Volkszählung ohne ausreichende Rechtsgrundlage?
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit soll die größte Bürgerdatenbank Österreichs aufgebaut werden - wie Recherchen der Datenschutzkommission ergeben, offenbar ohne ausreichende Rechtsgrundlage - die Volkszähler wollen trotzdem munter weiter machen - tatsächliche Kosten um das 30-fache überhöht
Volkszählung unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Ohne Beteiligung der Bürger und damit offenbar auch ohne öffentliche Kontrolle sollte die Volkszählung 2011 stattfinden. Als Registerzählung sollten in einer Generalinventur hunderte Bürgerdaten aus dutzenden Registern und Listen zusammengefasst werden.
Alle Daten werden mit einem eigenen bereichsspezifischen Personenkennzeichen versehen und sollen für unbestimmte Zeit und unbestimmte Zwecke aufbewahrt werden. Mit Hilfe des Personenkennzeichens kann jederzeit eine Identifikation der BürgerInnen vorgenommen werden.
Recherchen der Datenschutzkommission ergeben erstaunliche Ungereimtheiten
Für den Aufbau dieser gigantischen Datenbank wurde 2006 ein eigenes Registerzählungsgesetz verabschiedet. Vollmundig begründete die damalige VP-FP-Koalition das Gesetz in ihrer Regierungsvorlage als Inventur des österreichischen Volkes. Eine Diktion, die an die Volkszählungsdiktion des Groß-Deutschen Reiches aus dem Jahr 1933 erinnerte. Bekanntlich wurde kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten diese Inventur angeordnet.
Das Registerzählungs-Gesetz wurde im übrigen gegen den - sehr seltenen - Widerstand des Bundesrates im Nationalrat durchgedrückt.
Freilich enthält das Gesetz in § 6 Abs. 4 eine Verordnungsverpflichtung. Die einzelnen Ministerien dürfen Daten zum Zwecke der Volkszählung nur NACH Verabschiedung einer entsprechenden Durchführungsverordnung an die Statistik Austria übermitteln.
Im Zuge einer Grundrechtsbeschwerde gegen die Volkszählung ermittelte die Datenschutzkommission auch, ob derartige Verordnungen tatsächlich erlassen wurden.
Überraschendes Ergebnis: bis heute (Stand 21.3.2012) gibt es keine derartigen Verordnungen, keine der betroffenen Behörden hat eine erlassen!
siehe http://ftp.freenet.at/pla/volkszaehlung-fehlt-verordnung-2012...
Keine Verordnung = keine Rechtsgrundlage = keine Volkszählung?
Diese Verordnungen sind zentrales Erfordernis für die Datenübermittlungen an die Statistik Austria. Es verwundert, dass sich weder die Ministerien, noch die Statistik Austria rechtzeitig um entsprechende Verordnungen bemüht haben.
Ein rechtsstaatlich höchst bedenklicher Wurschtigkeitsstandpunkt, hinter dem offenbar mehr steckt!
Liest man das Registerzählungsgesetz genau, dann werden Ministerien angeführt, die es heute nicht mehr gibt. Durch die Neuwahlen 2008 kam es zu Änderungen in der Ministerverantwortung, das Registerzählungsgesetz wurde nicht aktualisiert.
Gesetzesänderungen und Verordnungen hätten ein Aufschnüren des höchst umstrittenen Registerzählungsgesetzes bedeutet und es ist fraglich, ob 2011/2012 für dieses Gesetz noch eine Mehrheit existiert. Diese Diskussion wollten sich die Volkszähler offenbar "sparen".
Volkszählung kommt nur mühsam voran
Da die BürgerInnen nicht direkt befragt werden, sollte diese Zählung unsichtbar, rasch und kostengünstig ablaufen.
Von rasch kann keine Rede sein! Stichtag der Volkszählung war der 31.10.2011, tatsächlich wurden zu diesem Zeitpunkt keine Daten übermittelt. Die ersten Übermittlungen erfolgten durch das Innenministerium (15.11.2011) und den Hauptverband der Sozialversicherungsträger (10.11.2011).
Das Innenministerium ist mittlerweile der eifrigste Datenlieferant, bis Ende Februar 2012 wurden viermal Meldedaten an die Statistik Austria geliefert. Faktum ist, dass die von der EU vorgeschriebenen Bevölkerungserhebungen auch durch schlichtes Auswerten der Meldedaten erfüllt werden könnten und überhaupt keine Datenweitergabe an die Statistik Austria erforderlich wäre!
In allen anderen Bereichen, etwa Verteidigungsministerium, Bundeskanzleramt oder Landesregierungen stockt die Datenlieferung bis heute.
Kostengünstig ist die Volkszählung ebenfalls nicht, neben den offiziellen Kosten von rund 10 Mio. Euro kommen Kosten von etwa 20-30 Mio hinzu. Euro dazu, die bei den datenliefernden Behörden versteckt sind. Diese Kosten entstehen wegen der aufwändigen Abgleich- und Korrekturarbeiten um die bisherigen Verwaltungsdaten tauglich für das Bürgerregister zu machen. Kosten, die bei rein statistischen Auswertungen nicht anfallen. Damit ist die österreichische Volkszählung europaweit eine der teuersten!
Eine EU-konforme statistische Analyse (inkl. den Anforderungen für Finanzausgleich und Ermittlung der Mandatsverteilung) wäre unter einer Million Euro organisierbar gewesen.
Sofortiger Stopp der Volkszählung, Stopp des Bürgerregisters notwendig!
Angesichts der höchst fragwürdigen Rechtslage ist ein sofortiger Stopp der Volkszählung gerechtfertigt. Die Datenschutzkommission könnte gemäß ihrer Kompetenzen diesen Stopp auch sofort aussprechen.
Für Österreich und die EU-Verpflichtungen gäbe es keine Nachteile. Die erforderlichen Bevölkerungsdaten für Finanzausgleich, Bundes- und Landeswahlen sind längst durch Auswertung des Melderegisters ermittelt, alle anderen Auswertungen sind grundrechtlich sowieso bedenklich.
Ob sich die Datenschutzkommission zu diesem eindeutigen Schritt entschließen wird ist fraglich, werden in Österreich doch heikle Entscheidungen eher durch Aussitzen und Durchtauchen gelöst!
mehr --> RIS-Abfrage "Verordnung Registerzählung"
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