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2009/07/20 Datenschutz-Novelle 2010 - vieles bleibt ungelöst
Nach umfassender Kritik legt Bundeskanzleramt neuen Entwurf zum Datenschutzgesetz vor - Verbesserungsvorschläge der ARGE DATEN berücksichtigt - Entfall des Datenschutzbeauftragten offenbar kurzsichtige Klientelpolitik - in vielen Bereichen jedoch noch zu wenig Bürgerschutz - Bürger und Betriebe sind aufgerufen Stellungnahmen abzugeben

Neuer Entwurf zum Datenschutzgesetz erschienen

Nachdem der erste Entwurf zur Änderung des Datenschutzgesetzes 2008 arg kritisiert wurde (rund 90 Stellungnahmen) und letztlich den vorzeitigen Neuwahlen zum Opfer fiel, hat das Bundeskanzleramt jetzt einen neuen, verbesserten Entwurf vorgelegt.

In den nächsten Wochen können Bürger und Unternehmen dazu Stellung nehmen. Die ARGE DATEN hat den Entwurf (http://ftp.freenet.at/privacy/gesetze/dsg-novelle-2010-entwur...) ausführlich analysiert und eine detaillierte Stellungnahme abgegeben.


Verbesserungsvorschläge der ARGE DATEN berücksichtigt

Erfreulich sind einige Verbesserungsvorschläge, die offenbar auf die Initiativen der ARGE DATEN zurückgehen. Unter anderem wurden die Anwendungsvoraussetzungen der Videoüberwachung stark eingeschränkt und die Mitarbeiterkontrolle mittels Videoüberwachung ausdrücklich verboten. Die Kennzeichnungspflicht von Videoüberwachung wurde ebenfalls verbessert.

Eine neu geschaffene Informationspflicht der Betroffenen bei Datenschutzverletzungen soll die Schutzrechte der Betroffenen stärken, eine langjährige Forderung der ARGE DATEN. Auch bei der Klärung der gerichtlichen Zuständigkeiten gibt es Verbesserungen.

Erhöht werden sollen auch die Strafsätze bei Datenschutzverletzungen. Damit erfolgte zumindest eine teilweise Anpassung an die üblichen Strafsätze bei gewerblichen Verwaltungsüebrtretungen.


Entfall des betrieblichen Datenschutzbeauftragten

Problematisch ist die geplante Streichung des betrieblichen Datenschutzbeauftragten. Entgegen dem Entwurf aus 2008 fehlt der geplante betriebliche Datenschutzbeauftragte wieder. Offenbar hat sich hier eine kleine Lobby-Gruppe mit einer kurzsichtigen Klientelpolitik durchgesetzt.

Alle Unternehmen denen ein ordentlicher Schutz der Grundrechte ihrer Kunden und Mitarbeiter ein Anliegen ist, hatten zuletzt die Einführung eines Datenschutzbeauftragten begrüßt. Eine Vielzahl von Unternehmen setzen schon jetzt einen Datenschutzbeauftragten ein. Die Regelung hätte Rechtssicherheit bei der Tätigkeit geschaffen und die Durchsetzung der Grundrechte der Betroffenen erleichtert. Der ARGE DATEN liegen zahlreiche Rückmeldungen von Unternehmen vor, die diese Regelung positiv bewerten.

Die ARGE DATEN fordert daher, dass der betriebliche Datenschutzbeauftragte wieder in die Novelle aufgenommen wird.


In vielen Bereichen noch zu wenig Rechtsschutz

Trotz einiger Verbesserung bleibt die Liste der nicht gelösten Datenschutzprobleme lang.

So wird nicht auf die neuen technischen Entwicklungen eingegangen, wie der RFID-Einsatz, jene Funkchips, die eine unbemerkte Bürgerüberwachung ermöglichen. Auch auf die spezifischen Datenschutzprobleme des Web2.0-Internets, der Social Communities, der Personenortung und der Ausbeutung biometrischer Spuren wird nicht eingegangen.

Unberücksichtigt blieben bisher auch die Forderungen der ARGE DATEN, nach Beweisverwertungsverboten von rechtswidrig beschafften Daten vor Gerichten und Verwaltungsbehörden und nach der Möglichkeit von Verbandsklagen bei schweren Datenschutzverletzungen.

