2009/08/11 VfGH äußert sich kritisch zu öffentlichen Warnlisten Mag. jur. Michael Krenn
VfGH befürwortet Anlegerschutz, kritisiert jedoch gesetzlich nicht geregelte FMA-Veröffentlichung die vor dubiosen Finanzdienstleistern warnt - auch aus Datenschutzgründen - Kritik hat auch Bedeutung bei den Warnlisten "widerspenstiger" Bankkunden - Warnlisten der Banken und Konsumentenkreditevidenz benötigen endlich eine Rechtsgrundlage
Die Skandale in der Finanzbranche sind in aller Munde. In Österreich ist in diesem Zusammenhang auch die Finanzmarktaufsicht FMA, als Prüfungsorgan, immer wieder unter Kritik geraten. Da sie, nach Meinung mancher Bobachter, in einigen Fällen zu spät gegen dubiose Veranlagungsgesellschaften vorgegangen sei. In einem vorliegenden Fall, in welchem die FMA eine Warnung an die Öffentlichkeit gerichtet hatte, ist der VfGH - auch aus Datenschutzgründen - nun zu einer äußerst kritischen Beurteilung öffentlicher Warnlisten gelangt (VfGH G164/08).
Beschwerde gegen "FMA -Warnliste" für Anlagegesellschaften
Gegenstand des vor dem VfGH anhängigen Verfahrens war die Bestimmung des § 4 Abs 7 BWG (Bankenwirtschaftsgesetz). Die Finanzmarktaufsicht (FMA), als zuständige Aufsichtsbehörde, ist dieser Regelung nach berechtigt, durch Kundmachung im Amtsblatt der Wiener Zeitung oder in einem anderen bundesweit verbreiteten Bekanntmachungsblatt darüber zu informieren, dass ein namentlich genanntes Unternehmen zur Durchführung bestimmter Bankgeschäfte nicht berechtigt ist. Hintergrund dieser Regelung sind die komplexen Bestimmungen hinsichtlich der Gewerbeausübung im Finanzbereich. Während die Berechtigung zur Vermögensberatung sehr einfach zu erhalten ist, erfordert eine Bankenkonzession die Erfüllung zahlreicher strenger Auflagen.
Eine von einer derartigen Veröffentlichung betroffene Anlagegesellschaft ("Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA veröffentlicht eine Warnmeldung zu einem unseriösen Anbieter von Finanzdienstleistungen"), welche - nach eigenen Angaben - keinerlei Geschäfte für welche eine Bankenkonzession nötig gewesen wäre durchgeführt hatte, fühlte sich in ihren Rechten verletzt und erhob eine Maßnahmenbeschwerde gegen die Veröffentlichung an den Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS).
In diesem Verfahren wurde der Antrag gestellt, die von der FMA vorgenommenen Informationen und Warnmeldungen für rechtswidrig zu erklären. Diese Beschwerde wurde durch den UVS als unzulässig zurückgewiesen, da eine derartige "Warnmeldung" mangels unmittelbarem Zwang keine Rechtshandlung sei und daher nicht durch eine Beschwerde an den UVS bekämpft werden könne. Gegen diese Zurückweisung wurde Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, welcher ein Gesetzprüfungsverfahren zu der bekämpften Regelung über "Warneinmeldungen" einleitete.
Grundsätzliche Befürwortung von Warnlisten zum Schutz von Anlegern
Der VfGH vertritt die Auffassung, dass Finanzinstitute ihre Tätigkeit in einem Schlüsselbereich ausüben, von dessen Funktionieren weite Teile der Volkswirtschaft abhängig sind. Daher bestehe eine besondere Schutzbedürftigkeit der Sparer und sonstiger Gläubiger von Kreditunternehmungen (zB. VfSlg. 12.098/1989, 12.378/1990, 13.327/1993, 13.471/1993, 13.477/1993).
Demnach bestehen gegen eine Norm wie die des § 4 Abs 7 BWG, die den Zweck verfolgt, durch rasche Information der Öffentlichkeit über rechtswidrige Geschäftspraktiken, Schäden - vor allem bei Anlegern - zu verhindern und das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des gesamten Finanzsektors zu stärken, keine grundsätzlichen Bedenken.
Kritik des VfGH an mangelnder Parteienstellung und fehlendem Rechtsschutz
Der Gerichtshof kritisiert die Regelung in dem Punkt, da sie eine entsprechende Kundmachung zulässt, ohne dass das betroffene Unternehmen die Möglichkeit erhält, die eigene Position darzulegen und den Wahrheitsgehalt der Kundmachung überprüfen zu lassen. Da der Veröffentlichung kein rechtsförmlicher, mit Rechtsmitteln bekämpfbarer Akt (Bescheid oder Verordnung) zugrunde liegt oder nachzufolgen hat und die Berechtigung der Veröffentlichung bzw. der Aufrechterhaltung der "Warnmeldung" auch nicht überprüfbar ist, kommt der VfGH zum Schluss, dass eine solche Bekanntmachung rechtswidrig sei. Auch die Tatsache, dass, sobald eine "Warnmeldung" als grundlos/unberechtigt enttarnt wird, kein Widerruf vorgesehen ist, stört den VfGH.
