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2009/08/12 Gefährdet WKO Bonität ihrer Mitglieder durch rechtswidrige Verbreitung von Daten?
Mag. jur. Michael Krenn
WKO veröffentlichte online rechtswidrig Insolvenzdaten auch nach deren Löschung aus der Ediktsdatei (per Google auffindbar) - Betroffener wandte sich an die DSK - WKO machte Rückzieher

Trotz gesicherter höchstgerichtlicher Judikatur - die ARGE Daten berichtete - nimmt der Streit um die Veröffentlichung und Verbreitung von Bonitätsdaten auf vielen Ebenen kein Ende. Neben den einschlägigen Kreditauskunfteien nach § 152 GewO versteht sich auch die Wirtschaftskammer "im Interesse ihrer Mitglieder" als Verbreitungs- und Prangerdienst für Bonitätsinformationen. Ein aktueller Fall der DSK (K121.378/0003-DSK/2009) zeigt die Problematik dieser Vorgehensweise.


Verbreitung von Daten der Ediktsdatei durch WKO

Die Wirtschaftskammer Oberösterreich hatte auf einer Webseite Daten zu einem Konkursverfahren veröffentlicht, welche durch Eingabe des Namens des Betroffenen in die Internet-Suchmaschine http://www.google.at/ zu finden und abzurufen waren. Bemerkenswert ist, dass die Daten der amtlichen Ediktsdatei der Justiz gegen direktes Einlesen durch Internet-Suchmaschinen geschützt sind. Weiters erfolgte die Auffindbarkeit der Insolvenzdaten in der Veröffentlichung der WKO, im Gegensatz zur Ediktsdatei der Justiz oder zur Veröffentlichung in anderen Zeitungen (wie etwa der Wiener Zeitung) ohne zeitliche Begrenzung. Ein Begehren, die Daten nicht mehr zugänglich zu machen, war abgelehnt worden, weshalb sich der Betroffene an die DSK wandte.

Argumentiert wurde, es handle sich bei den über "Google" auffindbaren Daten um Teile einer im Online-Archiv abrufbaren Ausgabe der Zeitschrift "OÖ Wirtschaft – Kammernachrichten". Die Veröffentlichung solcher Daten erfolge im Rahmen der Erfüllung der gesetzmäßigen Aufgabe der Beratung, Unterstützung und Information der Mitglieder. Der Inhalt entspreche den in der Ediktsdatei der Justiz veröffentlichten Daten, wie sie etwa auch von verschiedenen Tageszeitungen veröffentlicht würden.

In einer ergänzenden Stellungnahme brachte die WKO vor, auch aus einem Widerspruch des Beschwerdeführers gegen eine Datenverwendung ergebe sich kein Recht auf Löschung, da der Beschwerdeführer nicht schützenswert sei und die WKO nur ihrem gesetzlichen Informationsauftrag nachgekommen sei.


Vor DSK klein beigegeben

Im Zuge des Verfahrens vor der DSK konnten die Insolvenzdaten über den Beschwerdeführer an der Fundstelle in den "OÖ-Wirtschaftskammernachrichten" mit Hilfe der Internet-Suchmaschine http://www.google.at bei Eingabe des Namens des Beschwerdeführers als Suchkriterium letztendlich nicht mehr gefunden werden.

Da die Nichteinhaltung der achtwöchigen Frist zur Löschung zwar eine grundrechtliche Verletzung darstellt, diese aber nach Auffassung der DSK durch Nachholung sanierbar ist, verlief das Verfahren ergebnislos. Im konkreten Fall wurde daher zwar klein beigegeben, dennoch führt der Fall wieder einmal die Zahnlosigkeit der DSK angesichts der Rechtsprechung zur "Sanierbarkeit von Verletzungen nach dem DSG" vor Augen, da keineswegs gewährleistet ist, dass der Auftraggeber sich in anderen Fällen korrekt verhalten wird.


Widerspruch nach § 28 Abs 2 DSG 2000 zu respektieren

Die gewählte Vorgehensweise der WKO erscheint aus verschiedenen Gründen rechtswidrig. Zunächst ist festzuhalten, dass eine Rechtsprechung des OGH existiert, die bei öffentlich zugänglichen Dateien, deren Veröffentlichung nicht gesetzlich angeordnet wurde, ein bedingungsloses Widerspruchs- und Löschungsrecht anerkennt, dass nicht an den Nachweis eines "überwiegenden schutzwürdigen Interesses" des Betroffenen gebunden ist (OGH 6 Ob 195/08g). Die Auffassung der WKO, es ergebe sich kein Recht auf Löschung, da der Beschwerdeführer nicht überwiegend schützenswert sei und die WKO nur ihrem gesetzlichen Informationsauftrag nachgekommen sei, ist nicht vertretbar.

Fairerweise sei darauf verwiesen, dass die entsprechende Stellungnahme noch vor Ergehen der höchstgerichtlichen Judikatur, allerdings zu einem Zweitpunkt, als bereits zahlreiche zweitinstanzlichen Entscheidungen zu dieser Frage eingegangen waren, erfolgte. Zu hoffen ist zumindest, dass nunmehr die bestehende Rechtslage respektiert wird. Die Überprüfung zeigt, dass unter der Adresse http://wko.at/ooe/medien/kammernachrichten/2008/pdf/25.pdf nach wie vor Insolvenzdaten präsentiert werden.


