Verwaltung 2.0 - Mit 1. April startet zentrales Staatsbürgerschafts- und Personenstandsregister
Leider kein Aprilscherz, neues Register erlaubt neue Einblicke in Lebensführung der Bürger - Rasterfahnung nach Homosexuellen-Paare möglich - Familiennetzwerke können ausgespäht werden - Schrankenloser Datenzugriff für Sicherheitsbehörden - Inhalt der neuen Register - Änderung für Bürger
Big Data auf österreichisch
"Österreich ist ein Land mit Registerwahn" (O-Ton Richter Jesionek). Mit dem zentralen Staatsbürgerschafts- und Personenstandsregister (ZSR, ZPR) wurden neue Register geschaffen. In Zukunft heißt es, von der Wiege bis zur Bahre - Daten, Daten und noch mehr Daten. Neben den Meldedaten werden zukünftig Staatsbürgerschaftsdaten sowie sämtliche Daten zu Personenständen wie Geburt, Ehe & Partnerschaft oder Tod in zentralen Datenbanken verwaltet.
Rasterfahnung nach Homosexuellen-Paare möglich
Geburt, Personenstand, Geschlecht, Partnerschaft, Eltern und Kinder, Herkunft und Staatsbürgerschaft, das sind doch harmlose Daten wird der naive Bürger argumentieren. "Ich habe ja nichts zu verbergen."
Im Zeitalter von Big Data ist jedoch Verknüpfung und Interpretation der Daten das Problem. Besonders kritisch ist der unbeschränkte Zugriff der Sicherheitsbehörden auf die Daten von ZSR und ZPR. Die gezielte Suche nach homosexuellen Paaren ist möglich. "Vergessen" wurden Bestimmungen um die Daten vor missbräuchlichen Auswertungen und Verknüpfungen schützen.
Auch die Analyse von Migrationskarrieren und Wanderbewegungen werden vereinfacht, auf Knopfdruck können ganze Familiennetzwerke erstellt werden. Ein besonderes Problem bei Patchworkfamilien oder Personen mit mehrfachen Scheidungen. Endlose Spekulationen über Scheinehen, Zwangsehen, Sozialmissbrauch und weltanschauliche Einstellungen werden möglich.
Welche Daten werden erfasst?
Das Personenstandsregister wird neben allgemeinen Daten einer Person wie Name, Geburts- bzw. Sterbedatum, Geschlecht und Familienstand, Daten über deren Personenstände enthalten. Bei der Geburt sind dies Daten über die Eltern. Bei einer Eheschließung oder der Begründung einer eingetragenen Partnerschaft Daten über den jeweiligen Partner.
Wer ist für die Daten verantwortlich?
Datenschutzrechtlich für die Daten verantwortlich sind für Staatsbürgerschaftsdaten die Gemeinden, für Personenstandsdaten die Personenstandsbehörden - also die Standesämter bzw. für die Begründung einer eingetragenen Partnerschaft die Bezirksverwaltungsbehörden von Gemeinden.
In beiden Fällen werden die Daten in einem eigenen Informationsverbundsystem also einer gemeinsamen Datenbank auf die sämtliche Datenverarbeiter Zugriff haben verarbeitet. Weitere Informationen zu Informationsverbundsystemen befinden sich in dem Artikel "Was ist ein Informationsverbundsystem?" (http://www.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGEDA...).
Wer betreibt die neuen Zentralen Register?
Genau wie das Zentrale Melderegister werden auch das Zentrale Staatsbürgerschaftsregister und das Zentrale Personenstandsregister technisch durch das Bundesministerium für Inneres (BMI) betrieben. Gleichzeitig übernimmt das BMI, als Dienstleister, die Aufgabe, die Qualität der, ins ZSR bzw. ZPR eingespeisten, Daten sicherzustellen.
Wie erfolgt der Zugriff auf die gespeicherten Daten?
Grundsätzlich sollen die Register nach dem Namen einer Person durchsucht werden können. Justiz und Sicherheitsbehörden können die Register aber beliebig durchsuchen.
