, vor allem bei deren Beleuchtung, verbunden gewesen wäre. Die Vorinstanzen hatten das Interesse der Vermieterin, Mietzinseinnahmen durch die Umgestaltung des Hofgebäudes zu erzielen, gegen das Interesse der Mieterin, ihre Wohnräume uneinsehbar zu halten (bisher wies das in 7 m Entfernung zur Wohnung der Antragstellerin befindliche Hofgebäude keine Fenster auf), gegeneinander abgewogen und wegen der leicht möglichen und durchaus üblichen Anbringung eines Sichtschutzes an den Fenstern der Antragstellerin deren wesentliche Beeinträchtigung verneint. Auch durch den OGH wurde dieser Auffassung gefolgt.
Die vom Gericht zweiter Instanz vorgenommene Beurteilung, der Antragstellerin sei es durchaus zuzumuten, ihre Privatsphäre durch Anbringung von Vorhängen oder sonstigem Sichtschutz zu wahren, stellt nach Auffassung des Höchstgerichts eine rechtlich richtige Beurteilung dar.
Rechtslage
Obgleich im Anlassfall das Höchstgericht im Endeffekt ein überwiegendes Interesse des Schutzes der Privatsphäre der betroffenen Mieterin verneint hat, bringt die Entscheidung insoferne auch positive Resultate mit sich, als ein grundsätzlicher Anspruch des Mieters auf Schutz der Privatsphäre im Zuge von Umbauplanungen anerkannt wird.
Gemäß § 8 Abs 2 Mietrechtsgesetztes (MRG) hat ein Mieter die Veränderung seines Mietgegenstandes zuzulassen, wenn ein solcher Eingriff zur Durchführung von Veränderungen in einem anderen Mietgegenstand notwendig, zweckmäßig und bei billiger Abwägung aller Interessen auch zumutbar ist. Die Zumutbarkeit ist grundsätzlich dann anzunehmen, wenn die Veränderung keine wesentliche oder dauernde Beeinträchtigung des Mietrechts zur Folge hat. Verbesserungs-, Änderungs- und Errichtungsarbeiten, die ein Mieter zuzulassen hat, sind grundsätzlich so durchzuführen, dass eine möglichste Schonung des Mietrechts des betroffenen Mieters gewährleistet ist. Ausserdem hat der Vermieter den Mieter für wesentliche Beeinträchtigungen angemessen zu entschädigen. Bislang war daher aufgrund gesetzlicher Bestimmungen und bestehender Rechtsprechung klar, dass die Interessen bestehender Mieter, die von Umbauten bestehender Gebäude beeinträchtigt werden, mit zu berücksichtigen sind.
Trotz abschlägiger Entscheidung bringt die besprochene Erkenntnis allerdings zwei interessante Details: Einerseits wird schon die Nutzung bzw. der Zubau eines weiteren Gebäudes als "Veränderung am Mietgegenstand" qualifiziert, was insofern nicht selbstverständlich ist, da die Arbeiten ja nicht am betroffenen Mietgegenstand selbst stattfinden. Es reicht also aus, wenn der Mieter durch die Veränderung betroffen ist. Weiters wurde das Recht auf Privatsphäre als Umstand bewertet, bei dem auch die Zumutbarkeit für bestehende Mieter zu berücksichtigen ist.
Bewertung
Zumindest in Fällen, in welchen zur Ausgangslage eine ruhige, unbeeinträchtigte Wohnung gemietet wurde, der Vermieter aber eine Mehrnutzung des Gebäudes anstrebt, welche die Privatsphäre bestehender Mieter unverhältnismäßig einschränkt könnten (unter Berufung auf den Schutz der Privatsphäre) hinkünftig gerichtliche Schritte zur Verhinderung derartiger Änderungen durchaus erfolgreich sein. Dem Mieter, der sich durch Veränderungen am Mietgegenstand in seiner Privatsphäre beeinträchtigt sieht, wird damit ein durchaus interessantes Instrumentarium gewährt. In Einzelfällen wird man sicherlich auch noch nach Art und Intensität der Beeinträchtigung und Dauer des Mietverhältnisses fragen müssen. Und auch welche Rolle die Ruhe und Nicht-Beeinträchtigung der Wohnung bei Abschluss des Mietvertrages gespielt hat (etwa auch manifestiert durch einen höheren Mietzins, etc.).
Wirkung bei Änderungen auf dem Nachbargrundstück?
Zu bedenken ist, dass es sich bei der betreffenden Regelung um eine Bestimmung des MRGs zwischen Mieter und Vermieter handelt und der betroffene Mieter nur einen Anspruch gegen den jeweiligen Vermieter erwirbt. Nicht anwendbar ist daher das MRG, wenn die Störung der Privatsphäre von einem Dritten ausgeht, etwa Bau auf einem benachbarten Grundstück. Allerdings kann natürlich auch solch eine Maßnahme die "Veränderung eines Mietgegenstandes" mit sich bringen.
Interessant ist die Sache dann, wenn auch das benachbarte Grundstück, auf dem etwa ein Neugebäude errichtet werden soll, das den Mieter beeinträchtigen würde, demselben Vermieter gehört: Auch hier könnte wohl gegen den Vertragspartner des Mietvertrages vorgegangen werden.
Wenn das betreffende Grundstück, auf welchem gebaut werden soll, einem Dritten gehört, ergibt sich eine weitere interessante Konstellation: In den meisten Bauordnungen kommt eine Parteistellung in Bauverfahren betreffend das Nachbargrundstück nur dem Liegenschaftseigentümer und nicht den betroffenen Mietern zu (etwa OGH 1Ob23/87). Stellt eine solche Bebauung eine "Veränderung des Mietgegenstandes" dar, ist zu überlegen, ob der Vermieter nicht dazu angehalten werden kann im Sinne des Mieters seine Parteistellung in dem betreffenden Verfahren zu nutzen, um eine Beeinträchtigung des Mietgegenstandes zu verhindern bzw. für den Fall der Nichtausnutzung der Parteistellung - sofern das Bauprojekt zu verhindern gewesen wäre - Ersatzleistung aufgrund der genannten Bestimmung fordern kann.
Resumee
Fälle, in welchen sich Personen durch Neugestaltungen von Grundstücken und Gebäuden in ihrer Wohnqualität und ihrer Privatsphäre beeinträchtigt sehen, sind häufig. Wenn eine derartige Beeinträchtigung dem eigenen Vermieter zuzurechnen ist und eine unverhältnismäßige Störung der Privatsphäre zur Folge hat, sind rechtliche Schritte jedenfalls nicht aussichtslos.
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