Österreichs Generalinventur - Gefahr der Rasterfahndung durch Volkszählung
Einige "Volkszähler" bei Gesetzen und Grundrechten nicht sattelfest - erste Ermittlungsergebnisse der Datenschutzkommission (DSK) zeigen Ungereimtheiten - zahlreiche Datenlieferanten haben offenbar auf Datenschutzbestimmungen "vergessen" - Landesregierungen zeigen sich planlos - Volkszählungsgesetz erlaubt willkürliche Interpretationen - Volkszählung jetzt aussetzen und alle Grundrechtsmängel beseitigen
Einige "Volkszähler" bei Gesetz und Grundrechten nicht sattelfest
Die Volkszählung 2011 wird auf Basis des Registerzählungsgesetzes nicht mehr als Bevölkerungsbefragung durchgeführt, sondern zahllose Datenbestände der Bundesländer, des Innenministeriums, der Sozialversicherungen, des AMS und des Finanzministeriums werden personenbezogen zusammen geführt. Etwa 5000 Behörden sind an der Schaffung dieses Datenverbundes beteiligt.
Ergebnis dieses größten Datenbankprojekts der Republik Österreich (inkl. aller vorangehender Regime) ist ein gigantisches, personenbezogenes Basisregister über die wichtigsten Lebensäußerungen aller BürgerInnen. Zusammengeführt werden unter anderem Sozialhilfedaten, Bildungs- und Beschäftigungsdaten, Personenstandsdaten, Nationalität, Alter und Geschlecht. Dieses Personenregister soll auch nach Abschluss der Volkszählung für weitere Verwendungen personenbezogen erhalten bleiben.
Bei der Umsetzung des Gesetzes zeigt sich jedoch, dass für die teilnehmenden Einrichtungen überhaupt nicht klar erkennbar ist, welche Daten tatsächlich an wen weitergegeben werden dürfen, welche Auswertungen erfolgen werden und welche Daten selbst zu speichern sind.
Einige Stellen glauben - fälschlicherweise - sogar, nur anonyme Daten zu liefern, obwohl sie alle Datensätze mit Personenkennzeichen versehen müssen.
Statistik Austria steuert Datenlieferung
Im Ergebnis berufen sich die Verantwortlichen der Länder und Ministerien, man werde das liefern, was die Statistik Austria verlangt. Frei nach dem Motto: "Wenn schon wir das Gesetz nicht interpretieren können, wird es hoffentlich die Statistik Austria können."
Erschütternde Ermittlungsergebnise der DSK
Auf Grund der hohen Unbestimmtheit des Registerzählungsgesetzes wurde im Oktober Beschwerde bei der Datenschutzkommission einbracht. Ziel der Beschwerde ist es die Volkszählung zumindest solange zu stoppen, bis alle rechtlichen Ungereimtheiten beseitigt sind.
Nun liegen die ersten Stellungnahmen der betroffenen Einrichtungen vor. Besonders in der Frage des Personenkennzeichens und deren Herstellung offenbaren sich erhebliche Missinterpretationen der Behörden. Besonders ahnungslos zeigte sich etwa der Hauptverband der Sozialversicherungsträger, der nicht einmal die Erzeugung der Personenkennzeichen (pbKs) korrekt interpretiert und die personenbezogne Datenübermittlung bestreitet.
Datenlieferanten haben auf Datenschutzbestimmungen "vergessen"
Wie eine Recherche der wichtigsten Datenlieferanten (Ministerien und Länder) ergab, haben diese auf die Datenschutzmeldung der Volkszählung schlicht "vergessen". Das Datenschutzgesetz verlangt vor Beginn einer Datenverarbeitung diese zu melden. Dies gilt selbstverständlich auch für die Übermittlung von Personendaten im Zuge der Volkszählung. Es handelt sich dabei um eine neue und damit meldepflichtige Datenverwendung. Eine Missachtung der Meldung ist nach dem DSG 2000 zu bestrafen.
Auch die gesetzliche Verpflichtung zur Volkszählung enthebt nicht von einer Datenschutzmeldung. Die Datenschutzmeldung erlaubt es der Datenschutzkommission die Gesetzmäßigkeit zu prüfen, diese Prüfung wollten sich offenbar zahlreiche Einrichtungen ersparen.
