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2007/12/18 OGH entscheidet - „Videoattrappe“ stellt Eingriff in Persönlichkeitsrechte dar
Stand: 18.12.2007
Auch das Aufstellen von „Videoattrappen“ stellt einen unzulässigen Persönlichkeitseingriff dar - Persönlichkeitsrechte werden vom OGH als absolute Rechte gesehen - Videoüberwachung im Privatbereich nunmehr verbessert abgesichert - staatliche Überwachung ufert ungebremst aus - Beispiel der Banken zeigt geringen Erfolg der technischen Überwachung

Anlassfall

Grundlage der Entscheidung war ein klassischer „Nachbarschaftsstreit“. Ein Anrainer hatte am Balkon seines Hauses eine ferngesteuert schwenkende Videokamera bzw. eine Installation angebracht, welche einer Videokamera ähnelte. Gerichtet war die aufgestellte Apparatur auf Küchenfenster, Haustüre und Garteneingang eines Nachbarns, in einer anderen Stellung auf dessen Garten.

Der Nachbar konnte dabei nicht kontrollieren, ob die Kamera an einem Betriebssystem angeschlossen oder eine Attrappe war und begehrte gerichtlich die Unterlassung, da in seine Persönlichkeitsrechte eingegriffen werde.

Der Beklagte rechtfertigte sich, er habe eine im Handel erhältliche Attrappe eines kleinen Videoüberwachungsgeräts am Balkon seines Hauses montiert, weil immer wieder Grasschnitt, Müll oder andere Gegenstände über die Grundstücksgrenze geworfen worden seien. Durch die Errichtung der Videokameraattrappe sollten auch die Nachbarn abgeschreckt werden. Die Attrappe sei aber niemals direkt ausschließlich auf den Nachbargrund gerichtet „bzw zumindestens niemals absichtlich in dieser Richtung gerichtet" gewesen.

Weil sie leicht beweglich sei, könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Wind die  Attrappe bewegt und diese zeitweise einen Winkel eingenommen habe, der vom Beklagten nicht beabsichtigt gewesen sei. Die Attrappe sei mit dem Stromnetz nicht verbunden und weise auch kein funktionierendes Kameragehäuse auf. Da die Attrappe nie in Betrieb genommen werden könne, sei die Unterlassungsklage nicht zulässig.


Entscheidung

Die Entscheidung fiel letztlich in sämtlichen Instanzen zu Gunsten des Klägers aus.

Aus dem Charakter der Persönlichkeitsrechte als absolute Rechte bejaht der Oberste Gerichtshof grundsätzlich Unterlassungsansprüche bei Persönlichkeitsverletzungen. Eine Verletzung der Geheimsphäre stellen geheime Bildaufnahmen im Privatbereich und fortdauernde unerwünschte Überwachungen dar. Auch wenn eine Kamera nicht betriebsbereit ist, liegt nach Auffassung des Höchstgerichts eine konkrete und berechtigte Befürchtung, dass die die Kamera jederzeit unbemerkt angeschlossen und in Betrieb gesetzt werden könnte, vor.

Der Kläger musste im gegenständlichen Fall jedenfalls davon ausgehen, dass der Beklagte zumindest bei bestimmten Gelegenheiten zum Mittel der Videoaufzeichnung greifen würde und war deshalb einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt.

Da sich der Kläger immer kontrolliert fühlen musste, wenn er sein Haus betrat oder verließ oder sich in seinem Garten aufhielt,  war eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Privatsphäre des Klägers anzunehmen.


Bewertung

Mit seiner Entscheidung trifft das Höchstgericht grundsätzlich eine durchaus beachtliche Wertung: Einen Persönlichkeitseingriff stellt letztendlich nicht nur die Tatsache dar, dass jemand tatsächlich - ohne berechtigtes Interesse des Filmenden - mit einer Kamera aufgezeichnet wird, der Persönlichkeitseingriff manifestiert sich vielmehr schon darin, dass jemand überhaupt den Anschein einer Überwachung setzt. Die Argumentation erweist sich im Endeffekt als durchaus schlüssig: Einen störenden Effekt auf das Privatleben und die Privatsphäre hat es eben nicht nur, wenn jemand tatsächlich videoüberwacht wird, schon alleine die „Überwachungsmöglichkeit“ setzt Betroffene entsprechendem Druck aus.


Rückschlag für Überwachungshysteriker

Die Entscheidung stellt jedenfalls einen weiteren Meilenstein gegen jene Überwachungsfanatiker dar, die unseren Staat schon seit Jahren zur „flächendeckend überwachten Zone“ machen wollen.

Dabei reiht sie sich in zahlreiche Vorentscheidungen ein, mit welchen der Zulässigkeit der Videoüberwachung im Privatbereich enge Grenzen gesetzt wurden.

Schon mit Entscheidung 8Ob108/05 y vom 19.12.2005 hat das Höchstgericht festgehalten, dass eine systematische und identifizierende Videoüberwachung mit Bildaufzeichnung, bei der nachträglich Merkmale einer bestimmten Person zugeordnet werden können, jedenfalls einen Eingriff in die Geheimsphäre der Betroffenen darstellt. Dabei spielt auch keine Rolle, wenn eine entsprechende Kamera an einer Stelle postiert wird, die auch für jeden Passanten zugänglich ist - aufgrund der systematischen Abrufungsmöglichkeit ist die Videoüberwachung jedenfalls ein ungleich stärkerer Eingriff als das persönliche Beobachten.
Ob ein Betroffener tatsächlich durch eine Kamera aufgenommen wird, ist dabei für die Beurteilung der Zulässigkeit der Überwachung ohne Bedeutung.


Resumee

Wer die Zunahme von Videokameras (oder Attrappen?) in den letzten Jahren kritisch beobachtet hat, wird sich über die ergangene Entscheidung mit Sicherheit freuen. Mit den Argumenten, es erfolge ohnedies keine Überwachung, da die Kamera gar nicht funktionsfähig sei, werden sich Verantwortliche hinkünftig zum Glück nicht mehr aus der Verantwortung ziehen können.

Dass das unsinnige Installieren von Videoanlagen auch operativ seinen Zweck verfehlt, zeigen auch heuer wieder die Rekordzahlen von Banküberfällen, trotz 100% Videoüberwachung. Wer "etwas zu verbergen hat", Bankräuber eben, rechnet sowieso mit einer Überwachung und schützt sich sehr leicht durch Maske, Brille, Perücke oder Makeup. Der Aufklährungsanteil der Videokameras, sofern sie überhaupt funktionieren, ist selbst im Bankenbereich äußerst bescheiden. Dabei ist die Palette der wirksamen Maßnahmen bekannt: Alarmpakete, Sicherheitsschleusen im Eingangsbereich, Geldboys, die nur nach Eingabe korrekter Kontonummern Geld ausgeben, für Angreifer "unübersichtlich" gestaltete Filialen und wenn etwas passiert, Sicherheitspersonal, das dem Angreifer unauffällig nachgeht.

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