Weiterhin ungelöst ist auch die Schaffung einer unabhängigen Aufsichtsstelle, wie sie die EU-Richtlinie fordert. Die derzeitige Datenschutzkommission erfüllt diese Anforderungen nicht.

Eine detaillierte Aufstellung aller Kritikpunkte findet sich in der umfangreichen Stellungnahme der ARGE DATEN (http://ftp.freenet.at/privacy/gesetze/dsg-novelle-2010.doc).


Wachsendes Scoring-Problem

Ein Sonderkapitel stellt die besorgniserregende Ausweitung von Scoring-Verfahren dar. Scoringsysteme verwerten soziale, soziographische und demoskopische Daten einer Person.

So werden "Arbeiter" gegenüber Angestellten automatisch schlechter bewertet, ebenso wenn jemand ledig ist, wenn er Mieter ist, wenn er jung ist, wenn er erst kurz eine Arbeit hat oder auch wenn er schlicht in einer "falschen" Wohngegend wohnt. Statistisch möglicherweise richtige Informationen werden auf individuelle Personen übertragen, unabhängig davon ob diese Person nicht durch ihr individuelles Verhalten eine völlig andere Beurteilung verdient. Damit wird die Individualität von Personen ignoriert, eine klassische, sachlich unbegründete Ungleichbehandlung. Diese Scorings führen zum Ausschluss von bestimmten Leistungen, zu verschlechterten Kredit- und Versicherungskonditionen oder Verhindern die Eröffnung eines Bankkontos.

Scorings stellen einen wesentlichen Eingriff in die persönliche Lebensführung dar, ignorieren sie doch individuelle persönliche Eigenschaften zugunsten allgemeiner Bewertungsraster. Scorings enthalten ein erhebliches Diskriminierungspotential.

Es ist notwendig die bestehenden Scoring-Exzesse so weit wie möglich zurückzudrängen und vorzusehen, dass Unternehmen die Scoringverfahren einsetzen diese Verfahren offenlegen müssen. Soweit Scoringverfahren Voraussetzung oder Grundlage eines Vertragsabschlusses darstellen, sollen sie vor Vertragsabschluss den Interessenten offen gelegt werden müssen.


Bürger und Unternehmen sollten Stellungnahme abgeben

Jeder Bürger hat das Recht im Rahmen der Gesetzesbegutachtung eine Stellungnahme abzugeben. Den Stand zum Begutachtungsverfahren kann man unter http://www.parlament.gv.at/PG/DE/XXIV/ME/ME_00062/pmh.shtml abfragen.

Stellungnahmen können schriftlich, per Fax oder per eMail eingebracht werden und sollten unter Angabe der Geschäftszahl (BKA 810.026/0005-V/3/2009) sowohl an das Bundeskanzleramt, als auch an den Nationalrat gesendet werden:

BUNDESKANZLERAMT (BKA)
Ballhausplatz 2, 1010 Wien
fax: +43 1/53115-2616, v@bka.gv.at, vpost@bka.gv.at, alexander.flendrovsky@bka.gv.at

Parlamentsdirektion - Begutachtungsverfahren
Dr. Karl Renner Ring 3, 1010 Wien
fax: +43.1.40110.2537, begutachtungsverfahren@parlinkom.gv.at

Bei einer schriftlichen Zustellung müssen an den Nationalrat 25 Kopien geschickt werden, per Fax oder eMail reicht eine Kopie.

Die Begutachtungsfrist läuft bis 17. Juni 2009, es ist aber zulässig auch nach Ende der formalen Begutachtungsfrist Stellungnahmen abzugeben. Diese werden von den Abgeordneten noch bis zur Beschlussfassung berücksichtigt. Eine Beschlussfassung vor der Sommerpause ist nicht zu erwarten.

Für die Stellungnahmen bestehen keine Formvorschriften, anonyme Stellungnahmen werden jedoch nicht berücksichtigt. Es kann eine selbst formulierte Stellungnahme abgegeben werden oder auch auf die Stellungnahme der ARGE DATEN verwiesen werden.


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