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2012/01/23 US-Österreich-Abkommen gefährdet europäische Grundwerte
Hans G. Zeger
Votum Separatum im Datenschutzrat zum US-Österreich-Abkommen - kein ausreichender persönlicher Rechtsschutz - mangelhafte Datenlage beim Innenministerium - schriftliches Auskunftsersuchen an Innenminister(in) reicht um als terrorverdächtig zu gelten (http://ftp.freenet.at/sic/vs-dsr-hgz-2011.pdf)

VORBEMERKUNG

Der Datenschutzrat hatte sich unter anderem in seiner 184. Sitzung am 19. November 2008 mit dem Plan eines USA-Österreich-Datenaustauschabkommens auseinandergesetzt und einstimmig eine kritische Stellungnahme abgegeben. Dies insbesondere weil die Grundrechte der Betroffenen ("Datenschutz") nicht ausreichend garantiert seien.

Am 20. Jänner 2012 wurde der Datenschutzrat neuerlich, auf Wunsch des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten (BMeiA), mit dem nunmehr dem Parlament vorliegenen "endgültigen" Entwurf befasst.

Hans G. Zeger, Mitglied des Datenschutzrates: "Im Gegensatz zum Mehrheitsbeschluss des Datenschutzrates sehe ich keine Verbesserungen, die substantiell genug wären, um eine Verabschiedung des Vertrages im Nationalrat zu befürworten. Das vorliegende Votum Separatum bezeichnet die wesentlichen Gründe, die gegen eine Verabschiedung dieses Abkommens sprechen."


GRUNDRECHTSSCHUTZ WEITERHIN NICHT GEWÄHRLEISTET

Das vorgelegte Abkommen geht über die Zielsetzungen einer effizienten Verbrechensverfolgung wesentlich hinaus und ist mit den europäischen Grundwerten eines ausreichenden Persönlichkeitsschutzes nicht in Einklang zu bringen.


AUTOMATISIERTER DATENAUSTAUSCH

Durch den vorgesehenen automatisierten Datenaustausch von Fingerabdruck- und DNA-Daten verliert Österreich die Kontrolle über die verwalteten Daten und kann damit nicht mehr seine Bürger vor fehlerhaften und ungerechtfertigten Datenverknüpfungen, Fehlinterpretationen und Verdachtslagen schützen.

Gerade biometrische Daten führen in den sogenannten Matching-Vergleichen immer weider zu Fehlzuordnungen und zwar sowohl in Hinblick auf eine bestimmte False-Rejection-Rate (FRR) und eine bestimmte False-Acceptance-Rate (FAR). Im ersten Fall (FRR) werden idente Biometriemerkmale nicht als ident erkannt, was zu schweren Behinderungen in der Verbrechensaufklärung führen kann. Im zweiten Fall (FAR) werden Biometriemerkmale fälschlicherweise als gleich angenommen, obwohl sie nicht ident sind, was zu unbegründeten Verdächtigungen und unmittelbaren persönlichen Einschränkungen der Betroffenen führt.

Biometrische Daten werden in der Verbrechensaufklärung immer nur als zusätzliches Merkmal in einem Ermittlungsverfahren verwendet und nicht, wie im vorliegenden Abkommen (Art. 4 und 7) geplant, als ausschließliches Vergleichselement.

Der automatisierte Datenabgleich des Abkommens erlaubt keinerlei Kontrollmechanismen Mechanismen um diese gravierenden Fehlermöglichkeiten zu unterbinden.


MANGELNDE QUALITÄT DER ÖSTERREICHISCHEN DATEN

Angesichts der derzeit höchst fehlerhaften österreichischen Datenlage und der zersplitterten Kompetenzen im österreichischen Innenministerium und der völlig ungeordneten Rechtslage, unter welchen Bedingungen welche Daten in welchen BMI-Sicherheitsdatenbanken eingespeist werden, sind fehlerhafte Datenübermittlungen geradezu vorprogrammiert.

Das jetzt geplante Abkommen würde bedeuten, dass kein(e) unbescholtene BürgerIn sicher sein kann, nicht als terrorverdächtig an die USA gemeldet zu werden. Dies völlig unabhängig davon, ob es dazu auch unter Anwendung objektiver und sachlicher Kriterien ausreichende Anhaltspunkte gibt.

