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2006/11/08 Internet-Provider verstoßen regelmäßig gegen das Kommunikationsgeheimnis
Aufzeichnung von IP-Adressen nur zu Abrechnungszwecken zulässig - Auskunftserteilung widerspricht Telekommunikationsgesetz - Datenschutzkommssion hat erstmals dazu eine Empfehlung ausgesprochen - teilweise im Widerpruch zur fragwürdigen OGH-Entscheidung aus 2005 - diese hatte damals eine umfassende Auskunftspflicht der Internet Service Provider festgestellt

Mit Empfehlung K213.000/0005-DSK/2006 hat sich die Datenschutzkommission einer Problematik angenommen, die sich im Spannungsfeld zwischen Urheberrecht, Telekommunikationsrecht, Datenschutz und strafprozessrechtlichen Vorschriften bewegt: Darf ein Access-Provider dynamische IP-Adressen seiner Teilnehmer speichern, um im gerichtlichen Auftrag später die Stammdaten der jeweiligen Teilnehmer zu ermitteln und bekanntzugeben?


Bekannte Ausgangslage

Die Ausgangssituation zum zugrundeliegenden Fall ist wohlbekannt: Zwei Teilnehmer stellten über Internet unter Verletzung urheberrechtlicher Interessen Musikstücke als download zur Verfügung. Durch eine Leistungsverwertungsgesellschaft wurde die entsprechende Downloadmöglichkeit entdeckt und daraufhin beim zuständigen Landesgericht für Strafsachen die Einleitung von Vorerhebungen aufgrund des Verdachtes der Verletzung urheberrechtlicher Bestimmungen eingebracht. Die Leistungsverwertungsgesellschaft verknüpfte dies mit dem Antrag, über den Access-Provider festzustellen, welchem konkreten Teilnehmer die jeweilige dynamische IP-Adresse zum fraglichen Zeitpunkt zugeordnet gewesen sei.

Die jeweilige IP-Adresse war für den Beauftragten der Leistungsverwertungsgesellschaft ersichtlich gewesen, aufgrund des dynamischen Charakters der Adresse musste eine Zuordnung durch den Access-Provider allerdings unter Auswertung der gespeicherten Verkehrsdaten erfolgen. Dieser gab auf Anfrage - unter Berufung auf § 7 DSG - die Stammdaten der betroffenen Teilnehmer tatsächlich den ermittelnden Behörden bekannt.


Entscheidung der Datenschutzkommission

In ihrer Empfehlung hält die Datenschutzkommission zur Klarstellung fest, dass es sich bei dynamischen IP-Adressen selbstverständlich um personenbezogene Daten im Sinne des § 4 DSG handelt, da diese eine jeweilige Person - wenn auch unter Zwischenschaltung eines weiteren Ermittlungsschrittes - identifizierbar machen. Weiters wird festgehalten, dass ausgehend von der IP-Adresse in einem ersten Schritt zunächst festgestellt werden muss, welchem konkreten  Anschluss zum jeweiligen Zeitpunkt die entsprechende IP-Adresse zugeordnet war, erst von der Kenntnis des Anschlusses weg können die betreffenden Stammdaten des Teilnehmers ermittelt werden. Die Feststellung des konkreten Anschlussteilnehmers bedarf also jedenfalls der Verarbeitung von Verkehrsdaten.

Dem Kommunikationsgeheimnis nach § 93 TKG unterliegen ausdrücklich zwar nicht die Stammdaten des jeweiligen Teilnehmers, allerdings die jeweiligen Verkehrsdaten. Eine Speicherung der jeweiligen Verkehrsdaten ist ausgehend von § 99 TKG sowie den Bestimmungen der EG-Richtlinie 2002/58 nur zu Verrechnungszwecken bzw. unter Einwilligung des Betroffenen zulässig. Weitergehende gesetzliche Regelungen hätten jedenfalls die verfassungs- und europarechtlichen Schranken zu beachten.

Da im konkreten Fall der betroffene Access-Provider die Verkehrsdaten (Zuordnung der IP- Adresse zum jeweiligen Anschluss) ohne rechtmäßige Legitimation über den Verrechnungszeitpunkt hinaus gespeichert hatte, wurde seitens der Datenschutzkommission ein Verstoß gegen das Kommunikationsgeheimnis festgestellt.


Verwirrung im Zusammenhang mit der Rechtsprechung des OGH

Grundsätzlich erscheint die erfolgte Entscheidung der Datenschutzkommission nur denklogisch und den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechend. Problematisch wird die Judikaturlage allerdings dann, wenn man die OGH- Entscheidung 11Os57/05z vom 26.7.2005 in die Betrachtung miteinbezieht. Durch die Datenschutzkommission wurde in ihrer Empfehlung auf diese Entscheidung ausdrücklich Bezug genommen.