Löschungsrechte aufgrund Rechtswidrigkeit nach § 27 DSG 2000

Auch hinsichtlich der Rechtsmäßigkeit der Verarbeitung ergeben sich offene Fragen, weshalb auch an eine Löschung nach § 27 DSG 2000 zu denken wäre. Zunächst ist festzuhalten, dass hinsichtlich Insolvenzdaten der Ediktsdatei, § 14 Ins-EinfG eine Löschung nach einem Jahr ab Verfahrensbeendigung vorsieht. Da die entsprechende Gesetzesbestimmung ein Interesse des Betroffenen bejaht, dass seine Daten nach einer bestimmten Zeit nicht mehr öffentlich einsehbar sind, ist kein Grund ersichtlich, warum es gestattet sein sollte, Daten, die einer derartigen Quelle entnommen wurden, über diesen Zeitraum hinaus zu verbreiten. Zumindest nach Löschung aus der Ediktsdatei wäre die Verbreitung durch die WKO rechtswidrig.

Auch eine Verarbeitung personenbezogener Daten aus öffentlich einsehbaren Verzeichnissen – wie der Ediktsdatei - nur für den Zeitraum, in welchem die betreffenden personenbezogenen Daten ohnedies aus dem betreffenden Register einsehbar sind, kann eine unrechtmäßige Verwendung personenbezogener Daten darstellen. Da solch eine Verwendung die Schutzrechte der Republik Österreich an diesen Daten verletzen könnte.

Gemäß § 76 d Abs 1 Urheberrechtsgesetz hat der Hersteller einer Datenbank das ausschließliche Verbreitungsrecht der darin enthaltene Daten.

In 4 Ob 11/07g wurde zum elektronischen Firmenbuch durch den OGH judiziert, dass der Investitionsaufwand der Republik im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb einer Datenbank als wesentliche Investition zu beurteilen ist. Zumindest für das Firmenbuch steht somit fest, dass der Abruf von Daten und die darauffolgende kommerzielle Verwendung die urheberrechtlichen Schutzrechte der Republik stören. Es ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, weshalb dieses Prinzip für andere Datenbanken der Republik (Ediktsdatei oder Grundbuch) nicht zur Anwendung gelangen sollte.

Zwar können derartige Schutzrechte im Sinne einer Unterlassung nur durch den Berechtigten geltend gemacht werden. Dies ändert nichts daran, dass ein derartiger Ermittlungsvorgang - sofern er nicht im Konsens mit dem Berechtigten erfolgt - entsprechend der Bestimmungen der §§ 6 und 7 DSG 2000 nicht rechtmäßig ist, und der Betroffene, dessen Daten auf diese Art ermittelt wurden, einen Löschungsanspruch unter Berufung auf § 27 DSG 2000 stellen kann.


Gesetzlicher Auftrag zur Verbreitung von Bonitätsdaten?

Von diesen Erwägungen abgesehen, ist auch nicht ersichtlich, auf welchen konkreten gesetzlichen Auftrag sich die WKO beruft, wenn sie sich "im Interesse ihrer Mitglieder" zur Verbreitung von Insolvenzdaten legitimiert sieht. Gemäß § 19 WK-Gesetz obliegt es den Landeskammern, die wirtschaftlichen und rechtlichen Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten. Daraus den Auftrag abzuleiten, hat den Schönheitsfehler, dass die Betroffenen in der Regel ebenfalls (ehemalige) Mitglieder der WKO sind. Inwieferne es deren Interesse sein sollte, einen möglichst großen Kreis möglichst lange von deren bereits erledigter Insolvenz zu verständigen, ist nicht einsichtig.


Resumee

Die durch die WKO gewählte Vorgehensweise ist nicht nur rechtlich fragwürdig, sondern auch aus Sicht des Selbstverständnis der WKO als Vertretung der Gewerbetreibenden nicht nachvollziehbar. Eine Insolvenz kann für Gläubiger schwerwiegende Folgen haben und deren Kenntnis kann – um mögliche Schäden zu vermeiden - von Interesse sein. Das heißt jedoch noch lange nicht, dass es sinnvoll sein muss, derartige Informationen über den für die Ediktsdatei vorgesehenen Zeitraum hinaus und so zu verbreiten, dass sie auch über "Google" für jedermann auffindbar sind. Dass Kreditauskunfteien aus kommerziellen Gründen an einer möglichst umfangreichen Verarbeitung interessiert sind, ist nachvollziehbar. Es sollte langsam die Einsicht einkehren, dass eine Insolvenz gerade bei der heutigen Wirtschaftslage keine Schande ist, die dazu dienen soll, Betroffene möglichst lange bloßzustellen. Dass sich auch die WKO als Interessenvertretung daran beteiligt, ist unverständlich.

mehr --> DSK-Bescheid K121.378/0003-DSK/2009.pdf

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