2003/11/04 Sind Sie assimiliert?
Aus der elektronischen Ethno-Lehre der Firma dm-plus - Adressenverlag 'errechnet' sensible Daten - Ohne Zustimmung und Wissen der Betroffenen - Mit Zustimmung des geschäftsführenden Mitglieds der Datenschutzkommission - Bundesobmann(*) der Adressenverlage zu Stellungnahme eingeladen
Sind Sie deutschstämmig? Oder vielleicht türkisch-italienisch-stämmig? Mit welcher Amtsfunktion? Sie wissen es nicht? Sie würden es gern wissen?
Fragen Sie dm-plus! Jener Adressenverlag, der zuletzt durch undurchsichtige Datentransaktionen mit einer CD aufgefallen ist, sammelt, genauer berechnet, diese Daten über Millionen Österreicher.
Als sogenannte 'Tiefendaten' werden sie dann mehr oder weniger bekannten Unternehmen angeboten. Eine permanent aktualisierte Liste der nicht assimilierten Österreicher oder der türkischstämmigen Bürger zu haben, ist vermutlich nicht nur für den lokalen Kebab-Händler um's Eck interessant.
Bisher mussten sich entsprechend rassistisch motivierte Unternehmen mit den statistischen Daten der Volkszählungen begnügen. Diese werden nur alle zehn Jahre aktualisiert und sind relativ ungenau.
Die elektronische Ethno-Lehre von dm-plus
Laut Auskunft von dm-plus Direktmarketing GmbH werden Daten, wie Assimilationsgrad, Sprachstamm, Partnerstatus und Qualifikation, 'errechnet', also ohne Zustimmung des Betroffenen ermittelt. dm-plus beruft sich dabei auf die Gewerbeordnung, 'die das erlaube'.
Dazu wurde in der §151 GewO eine missverständliche Klausel geschaffen, die es erlaube, Marketingdaten zu errechnen und diese auch weiter zu verkaufen. Übersehen wird jedoch, dass im Falle der sensiblen Daten jedenfalls die Zustimmung des Betroffenen notwendig ist.
Verwendung von sensiblen Daten durch Adressenverlage EU-widrig
Tatsächlich hat die EG-Richtlinie Datenschutz (95/46/EG) Vorrang, und es liegt an Österreich, sie rechtlich korrekt umzusetzen oder zumindest in der Entscheidungspraxis richtig anzuwenden.
Artikel 8 lässt keinen Interpretationsspielraum zu: '(1) Die Mitgliedstaaten untersagen die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie von Daten über Gesundheit oder Sexualleben.'
Es gibt zwar Ausnahmen vom Verwendungsverbot, keine der Ausnahmegründe trifft in diesem Fall zu.
Unverantwortliche Genehmigung durch DSK-Geschäftsapparat
Trotz dieser, auf Grund der EU-Bestimmungen, eindeutigen Rechtslage, hat das sogenannte 'geschäftsführende Mitglied der Datenschutzkommission' eine Registrierungsgenehmigung für dm-plus (DVR 1073702) über genau diese Assimilierungs- und Abstammungsdaten erteilt.
Eine völlig unverständliche Vorgangsweise, die jedoch nur eine von vielen Fehlleistungen der DSK-Geschäftsführung ist.
Die ARGE DATEN hatte schon in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass die Kompetenzen des DSK-Geschäftsappartes offensichtlich nicht nur für die Durchsetzung der Datenschutzinteressen der Bürger eingesetzt werden, sondern dazu dienen, ausufernde Datenverwendungsermächtigungen (sogenannte DVR-Registrierungen) für Unternehmer auszustellen.
Ob dies aus eigenem Antrieb geschieht, aus Mangel an Fachwissen, aus Arbeitsüberlastung, auf Grund von Fehleinschätzungen oder auf Grund von Weisungen und Interventionen, ist nicht nachvollziehbar. Für den Betroffenen bedeuten jedoch die Rassen- und Stammesberechnungen der Firmen eine unzumutbare Beschränkung ihrer Privatsphäre.
Genehmigung steht im Widerspruch zur Datenschutzkommission
Dass diese sonderbare Entscheidungs- und Genehmigungspraxis nicht generell der gesamten Datenschutzkommission zuzurechnen ist, lässt sich aus der bisherigen Entscheidungspraxis der DSK erkennen.