Dort wurde das Auskunftsbegehren nach den Stammdaten eines Anschlussteilnehmers ausgehend von einer dynamischen IP-Adresse ausdrücklich für zulässig erachtet. Geprüft wurde allerdings der Vorgang der Feststellung der Stammdaten des Teilnehmers nur in Hinblick auf die Bestimmung des § 149a STPO, der die Überwachung der Telekommunikation regelt und nicht auf die Verletzung des Kommunikationsgeheimnisses bei der Verarbeitung von Verkehrsdaten. Eine Verarbeitung von Verkehrsdaten wurde durch den OGH im konkreten Fall ausdrücklich nicht angenommen, womit sich die Ausführungen von jener der DSK unterscheiden.

Letztendlich wurde durch das Höchstgericht mit dem formellen Argument, es handle sich bei der Ermittlung der Stammdaten des Teilnehmers ausgehend von den gespeicherten Verkehrsdaten nur um eine interne Handlung des jeweiligen Providers ohne Außenwirkung, festgehalten, dass dieser Vorgang "keine Feststellung eines Teilnehmeranschlusses" im Sinne der Strafprozessordnung sei und die Bekanntgabe der jeweiligen Stammdaten nach § 103 TKG formlos möglich sei.

Diese Judikatur des OGH möchte die Datenschutzkommission offenbar durch ihre Entscheidung nicht erschüttern und führt dazu aus, dass dem OGH wohl "unter Beachtung des Schutzzwecks des § 149a STPO zuzustimmen sei und ein Auskunftsbegehren, das sich nur auf Stammdaten beziehe, dem Kommunikationsgeheimnis nicht widerspreche". Somit vertritt die Datenschutzkommission die Auffassung, ihre Empfehlung stünde mit der Rechtsprechung des OGH in Einklang.

Dabei wird aber übersehen, dass die zugrundeliegenden Ausgangslagen die einerseits zur zitierten OGH- Entscheidung, andererseits zur Empfehlung der Datenschutzkommission geführt haben, inhaltlich ident waren. In beiden Fällen richtete sich das Auskunftsbegehren darauf, die Stammdaten der Teilnehmer unter Zugrundelegung der dynamischen IP- Adresse bekanntzugeben. Der OGH führt in der zitierten Entscheidung ausdrücklich aus, sofern bereits in Kenntnis der IP-Adresse agiert werde, beziehe sich das jeweilige Auskunftsbegehren nur auf die Stammdaten des Teilnehmers und unterliege damit nicht dem Kommunikationsgeheimnis. Davon, dass sich die Ausgangslage unterschieden hätte, kann somit keine Rede sein.


OGH-Entscheidung und DSK-Empfhelung letztlich nicht vereinbar

Versucht man beide Judikaturlinien zu berücksichtigen, gelangt man zu folgendem Ergebnis: Die Bekanntgabe der Stammdaten selbst, die ausgehend von der IP-Adresse ermittelt werden, soll für sich nicht dem Kommunikationsgeheimnis widersprechen und gemäß § 103 TKG rechtlich zulässig sein.

Die Ermittlung der Stammdaten ausgehend von der IP-Adresse soll nicht dem Regime der Strafprozessordnung unterliegen, da es sich dabei um "keine Feststellung eines Teilnehmeranschlusses" handelt. Allerdings handelt es sich dabei nach Auffassung der DSK sehr wohl um eine Verarbeitung von Verkehrsdaten, die nach dem TKG nur unter Einwilligung bzw. bis zur Beendigung der jeweiligen Rechungsperiode zulässig ist.

Das würde somit im Ergebnis folgendes bedeuten: Sofern der Access-Provider die Verkehrsdaten (IP-Adresse und Zuordnung zum jeweiligen Anschluss) aus Verrechnungsgründen ohnehin gespeichert hat, darf dort nach Begehren auch Auskunft über die jeweiligen Stammdaten des Anschlussinhabers gegeben werden. Eine Speicherung über den zur Verrechnung notwendigen Zeitraum ist allerdings unrechtmäßig, insofern darf über diesen Zeitpunkt hinaus auch keine Verarbeitung der Verkehrsdaten und damit auch keine Auskunftserteilung über die Stammdaten des Anschlussinhabers erfolgen.

Ein solches Ergebnis scheint jedenfalls sinnwidrig: Insbesondere ist nicht einsichtig, warum sich die Frage, ob ein Auskunftsbegehren nach den Stammdaten des Teilnehmers zulässig ist bzw. unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu einem Erfolg führen kann, nur nach der Frage der Rechungsperiode des Access-Providers richten soll. Letztendlich ist dabei auch zu bedenken, dass die Verrechnungsperiode durch den Access-Provider sowie durch den Kunden festgelegt werden kann. Damit könnte durch die Entscheidung zugunsten entsprechend kurzer Verrechnungseinheiten verhindert werden, dass der Access-Provider überhaupt einem entsprechenden Auskunftsbegehren nachkommen kann. Ein Teilnehmer bei einem Access-Provider mit entsprechend länger andauernden Verrechnungseinheiten würde dagegen wesentlich länger unter dem Risiko stehen, dass seine Stammdaten ermittelt werden und bei einem entsprechenden Auskunftsbegehren bekanntgegeben werden könnten.


