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2007/12/01 Wer nichts zu verbergen hat, ...
Ein dummer Spruch wird nicht besser, wenn er oft wiederholt wird - Politiker die sich hinter diesem Spruch verstecken sind wahre Verfassungsfeinde und dokumentieren bloß, dass sie keine Sachargumente zur Bürgerüberwachung haben - aber wenn's um politische Transparenz gibt ... "privat muss privat bleiben"

Argumente gegen den zugegebenermaßen einfallslosen und populistischen Spruch gibt es zahllose, sie lassen sich im Wesentlichen in mehrere Gruppen teilen.


Verfassungsrechtliche und grundsatzdemokratische Gründe

Wer den Verbergen-Spruch in den Mund nimmt, sollte zuerst die österreichische Verfassung und dann die Menschenrechtskonvention Art. 8 lesen. Kann auch in umgekehrter Reihenfolge sein. Hier wird die Achtung des Privatlebens als Grundpfeiler der Demokratie und der Menschenrechte definiert. Nur ein Staat, der seiner Bevölkerung ungestörtes Privatleben garantieren kann, kann damit rechnen, dass seine Bürger auch an der wirtschaftlichen und politischen Weiterentwicklung des Staates interessiert sind.

Wem außer diesem Spruch kein guter Grund zur Überwachung einfällt, greift direkt die Grundlagen des Staates an und dokumentiert auch, dass es ihm um Bürgerkontrolle und -überwachung geht und nicht um Kriminalitätsbekämpfung. Im Falle der Kriminalitätsbekämpfung könnte man sich ansonsten sehr wohl auf die Diskussion der Sinnhaftigkeit, die Zweckmäßigkeit und auch der Angemessenheit einer Maßnahme einlassen. Der Spruch dokumentiert bloß, dass man mit den Sachargumenten am Ende ist.


Politische Gründe

Wer den Spruch "Wer nichts zu verbergen hat, muss sich vor Überwachung nicht fürchten" in den Mund nimmt, fordert Identifikation und Unterwerfung und das total. In Wirklichkeit handelt es sich um einen Spruch der Sklavenhalter. "NICHTS zu verbergen" heißt, "ALLES offen zu legen". Der Überwachte hat sich vollständig mit den Zielen des Überwachers zu identifizieren, egal um welche Ziele es sich handelt, eigene Interessen haben völlig in den Hintergrund zu treten. Er hat nicht einmal das Recht die Ziele zu hinterfragen, sie zu relativieren oder andere Lösungen zum Erreichen der Ziele einzufordern oder vorzuschlagen. Nicht der Bürger  definiert seine Individualität, sondern der Überwacher definiert dessen Rolle, weist ihn seinen Platz zu, identifiziert er sich mit dieser Rolle, erhält er als Belohnung ein erhöhtes subjektives Sicherheitsgefühl, er darf sich als Teil der Gemeinschaft fühlen. Mangelt es an Identifikation, dann ist er Außenseiter, suspekt, eine Person die andere Prioritäten als der Überwacher hat. Ein Volksschädling, nicht weil er Illegales getan hätte, sondern weil er die Allmacht der Überwacher in Frage stellt, weil er Alternativen einfordert.


Individuelle Gründe

Warum verbergen genau jene Politiker, die bloß diesen dummen Spruch klopfen, ihr Einkommen, ihre außerparlamentarischen Tätigkeiten, ihre Seilschaften und sozialen Netzwerke? Ihre physische und psychische Konstitution? Ihre sexuellen Aktivitäten und Leidenschaften? Was haben sie zu verbergen?
Immerhin lassen sich aus diesen Daten wichtige Informationen über die körperliche Fitness der Politiker, ihre geistige Eignung zum Amt, ihre Unabhängigkeit und auch ihre persönlichen und institutionellen Verpflichtungen ableiten. Auch der Einklang oder auch der mögliche Zwiespalt zwischen "politischen" Forderungen und persönlicher Lebensführung kann auf diesem Weg erkannt werden. Viele politische Scheindebatten würden rasch sachlich werden, könnte man nachvollziehen, auf Grund welcher individueller Position ein Politiker agiert. Warum werden diese Daten trotzdem nicht offen gelegt?


Historische Erfahrungen

Das letzte Regime in Österreich, dass den Volksgenossen schulterklopfend nahelegte, doch nicht in die Wahlzelle zu gehen, man habe ja nichts zu verbergen, war das NS-Regime. Es ist schwer nachvollziehbar, warum manche Politiker sich genau dieses Regime zum Vorbild nehmen. Sehnsucht nach autoritärer Kontrolle? Oder bloß persönliche Menschenverachtung?


Pragmatische und beweistechnische Gründe

Das Argument ist schon aus praktischen Gründen bloßer Unsinn. Gerade die, "die etwas zu verbergen haben", die wissen das auch und sie können das bei technischen Überwachungsmaßnahmen leicht. Diese Überwachungsmaßnahmen können leicht unterlaufen, teilweise sogar zugunsten eines Kriminellen genutzt werden. Stichwort: Banken und Videoüberwachung: Warum steigt die Zahl der Überfälle, sinkt die Aufklärungsquote, trotz hundert Prozent Videoüberwachung der Filialen?

Technische Aufzeichnungen genießen bei Gerichten hohe Beweiskraft. Werden sehr viele Aufzeichnungen gemacht und diese sehr lange aufbewahrt, dann sind Fehler und Missinterpretationen geradezu unausweichlich. Auch Manipulationen an den Aufzeichnungen sind möglich. Es kann dann für einen Beschuldigten oft sehr schwierig bis unmöglich werden, zu lange zurückliegenden Ereignissen, mangels eigener Aufzeichnungen - zu denen niemand verpflichtet ist - Gegenbeweise zu erbringen. Es steht dann nur seine Aussage gegen scheinbar objektive Fakten. Im Ergebnis bedeuten Massenaufzeichnungen und Vorratsdatenspeicherungen eine Umkehrung der Unschuldsvermutung, der Staat muss einem einzelnen nicht mehr eine bestimmte Tat beweisen, sondern der Einzelne muss beweisen, dass er, trotz bestimmter Rahmendaten, nicht der Schuldige ist.


Verbergen als Politiker-Maxime

Von jenen Politikern, die "nichts zu verbergen haben", übernimmt die ARGE DATEN gern treuhändisch ihre Daten und hilft bei der Vermarktung durch Datenhändler.

Wenn's um die Offenlegung ihrer wirtschaftlichen und politischen Abhängigkeiten geht, sind Politiker um keinen schnellen Spruch verlegen. Und so wird aus dem Transparenzgebot der Nationalräte, offen zu legen wo die Abgeordneten tatsächlich ihr Kräfte investieren, auf welchen Gehaltslisten sie stehen und welche Unternehmen und Organisationen sie beraten, rasch der flotte Spruch "privat muss privat bleiben". Copyright Nationalrat und Bauernbündler Grillitsch.

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