Datenschutzbehörde  Datenschutz Europa privacy service
 
2003/09/03 Bildungsevidenz - Datenjagd zum Schulanfang
Bildungsdokumentationsgesetz, DSG 2000 § 1, DSG 2000 § 6, DSG 2000 §7
Bildungsevidenzverordnung verschärft Datenjagd auf Schüler - Teilnahme an Schulveranstaltungen soll lebenslang gespeichert werden - Zugriff mittels Sozialversicherungsnummer mindestens bis 75. Lebensjahr möglich - Schule missachtet Privatsphäre von Kindern - BM Gehrer hat Ressort nicht im Griff - Prüfservice zur Sozialversicherungsnummer

Mit Schulbeginn beginnt auch die Erhebung von Schüler- und Schülerinnendaten, die in den meisten Schulen mit Stichtag 1. Oktober durchgeführt wird.

Die Daten werden im ersten Schritt von den Schulen selbst ermittelt und müssen in weiterer Folge sowohl an das Unterrichtsministerium (Zentrale Bildungsevidenz) und an die Statistik Austria übermittelt werden.

Zentraler Kritikpunkt ist dabei die Ermittlung von dubiosen 'Bildungsdaten' und der Sozialversicherungsnummer (die ARGE DATEN berichtete bereits mehrfach) und die lebenslange Aufbewahrung der Daten. Damit bleiben die Daten lebenslang für beliebige Verwendungen verknüpfbar.


Bildungsevidenzverordnung liefert neue Grauslichkeiten

Mit der sogenannten Bildungsevidenzverordnung liegt nun auch der detaillierte Datenkatalog, der über Schüler gesammelt werden soll, auf dem Tisch.

Neben den bekannten Schuldaten, wie Gegenstände, Art des Schulabschlusses, Schulverweise, werden auch Daten, wie Art des Schulunterrichts, Umgangssprache des Schülers, bei Berufsschulen vorzeitige Beendigung des Lehrverhältnisses usw. gespeichert.

Hans G. Zeger, Mitglied des Datenschutzrates: 'Es handelt sich offensichtlich um Entwicklungsdetails von Kindern, die für die weitere Zukunft des Kindes, aber auch für die Bildungsplanung irrelevant sind.'


Kein Ende der Datensammlung

Die Schülerüberwachung erfolgt geradezu zwanghaft. Die Datensammler des Unterrichtsministeriums gehen noch weiter. Jede Teilnahme an Schulveranstaltungen, inkl. deren Dauer und in Anspruch genommene Schulbetreuungen werden lebenslang aufgezeichnet. Auch der Bezug von Schulfreifahrt und Schulbuch wird gespeichert.

Hans G. Zeger: 'Unter diesem Gesichtspunkt gewinnt der Partysager von Frau Bundesminister Gehrer neue Bedeutung. Werden in Zukunft eifrige Besucher von Sportveranstaltungen als Vorbilder der Volksertüchtigung hingestellt oder bloß als eventsüchtige Mitglieder der Spaßgeneration? Wird es in 15 Jahren Studien  zu den Zusammenhängen von Teilnahme an Schulpartys und Kinderzahl geben?'

Was unter 'Schulbetreuung' aufgezeichnet werden soll und welche bildungspolitischen Ziele damit vefolgt werden, konnten Experten des Ministeriums auch nach wiederholten Nachfragen nicht beantworten 'Man habe die Daten und es käme billiger sie aufzuheben, als sie wegzuwerfen'. AUch die Speicherung des Bezugs des Mittagessens wird nicht ausgeschlossen.


Bildungsevidenz endgültig im datenschutzrechtliches Abseits

Zentrale Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit jeder Datenanwendung ist nach dem Datenschutzgesetz, dass ein festgelegter, eindeutiger und rechtmäßiger Zweck vorhanden sein muss. Dieser Zweck ist bei der Ermittlung der Sozialversicherungsnummer im Zusammenhang mit den übrigen Daten nicht erkennbar. Interessant wird diese eindeutige Kennzahl erst durch die Verknüpfungsmöglichkeiten, die sich dadurch ergeben. Auch viele andere Datenbestände, die sehr sensible Daten enthalten, sind mittels der Sozialversicherungsnummer abfragbar. Eine Verknüpfung all dieser Daten wird damit zumindestens technisch ohne weiteres möglich sein.

Die ARGE DATEN wurde bereits in der Vergangenheit immer wieder mit Anfragen besorgter Eltern konfrontiert, die verhindern wollten, dass diese sehr persönlichen Daten ihres Kindes jahrzehntelang gespeichert und in weiterer Folge unter Umständen mit anderen Datenbeständen verknüpft würden.


Können Eltern die Auskunft vorerst verweigern?

