2008/06/10 DSK entscheidet: Telekomunternehmen sind für Bonitätswerte verantwortlich
Telekomunternehmen, die zur Bonitätsbeurteilung einen Wirtschaftsauskunftsdienst heranziehen, sind für dessen Ergebnisse verantwortlich - unglückliche Abgrenzung des Auftraggeber-Dienstleister-Begriffs macht Auskunftsverfahren kompliziert - DSK-Interpretation des Dienstleisterbegriffs offensichtlich missglückt
Die unglückliche Auftraggeber-Dienstleister-Abgrenzung des DSG 2000 führt seit Jahren zu Problemen.
Da ein Auskunftsanspruch nur gegen den Auftraggeber einer Datenverarbeitung zusteht, berufen sich Unternehmen immer öfter darauf, nur Dienstleister zu sein und schicken den Betroffenen weiter. Zum Exzess wird dieses „Verwirrspiel“ von Telekommunikationsunternehmen betrieben, die "scoring"-Werte zur Bonitätsbeurteilung ihrer Kunden verwenden. Die Telekomunternehmen verweisen bei Anfrage über die Bonitätsdaten auf Wirtschaftsauskufntsdienste, diese berufen sich darauf nur Dienstleister der Telekomunternehmen zu sein und verweisen auf die Telekomunternehmen. Diese behaupten gar keine Daten zu haben und ...
Die DSK (K121.339/0007-DSK/2008) übernimmt dieses Spiel und vertritt die bürgerfeindliche Auffassung, dass Wirtschaftsauskunftsdienste für „scoring-Werte“ keine Auskunftspflicht trifft.
Anlassfall
Der Betroffene richtete ein Auskunftsbegehren an ein Unternehmen aus der Telekommunikationsbranche, dies unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die möglichen Datenermittlungen („Datenabfragen“) bei Wirtschaftsauskunftsdiensten.
Zunächst erfolgte keine Reaktion, worauf der Betroffene die Datenschutzkommission einschaltete. Daraufhin erhielt der Betroffene die Auskunft, dass keine personenbezogenen Daten beim Telekomunternehmen gespeichert seien.
Tatsache ist allerdings, dass die Auskunftsgegnerin die Datenbank des Wirtschaftsauskunftsdienstes D. nutzt. Dort werden bonitätsrelevante Daten von potentiellen Kunden verarbeitet und unter anderem auch der genannte "scoring"-Wert erstellt, welcher eine Art zusammenfassende Bonitätsbeurteilung der Personen darstellt.
Die Erstellung dieser Scoring-Werte erfolgt nach den individuellen Vorgaben der jeweiligen Kunden (Telekomunternehmen) des Wirtschaftsauskunftsdienstes.
Verfahren vor der DSK
Im Beschwerdeverfahren vor der DSK wandte das Telekomunternehmen ein, sie führe zwar im Zuge des Aktivierungsprozesses von Kunden eine Bonitätsprüfung bei Kreditschutzverbänden, Kreditinstituten und Auskunfteien durch und übermittle an diese die zur Bestimmung der Person notwendigen Daten. Sollte ein Vertragsabschluss aufgrund negativer Bonitätsauskunft verweigert werden, würden aber entsprechend der Bestimmungen des § 97 Abs 1 TKG 2003 die im Zuge der Anmeldung gespeicherten Daten des Betroffenen gelöscht. Dementsprechend verfüge die Beschwerdegegnerin über keine Daten betreffend den Beschwerdeführer, weshalb die Auskunft vollständig sei.
Entscheidung der DSK
Die DSK stützt ihren Bescheid im wesentlichen darauf, dass die Entscheidung, ob und wie Bonitätsdaten für ein Scoring- System verwendet werden, von den Kunden des Wirtschaftsauskunftsdienstes getroffen würden, daher diese auch Verantwortung für die Art und Weise der Verarbeitung und die Angemessenheit des Systems treffe. Der logische Ablauf des Prozesses müsse so gesehen werden, dass von der Auskunftei alle erforderlichen Daten an das Scoring-System der Beschwerdegegnerin übermittelt würden. Die jeweiligen Unternehmen, die Eigentümer eines Scoring-Systems seien, würden daher zu Auftraggebern im Sinne des Datenschutzgesetzes, damit auch die Beschwerdegegnerin.
Daraus ergebe sich, dass die Bedeutung eines von der Auskunftei als Dienstleister errechneten Scoring-Wertes nicht von ihr, sondern von der Beschwerdegegnerin als Auftraggeber dem Auskunftswerber gemäß § 26 DSG 2000 zu beauskunften sei.