Im DSK-Bescheid 120.616 wird ausdrücklich die Tatsache angesprochen, dass schon Angaben über das Verwandtschaftsverhältnis aufgrund der Möglichkeiten der 'Schlussfolgerung über die ethnische Herkunft' in Richtung sensible Daten interpretiert werden können.
Hans G. Zeger: 'Die ARGE DATEN stellt sich immer häufiger die Frage, wie lange noch die Datenschutzkommission die Alleingänge des sogenannten Geschäftsapparates, der praktisch ausschließlich aus weisungsgebundenen Beamten des Bundeskanzlers besteht, unkommentiert hinnehmen wird.'
Fachverband Werbung zur Stellungnahme eingeladen
Wir haben selbstverständlich auch den Bundesobmann des Fachverbands Werbung, dem die Adressenverlage zuzuzählen sind, Herrn KR Walter Ruttinger (walter@ruttinger.at), zu einer Stellungnahme eingeladen. Bisher ohne Erfolg.
Auch die 'Datenschutz-Verhaltensregeln' der Adressenverlage schweigen sich über den Umgang mit sensiblen Daten aus.
Sanierung der Datenmissbrauchsbestimmung notwendig
Die Bestimmungen für die Adressenverlage, verknüpft mit dem unternehmerfreundlichen Agieren des geschäftsführenden Mitglieds der Datenschutzkommission schafft EU-weit einmalige Privilegien.
Die Bestimmung §151 der Gewerbeordnung lädt mit sehr allgemeinen Datenweitergabe- und Datenermittlungsermächtigungen geradezu zum Missbrauch ein. Offensichtlich sind einzelne Unternehmen mit der korrekten Umsetzung dieser Bestimmungen überfordert. Wir haben daher auch die Abgeordneten aller Parteien eingeladen, ihren Standpunkt zu einer Änderung dieser EU-weit einmaligen Adressverlagsprivilegien bekannt zu geben.
Hans G. Zeger, Mitglied des Datenschutzrates: 'Eine rechtlich einwandfreie Regelung kann nur darin bestehen, dass jede Datenweitergabe zu Marketingzwecken an andere Firmen derausdrücklichen, und vom sonstigen Vertragsverhältnis gesonderten Zustimmung des Betroffenen bedarf.'
Die bisherige Praxis, Konsum- und Lebensgewohnheiten, Herkunft und rassische Zugehörigkeit der Menschen als Marketinghandelsware zu betrachten, ist für eine zivilisierte Gesellschaft unwürdig.
Großzügige Übergangsbestimmungen
Den Adressenverlagen und sonstigen Datenhandelsunternehmen könnten großzügige Übergangsbestimmungen zur Sanierung ihrer fragwürdigen Dateien zugestanden werden. Nach Ablauf von drei Jahren sollten alle Daten,
- die nicht aus zulässigen öffentlichen Quellen oder
- durch eine freiwillige Zustimmung des Betroffenen
ermittelt wurden, gelöscht werden.
Hans G. Zeger: 'Eine Dreijahresfrist ist äußerst großzügig, da erfahrungsgemäß innerhalb dieser Zeit sowieso ein Neukontakt mit einem Kunden/Interessenten notwendig ist, um nicht die Daten restlos veralten zu lassen.'
PRAXIS: Auskunft einfordern
Es sind alle Menschen gut beraten, bei dm-plus eine Auskunft gemäß DSG anzufordern. Wir haben dazu verschiedene Muster vorbereitet:
dm-plus Direktmarketing GmbH, A-1030 Wien, Ungargasse 37
fon[N]+43 1 5326146 fax[N]+43 1.5326146.550 mail[N]office@dmplus.at
Muster Auskunft:
ftp://ftp.argedaten.at/privacy/muster/musdsg01.pdf (pdf-Format)
ftp://ftp.argedaten.at/privacy/muster/musdsg01.doc (Word-Format)
(*) zur aktuellen Verantwortung siehe WKO-Fachverband Werbung Homepage
http://www.fachverbandwerbung.at/de-interessensvertretung-fac...
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