Wie gestaltet sich die Einsicht für Betroffene?
Betroffenen sollen im Normalfall formlose, amtssignierte Ausdrucke ihrer Daten zur Verfügung gestellt werden. Auf besonderen Wunsch, kann daneben die Ausstellung von förmlichen Urkunden verlangt werden.
Obwohl Behörden zukünftig, zur Besorgung ihrer Aufgaben, ausschließlich auf die Registerdaten zugreifen sollen, werden die altbekannten Urkunden somit nicht vollständig verschwinden. Gegebenenfalls werden aktuelle Urkunden auch zur Nacherfassung von Daten benötigt.
Formlose, amtssignierte Staatsbürgerschaftsnachweise können zukünftig, unter Verwendung der Bürgerkarte, per Internet beantragt und selbst ausgedruckt werden.
Für das Personenstandsregister besteht die Möglichkeit einen Teil bzw. Gesamtauszug der zur jeweiligen Person gespeicherten Daten zu verlangen. Dies wird ebenfalls unter Verwendung der Bürgerkarte per Internet möglich sein. Personenstandsurkunden können aber nicht über das Internet ausgedruckt werden.
Ab wann wird auf die Register umgestellt?
Ab 1. April 2013 wird damit begonnen die Register mit Echtdaten zu füllen. Der vollständige Betrieb beginnt ab 1. November 2013.
Wo wurde nachgebessert?
Mitten in Sommer 2012 schickte das Bundesministerium für Inneres einen Gesetzesentwurf über die Einrichtung eines Zentralen Staatsbürgerschaftsregisters (ZSR) sowie eines zentralen Personenstandsregisters (ZPR) in Begutachtung. Die ARGE DATEN berichtete (http://www.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGEDA...) und lieferte eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen (http://ftp.freenet.at/privacy/gesetze/stellungnahme-personens...). Anfang des Jahres wurden die Gesetze beschlossen und einige der Verbesserungsvorschläge der ARGE DATEN aufgegriffen.
Im ursprünglichen Gesetzesentwurf war vorgesehen, dass Vorfahren und Nachkommen sich beliebig Personenstandsurkunden ihrer Verwandten ausstellen lassen können. Ein datenschutzrechtliches Problem. Dadurch wäre es Eltern, Großeltern oder Enkeln jederzeit möglich gewesen sich zu informieren ob ihre Verwandten eine eingetragene Partnerschaft eingegangen sind. Ein Problem auf das die ARGE DATEN in ihrer Stellungnahme hingewiesen hat. Dieses wurde beseitigt, sodass ausschließlich Personen deren eigener Personenstand berührt wird Einblick in die betreffenden Eintragungen nehmen können.
Ebenfalls erfreulich ist, dass dem Vorschlag der ARGE DATEN gefolgt wurde, formlose Personenstandsurkunden, zum Nachweis ihrer Echtheit, mit einer Amtssignatur zu versehen. Förmliche, schöne Urkunden, aber nicht mit einer Amtssignatur verunstaltet werden.
Fazit und Ausblick
Durch den Betrieb von zentralen Registern wird es künftig möglich sein unabhängig vom Wohnsitz mit jeder Staatsbürgerschafts- oder Personenstandsbehörde in Kontakt zu treten. Diese Verwaltungsvereinfachung ist zu begrüßen, dennoch besteht Nachbesserungsbedarf.
Die unbeschränkten Such- und Verknüpfungsmöglichkeiten müssen beseitigt werden. Warum ausschließlich Staatsbürgerschaftsnachweise, nicht aber Geburts-, Heirats- oder Partnerschaftsurkunden per Internet selbst ausgedruckt werden können, ist nicht nachvollziehbar. Hier besteht weiterer Handlungsbedarf. Dass bei eGovernment weiterhin auf die Verwendung der Bürgerkarte gesetzt wird, ist bei deren geringen Verbreitung unverständlich. Ein Zugang über ein Bürgerportal, am Beispiel von FinanzOnline, würde deutlich mehr Menschen den Zugang zu den neuen eGovernment-Lösungen eröffnen.
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