DVR 0000051 Innenministerium -> Fehlanzeige! Keine Meldung zur Registerzählung
DVR 0000159 Verteidigungsministerium -> Fehlanzeige! Keine Meldung zur Registerzählung
DVR 0024279 Hauptverband Sozialversicherungsträger -> Fehlanzeige! Keine Meldung zur Registerzählung
DVR 0000078 Finanzministerium -> Fehlanzeige! Keine Meldung zur Registerzählung
Die Liste ließe sich noch beliebig fortsetzen, sind doch alle Sozialversicherungen, alle Landesregierungen, Finanzämter, Dienstbehörden von Ländern und Bund usw von der Registerzählung direkt betroffen. In Summe bis zu 2000 Behörden haben ihre Registrierungsverpflichtungen nicht oder unzureichend erfüllt.
Gerade die AMS Bundesstelle hat die Grunderfordernisse des Datenschutzes erfüllt und 2006 die Registerzählung gemeldet (DVR 0783307, http://ftp.freenet.at/pla/ams-dvr-0783307-013-registerzaehlun...).
Landesregierungen zeigen sich planlos
In einem Schreiben wurden Ende Oktober die neun Landesregierungen aufgefordert zur Volkszählung und den verfassungsrechtlichen Bedenken Stellung zu nehmen. Ein Monat später liegen die Stellungnahmen von immerhin vier Landesregierungen vor.
Niederösterreich, Kärnten und Oberösterreich hatten sich offensichtlich im Dschungel des Registerzählungsgesetzes völlig verirrt und zeigten sich uninformiert. Sie sprechen - fälschlicherweise - von einer anonymen Datenübermittlung. Den Vogel schoß Kärnten ab, das im selben Satz von der "anonymen" Übermittlung von Datensätzen mit Personenkennzeichen spricht. Selbst Datenschutzlaien muss der Widerspruch auffallen.
Datenschutzbasisschulung ist für diese Landesbehörden jedenfalls überfällig!
Einzig Wien hatte erkannt, dass sie personenbezogene Daten übermitteln, eine Meldung der Verarbeitung bei der Datenschutzkommission erfolgte trotzdem nicht.
Verfassungskonforme Anwendung des Registerzählungsgesetzes nicht möglich
Schon 2005 schwärmte die Bundesregierung in der Regierungsvorlage zum Registerzählungsgesetz vom Inventurcharakter dieser "Zählung": "Gleichzeitig mit Volkszählungen werden in einer Art Inventur die Grunddaten über die Bevölkerung (Erwerbsstatuts, Ausbildungsstand, Familiensituation) sowie die Wohnsituation, die Arbeitstätten und die Gebäude- und Wohnungssubstanz eines Landes erhoben und ausgewertet."
Ziel des Megaprojekts ist eine Art Vorratsspeicherung zur Lebensführung aller BürgerInnen einzuführen. Dazu wurden zahllose Bestimmungen des Registerzählungsgesetzes so unklar formuliert, dass zur Datenverwendung, der Datenübermittlung und der Identitätsfeststellung der Personen jede Einrichtung hineininterpretieren kann, was sie will.
Damit widerspricht das Gesetz zahlreichen Datenschutzgrundsätzen. Diese verlangen Datensparsamkeit (nur die allernotwendigsten Daten um ein Ziel zu erreichen dürfen gesammelt werden) und strenge Zweckbindung (schon vor Sammlung von Daten muss deren Verwendung vollständig bestimmt werden).
Weiters werden rechtstechnische Grundsätze wie Transparenz und Bestimmtheit missachtet. Das System der Datenübermittlungen, der Datenkontrolle, der Rückmeldungen von Daten und und der Speicherfristen ist so unklar, dass es weder die ausführenden Stellen, noch die betroffenen BürgerInnen ausreichend bestimmt nachvollziehen kann. Damit ist willkürlichen Interpretationen Tür und Tor geöffnet.
Die Registerzählung ist somit sofort zu stoppen und bisher gesammelte Daten zu löschen.
Der Gesetzgeber ist aufgefordert den Registerzählungspfusch umgehend zu sanieren.
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