OGH-Judikatur ignoriert Schutzzweck

Die Entscheidung der Datenschutzkommission, dass IP-Adressen ohne Einwilligung des Teilnehmers verbunden mit den zugehörigen Anschlüssen nur solange gespeichert werden dürfen, wie dies nach § 99 TKG für Verrechnungszwecke nötig ist, ist für sich gesehen unproblematisch.

Die Problematik liegt in der entsprechenden Entscheidung des OGH. Zunächst unterliegt das Höchstgericht der Fehlvorstellung, dass jemand, der mittels IP-Adresse die Stammdaten des Teilnehmers abfrägt bereits in Kenntnis der "Adresse" des Teilnehmers im Sinne des jeweiligen "Anschlusses" agiert, somit keine Verarbeitung von Verkehrsdaten stattfindet und ein Auskunftsbegehren ausschließlich auf die Bekanntgabe ungeschützter Stammdaten abziele. Selbst geht das Höchstgericht davon aus, dass anhand einer IP-Adresse ein Teilnehmeranschluss bereits individualisiert sei. Damit wird ignoriert, dass - entsprechend den Ausführungen der DSK - sehr wohl Verkehrsdaten verarbeitet werden müssen, um aufgrund einer IP-Adresse - sei diese statisch oder dynamisch - auf die Stammdaten des Teilnehmers zu schließen. Dies ist insbesondere in Bezug auf dynamische Adressen der Fall, da dort, um den jeweiligen Teilnehmer feststellen zu können, in einem Erstschritt ermittelt werden muss, welchem Anschluss zum jeweiligen Zeitpunkt die IP- Adresse zugeordnet war.

Die Feststellung des Höchstgerichts, dass mit einer dynamischen IP - Adresse nicht mehr ermittelt werden muss, welcher Anschluss Ursprung einer Kommunikation war, ist schlichtweg falsch - die Unterscheidung, dass es ich bei der Zuordnung, die der Access- provider trifft, "um keinen Vorgang mit Außenwirkung handelt, der das Kommunikationsgeheimnis verletzt", erfolgt letztlich willkürlich und gegen den Schutzzweck des § 149a StPO.

Der Schutztzweck des § 149a StPO richtet sich auf das Fernmeldegeheimnis. Eine Standortfeststellung liegt vor, wenn der räumliche Bereich, in dem sich ein entsprechendes Endgerät befindet, ermittelt werden soll. Das ist zweifelsfrei auch der Fall, wenn anhand einer IP-Adresse auf die räumliche Zuordnung des entsprechenden Endanschlusses gefolgert werden soll.

Übersehen wird durch das Höchstgericht auch, dass die Vorstellung, eine entsprechende Teilnehmeranschlussermittlung wäre nur vorhanden, wenn quasi "von null Information" weg mittels technischer Maßnahmen auf einen konkreten Anschluss gefolgert werde, für die Internetkommunikation keinen Sinn macht. Die Folge einer solchen Auffassung  wäre in der praktischen Anwendung, dass es in Bezug auf die Feststellung von Teilnehmeranschlüssen im Rahmen der Internetkommunikation im Gegensatz zur telefonischen Kommunikation überhaupt keine Einschränkungen gibt, solange der jeweilige provider die Verkehrsdaten "zufällig" noch gespeichert hat. Dass Kommunikation im Internet eben anders abläuft als per Telefonie lässt das Höchstgericht unberücksichtigt.

Ein solches Ergebnis ist jedenfalls zutiefst sinnwidrig, verletzt das verfassungsgesetzlich Kommunikationsgeheimnis und  die EG-Datenschutzrichtlinie zur elektronischen Kommunikation.


Resumee

Die Datenschutzkommission hat in ihrer Empfehlung an sich nur eine Selbstverständlichkeit ausgesprochen, nämlich dass Verkehrsdaten im Bereich der Kommunikationsdienstleistungen nur entsprechend zu den Bestimmungen zum Schutz des Kommunikationsgeheimnisses sowie den europarechtlichen Vorgaben verarbeitet werden dürfen.

Festzuhalten ist im Ergebnis jedenfalls, dass alles andere als die Einbeziehung der Ermittlung von Anschlussdaten sowie der jeweiligen Stammdaten des Teilnehmers unter den Begriff der "Überwachung der Telekommunikation" nach § 149a StPO eine dem Schutzzweck des Gesetzes widersprechende, massive Rechtsfolgenunterscheidung zwischen telefonischer Kommunikation und Internetnutzung darstellt. Den Ausführungen der aktuellen Empfehlung der Datenschutzkommission widerspricht jedenfalls die OGH-Judikatur inhaltlich Letztendlich ist zu hoffen, dass das Höchstgericht in seiner künftigen Rechtsprechung der Empfehlung der DSK folgt.

andere --> OGH 11 Os 57/05z, 26.07.2005
andere --> Empfehlung der DSK - K213.000/0005-DSK/2006

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