Eltern, die diese Datenerfassungen nicht akzeptieren wollen, können eine bescheidmäßige Aufforderung zur Bekanntgabe der Daten (insbesondere der Sozialversicherungsnummer) verlangen.

Die ARGE DATEN stellt dazu einen Musterbrief zur Verfügung. Ein solcher Bescheid wäre Grundlage für weitere rechtliche Schritte.

Hans G. Zeger: 'Liegt eine derartige bescheidmäßige Aufforderung vor, könnte sie beeinsprucht werden und letztlich vor dem Verfassungsgerichtshof und/oder dem EuGH bekämpft werden. Wir sind optimistisch, dass eine Aufhebung dieses Gesetzes auf Grund des überschiessenden Datenumfangs möglich ist.'

Nach allen bisherigen Erfahrungen werden jedoch derartige Bescheide nicht ausgestellt, sondern die Schule vergibt eine Ersatznummer. Vorteil für Schüler und Eltern: Die Bildungsevidenzdaten können in Zukunft nicht mit anderen Datenbeständen, die ebenfalls die Sozialversicherungsnummer verwenden, verknüpft werden.

Hans G. Zeger: "Mittlerweile kennen wir hunderte Fälle, bei denen Eltern/Schüler angegeben haben die Sozialversicherungsnummer zu verweigern bzw. verweigern zu wollen. Weder wurden Bescheide zur Bekanntgabe erlassen, noch wurde gegen die entsprechenden Eltern/Schüler ein - theoretisch mögliches - Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet. Offensichtlich scheut das Unterrichtsministerium die oberstgerichtliche Prüfung des gesamten Bildungsevidenzwesens."


GRG 21 prescht voran

Dem Schulleiter des GRG 21 geht die bürokratisch verordnete Missachtung der Privatsphäre offenbar nicht weit genug. Aufmerksame und empörte Eltern dokumentierten uns, dass zu den 'Erstklasslern' nicht nur Name und Klassenzuteilung öffentlich ausgehängt wurde, sondern auch gleich deren Religionsbekenntnis und die Schülerkennung.

Hans G. Zeger: 'Und so kann jeder Beliebige, der an der Schule vorbeikommt erfahren, dass Max S. römisch-katholischen Bekenntisses ist, Julia P. ohne Benkenntnis, aber Choan Z. buddistischen Glaubens ist.'

Es handelt sich um einen offensichtlichen Bruch der Geheimhaltung persönlicher Daten, besonders erschwert durch die Bekanntgabe des Religionsbekenntnisses, das in der gesamten EU besonderen Schutz genießt. Nur nicht im Bildungsministerium von Frau Gehrer.


ARGE DATEN SERVICE zur Sozialversicherungsnummer

Auf Grund einiger Anfragen haben wir eine Online-Möglichkeit geschaffen die Sozialversicherungsnummern auf formale Richtigkeit zu überprüfen:
http://www2.argedaten.at/static/svnr.html
Zu Demonstrationszwecken kann auch bei einem gegebenen Geburtsdatum eine formal korrekte Sozialversicherungsnummer erzeugt werden. Wem diese gehört weiß freilich nur der Hauptverband der Sozialversicherungsträger.
Im übrigen werden derzeit von Seiten des Unterrichtsministeriums die  Sozialversicherungsnummern nur auf die formale Korrektheit geprüft.


Die angezeigten Informationen und Artikel werden im Rahmen des ARGE DATEN Informationsdienstes kostenlos zur Verfügung gestellt. Alle Angaben sind sorgfältig recherchiert, es wird jedoch für die Richtigkeit keine Gewähr übernommen. Alle Angaben, Aussagen und Daten beziehen sich auf das Datum der Veröffentlichung des Artikels. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass insbesondere Links, auf Websites gemachte Beobachtungen und zu einem Sachverhalt gemachte Aussagen zum Zeitpunkt der Anzeige eines Artikels nicht mehr stimmen müssen. Der Artikel wird ausschließlich aus historischem und/oder archivarischen Interesse angezeigt. Die Nutzung der Informationen ist nur zum persönlichen Gebrauch bestimmt. Dieser Informationsdienst kann professionelle fachliche Beratung nicht ersetzen. Diese wird von der ARGE DATEN im Rahmen ihres Beratungsservice angeboten. Verwendete Logos dienen ausschließlich zur Kennzeichnung der entsprechenden Einrichtung. Die verwendeten Bilder der Website stammen, soweit nicht anders vermerkt von der ARGE DATEN selbst, den in den Artikeln erwähnten Unternehmen, Pixabay, Shutterstock, Pixelio, Aboutpixel oder Flickr.

© ARGE DATEN 2000-2025 Information gemäß DSGVO webmaster