2007/05/21 Keine Verfahrensaussetzung bei Verletzung von Datenschutzrechten
Wie sich an einer aktuellen Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenats zeigt, hat das DSG 2000 in einem entscheidenden Punkt eine gravierende Verschlechterung von Betroffenenrechten gegenüber dem DSG 1978 gebracht: Dem verfahrensbezogenen Rechtsschutz für den Fall, dass sich ein Betroffener durch eine Behörde in seinen Datenschutzrechten verletzt wähnt.
Während es nach der früheren Rechtslage noch die behördliche Verpflichtung gab, ein laufendes Verfahren bis zur Klärung der datenschutzrechtlichen Frage auszusetzen, muss der Betroffene nunmehr damit rechnen, dass ein laufendes Verfahren - trotz möglicher Eingriffe der Behörde in die Datenschutzrechte des Betroffenen- unverändert fertiggeführt wird.
Anlassfall
Im konkreten Falle fühlte sich die Betroffene durch ihr Wohnsitzfinanzamt in ihren Rechten nach dem DSG verletzt. Bei Einsicht in ihren Steuerakt war ihr aufgefallen, dass der gesamte Akt - auf Ersuchen hin - an ein anderes Finanzamt übermittelt worden war. Da für die Betroffene nicht ersichtlich war, welchem Zweck die entsprechende Übermittlung gedient hatte, sie aber - offensichtlich von ihrem früheren Wohnsitz her- mit Beamten des betreffenden Finanzamtes Probleme gehabt hatte und private Interessen vermutete, begehrte sie von ihrem Wohnsitzfinanzamt Auskunft darüber, welchem Zweck die entsprechende Übermittlung gedient habe bzw. welcher Bedienstete bei dem ersuchenden Finanzamt entsprechende Untersuchungen angestellt habe. Das Begehren wurde auf das nach dem DSG bestehende Auskunftsrecht gestützt. Das Ansuchen blieb erfolglos, die DSK wurde angerufen und stellte eine Verletzung des Auskunftsrechts fest.
Beharrliche Weigerung der Behörde
In Folge wurden der Betroffenen durch das Wohnsitzfinanzamt zwar Auskünfte erteilt, dies aber in- nach dem DSG- ungenügender Form. Die DSK wurde abermals angerufen. Da sich die Betroffene durch die Behörde in ihren Rechten verletzt fühlte und nicht der abermaligen Datenübermittlung zu fragwürdigen Zwecken tatenlos zusehen wollte, kam sie zu folgendem Gedanken: So lange die Daten durch die Behörde missbräuchlich verwendet werden, bekommt sie eben keine Daten mehr. Konsequent verweigerte die Bürgerin die Abgabe einer Umsatz- und Einkommensteuererklärung, die Behörde verhängte eine Zwangsstrafe. Die Betroffene rief den Unabhängigen Finanzsenat als Berufungsbehörde an.
Keine Koppelung von Finanz- und Datenschutzverfahren
In seiner Berufungsentscheidung RV/0095-I/06 stellte der UFS fest: Die Vermengung datenschutzrechtlicher Fragen mit der Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung ist unzulässig. Die Behörde habe die entsprechende Zwangsstrafe aufgrund der Weigerung der betroffenen Bürgerin zu Recht erlassen. Im übrigen verpflichte die behauptete Datenschutzverletzung die Behörde nicht dazu, ein Finanzverfahren auszusetzen.
Geänderte Rechtslage
§ 14 des DSG 1978 sah noch vor, dass laufende Verfahren- außer bei Gefahr in Verzug- von den vollziehenden Behörden auszusetzen waren, sofern der Betroffene sich durch die Verwaltungsvollziehung in seinen Rechten nach dem DSG verletzt fühlte und eine entsprechende Beschwerde an die DSK erhoben hatte. Die Aussetzung dauerte solange an, bis die DSK über die Vorfrage, ob der entsprechende Schritt die Betroffenenrechte verletze, entschieden hatte.
Diese Regelung wäre auf den konkreten Fall möglicherweise nicht anwendbar gewesen, da ja nicht klar war, ob das Wohnsitzfinanzamt abermals eine Datenübermittlung plane. Das ändert aber nichts daran, dass eine entsprechende Regelung im aktuellen DSG 2000 überhaupt nicht mehr vorgesehen ist.
Verschlechterte Betroffenenrechte
Generell lässt sich somit festhalten: Nach aktueller Rechtslage muss ein Bürger, der sich durch ein Verfahren in seinen Datenschutzrechten verletzt fühlt, dennoch an dem Verfahren mitwirken und - zumindest vorläufig- die weitere Verletzung seiner Betroffenenrechte akzeptieren. Er kann die DSK zwar anrufen, bis zu einer entsprechenden Entscheidung darf die Behörde allerdings weiterwerken. Besonders bitter: Verletzungen in Datenschutzrechten sind meist irreversibel, bis die DSK entschieden hat, kann es schon zu spät sein.
Resumee
Während nach früherer Rechtslage die vollziehende Behörde, sofern ein Bürger die DSK einschaltete, zumindest Gefahr in Verzug begründen musste, um ein Verfahren weiterzuführen, kann sie das nunmehr problemlos. Dem betroffenen Bürger bleibt nichts anderes übrig, als zumindest vorläufig zu akzeptieren, dass in seine Datenschutzrechte- möglicherweise gesetzwidrig- eingegriffen wird. Die Position des Bürgers gegenüber der Behörde wurde somit durch das DSG 2000 in diesem Bereich wesentlich verschlechtert. Im Interesse des Datenschutzes sollte überlegt werden, ob nicht wieder eine Regelung geschaffen wird, welche dem § 14 des DSG 1978 ähnelt und Bürgerrechte gegenüber Behördenwillkür den Vorrang lässt.
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