Der Einwand des Telekommunikationsunternehmens, es speichere keine Daten über den Beschwerdeführer in seinem System und dürfe dies auch gemäß § 97 Abs 2 TKG 2003 auch gar nicht, sei dagegen irrelevant.
Die Beschwerdegegnerin sei nämlich eben nicht nur für die Daten in ihrem System, das heißt ihre Datenverarbeitungsanlagen verantwortlich, sondern auch für jene, die extern verarbeitet würden, für welche sie aber als Auftraggeberin fungiere.
Es wurde daher dem Telekommunikationsunternehmen die Auskunftserteilung aufgetragen.
Rechtliche Einwände
Für den Betroffenen grundsätzlich ein erfreuliches Ergebnis. Grundrechtlich bleibt die Entscheidung aus folgenden Gründen ein grober Missgriff:
Dienstleister hinsichtlich einer Datenverarbeitung ist ausgehend von den gesetzlichen Bestimmungen eine natürliche oder juristische Person dann, wenn sie Daten, die ihr zur Herstellung eines aufgetragenen Werkes überlassen wurden, verwendet. „Auftraggeber'' ist hingegen jener, der - allein oder gemeinsam mit anderen - die Entscheidung getroffen hat, Daten für einen bestimmten Zweck zu verarbeiten. Er kann sich hiezu eines Dienstleisters bedienen.
Zwingendes Merkmal des Dienstleisters ist, dass ihm Daten zur Herstellung eines Werkes überlassen wurden, der Auftraggeber hingegen bedient sich hinsichtlich der Datenverarbeitung des Dienstleisters dadurch, dass er diesem Daten zur Herstellung eines aufgetragenen Werkes überlässt.
Im konkreten Falle stellt der Wirtschaftsauskunftsdienst seinen Kunden Daten über die Bonität von potentiellen Kunden zur Verfügung. Auf Wunsch berechnet er mit diesen Bonitätsdaten den Scoring-Wert. Die dazu verwendeten Daten stammen ausschließlich vom Wirtschaftsauskunftsdienst und nicht vom Kunden.
Der Kunde bestimmt zwar angeblich selbst, welches Berechungsverfahren zur Erstellung des Scoring-Wertes herangezogen wird, dies ändert aber jedenfalls nichts daran, dass die verwendeten Daten, welche in den errechneten Bonitätswert einbezogen werden, nicht durch den Kunden überlassen, sondern durch die Auskunftei selbst ermittelt wurden.
Faktische Konsequenzen
Folgt man dieser - durch die DSK unberücksichtigt gebliebenen - Abgrenzung, wäre jedenfalls der Wirtschaftsauskunftsdienst zur Auskunft gegenüber dem Betroffenen verpflichtet. Dies umso mehr, als der Wirtschaftsauskunftsdienst nicht nur einen Kunden mit Scoring-Werten bedient, sondern eine Vielzahl. Mit der Entscheidung der DSK müsste ein betroffener statt einer Anfrage beim Wirtschaftsauskunftsdienst dutzende Anfragen bei den tatsächlichen oder potentiellen Kunden des Wirtschaftsauskunftsdienst machen.
Effiziente Durchsetzungsmöglichkeiten für datenschutzrechtliche Ansprüche sehen anders aus. Darüber hinaus ist die Frage, wie Betroffene überhaupt in Kenntnis gelangen können, wer über sie scoring-Werte errechnen lässt unbefriedigend gelöst, da der Wirtschaftsauskunftsdienst darüber als Dienstleister keine Auskunft gibt. Der Betroffene müsste präventiv alle Unternehmen, mit denen er jemals zu tun hatte, um Auskunft ersuchen.
Resumee
Dem Betroffenen ist zur Durchsetzung des Auskunftsanspruches zu gratulieren. Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich die Entscheidung allerdings als Missgriff und „Phyrrussieg“. Die letztendlich für Betroffene verwirrende und unübersichtliche Situation ist einerseits Resultat der komplizierten gesetzlichen Regelungen des DSG zum Auftraggeber–Dienstleister-Verhältnis, andererseits der Unfähigkeit der DSK, mit Hilfe der gesetzlichen Vorgaben eine einigermaßen beständige Judikatur zu schaffen.
Noch ist in der Frage wer Auftraggeber von scoring-Werten ist, noch nicht endgültig entschieden, zumal die ARGE DATEN einen nahezu identen Fall bei den Höchstgerichten anhängig gemacht hat.
Archiv --> Bescheid K121.339_0007-DSK_2008
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