Da es in Grenzfällen strittig sein kann, ob die von einem Unternehmen beabsichtigte Geschäftstätigkeit einer Konzession nach dem BWG bedarf, ist es nicht ausgeschlossen, dass eine "Warnmeldung" letztlich keine Berechtigung hat. Derartige Informationsakte sind geeignet, in grundrechtlich geschützte Positionen einzugreifen (OGH 1 Ob 54/06g) und müssen daher überprüf- oder bekämpfbar sein, da sie ansonsten dem Rechtsstaatsprinzip widersprechen. Würde der Gesetzgeber eine spezielle Regelung über die amtliche Kundmachung des Fehlens einer bankrechtlichen Konzession für ein namentlich genanntes Unternehmen vorsehen, so würde schon diese Veröffentlichung einen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Sphäre dieses Unternehmens darstellen. Da diese Vorschrift dazu bestimmt wäre, die Geschäftstätigkeit des betroffenen Unternehmens einzuschränken oder ganz zu unterbinden. Bei einer solchen Situation müsste die Rechtsordnung - nach Auffassung des Gerichtshofes - ein den Folgen einer solchen Veröffentlichung angemessenes Instrumentarium bereitstellen, um die Richtigkeit dieser Warnmeldung zu überprüfen und gegebenenfalls negative Folgen beseitigen zu können.
Aus diesen Gründen wurde die entsprechende Bestimmung des Bankenwirtschaftsgesetzes BWG durch den VfGH als verfassungswidrig aufgehoben.
Gesellschaften vor Warnlisten geschützt, Private nicht?
Diese Entscheidung des VfGH erscheint inhaltlich schlüssig. Bei aller Priorität, welche die Warnung von Anlegern vor dubiosen Gesellschaften – gerade in Anbetracht aktueller Vorkommnisse - haben muss, darf auch bei solchen Vorgängen nicht auf den Rechtsstaat vergessen werden. Und wie der VfGH richtig feststellt, ist es gerade bei unterschiedlicher Interpretation von Rechtsnormen besonders kritisch, nicht öffentliche Bloßstellung zu betreiben. Ein rechtsstaatliches Verfahren gehört also her - schön und gut. Ärgerlich ist nur, dass das, wovor jetzt Anlagegesellschaften durch den VfGH geschützt werden sollen (öffentliche Zerstörung des wirtschaftlichen Rufs durch "Warnlisteneintrag"), den Privatkunden von Banken seit Jahren blüht.
Die ARGE DATEN kritisiert seit langem die Politik des Bankensektors hinsichtlich der Eintragung von Konsumenten in die "Warnliste der Banken" sowie die "Konsumentenkreditevidenz" (KKE). Jene Warnlisten, in welchen unbequeme Kreditkunden aufgelistet werden, um ihnen letztendlich jede wirtschaftliche Basis zu entziehen.
Warnlisten des Bankensektors beschränken Anspruch auf rechtmäßige Verfahren
Besondere Kritik kommt diesen Warnlisten insbesondere deshalb zu, da unter Umständen auch eine abweichende Rechtsauffassung des Kreditnehmers über Höhe der Kreditforderung, Zinsen oder den Zeitpunkt der Rückführung schon zu einer "öffentlichen Bloßstellung" und Zerstörung des wirtschaftlichen Rufes führen kann. Dass ein Kunde seinen Kredit nicht vollständig rückführt, ist gar nicht Voraussetzung für einen "Warnlisteneintrag". Es genügt schon ein Kunde, der "dreist" gegen ein Bankinstitut Prozess führt, statt der Forderung zu zahlen nachzukommen. Solch einer hat mit einem Warnlisteneintrag zu rechnen. Sofern der Kunde den Prozess verliert, bleibt der Warnlisteneintrag - auch im Falle letztendlich vollständiger Kredittilgung - bestehen.
Somit entpuppen sich die Warnlisten der Banken und KKE als Instrumentarien innerhalb des Bankensektors vor zahlungsunwilligen Kunden zu warnen und bestehende Kreditnehmer von einer Prozessführung gegen ein Bankinstitut abzuhalten. Ein Kunde wird sich in derartigen Fällen zweimal überlegen, ob er eine strittige Rechtsfrage mit seinem übermächtigen Geschäftspartner "Bank" ausprozessieren will. Da im Falle eines Prozessverlustes, neben allen Kosten, auch noch der vollständige geschäftliche Ruin durch einen Warnlisteneintrag droht. Diese "Strafen" dafür, anderer Rechtsauffassung als die Bank gewesen zu sein sind letztendlich ein klarer Verstoß gegen den Anspruch auf ein rechtmäßiges Verfahren nach Art. 6 MRK. Auch in Anbetracht der nunmehrigen VfGH-Erkenntnis, welche für Warnlisten klare rechtsstaatliche Regelungen verlangt (klares rechtsstaatliches Verfahren, Widerrufsrecht, etc.), scheint die derzeitige Vorgehensweise des Bankensektors mit rechtsstaatlichen Grundsätzen völlig unvereinbar.
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