Hans G. Zeger: "Zur eigenen Person existiert eine Vormerkung im EDIS-System des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Nach diesem Eintrag werde ich als 'Rechtsextremist/Rechtsterrorist' Unterrubrik 'Internet' geführt. Diese Vormerkung erfolgte, wie der Auskunft (http://ftp.freenet.at/sic/bvt-auskunft-hgz-2011.pdf) zu entnehmen ist, wegen einer schriftlichen Anfrage an den damaligen Bundesminister Platter zum Thema Bürgerkarteneinsatz im Innenministerium."

Das EDIS wäre eine der vorrangigen Auskunftsquellen, aus der Daten von Österreich in die USA übermittelt würden.

Es ist heute nicht absehbar welche sonstigen Personen mit welchen noch so banalen Dingen BMI-intern als Terroristen geführt werden, aus welchen administrativen Gründen auch immer.

Gegenüber Drittstaaten wären diese Personen bei einer Datenübermittlung, wie sie im Abkommen geplant ist, als schwer verdächtig einzustufen und hätten erhebliche Nachteile zu erwarten.


UNZUREICHENDE FESTLEGUNG DER ANFRAGEGRÜNDE

Das Abkommen nennt unter Art. 2 nur abstrakt und unzureichend die Grundlagen für einen Datenabfrage. Insbesondere sind keinerlei Nachweise für die Berechtigung einer Nachforschung zu erbringen.

Gemäß dieses Abkommens reicht es, dass eine Person "Anlass zur Nachforschung gibt" (Art. 2 Z 2).

Typische Verdachtsprofile (Anlassfälle), wie sie im Zusammenhang mit Terrorbekämpfung sowohl vom US-Heimatschutzministerium, als auch aus diversen EU-Quellen (siehe Projekt INDECT ...) genannt werden, sind jedoch:
- längeres Herumstehen in Hauseingängen
- Herumstehen vor Häusern, Bahnhöfen, Bundeseinrichtungen, Banken, ...
- gehen von einem Auto zum nächsten
- längeres Herumstehen allgemein
- Laufen im öffentlichen Raum
- Bewegen mehrerer Menschen aus verschiedenen Richtungen auf einen Punkt zu
- in Öffentlichkeit Dose in der Hand halten
- abseits von Tourismuseinrichtungen in der Öffentlichkeit technische Geräte benutzen (Videokameas, Ferngläser, ...)

Derartige "Verdachtsfälle" wären nach diesem Abkommen eine ausreichende Grundlage zur Datenübermittlung. In Verbindung mit dem fehlerhaften Datenmaterial (siehe oben) würde dies eine erhebliche Gefährdung unbescholtener BürgerInnen bedeuten.


FEHLENDER SUBJEKTIVER RECHTSSCHUTZ

Aus rein US-innerstaatlichen Gründen soll dieses Abkommen nicht als völkerrechtlich verbindliche Vereinbarung zwischen den Staaten mit Rechtsschutzmechanismen für alle Betroffenen (subjektiver Rechtsschutz) verabschiedet werden, sondern bloß als "executive agreement" zwischen Behörden.

Laut Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (BMeiA) sei der ausschließliche Grund darin zu suchen, dass der US-Senat "keine Zeit" habe, sich mit einem derartigen Abkommen zu befassen.

Offenbar wird der Beitrag zur Terrorismusbekämpfung auf US-Seite nicht als erheblich genug angesehen, dass sich die in den USA vorgesehenen demokratischen Institutionen damit auseinandersetzen. Österreich sollte jedoch auf ein ordentliches völkerrechtlich verbindliches Abkommen mit ausreichendem Rechtsschutz bestehen.


NICHT IM EINKLANG MIT EU-ENTWICKLUNG

Das geplante Abkommen steht im Widerspruch zu Bemühungen auf EU-Ebene ein gesamteuropäisches Abkommen zwischen EU und USA zu schaffen, in dem der Austausch von Personendaten zum Zwecke der Strafverfolgung geregelt wird.

Darüber hinaus steht das Abkommen auch im Widerspruch zur geplanten EU-Verordnung Datenschutz, die ebenfalls strenge Regeln zum Personenschutz beim Datenaustausch mit Drittstaaten vorsieht.


EMPFEHLUNG

Der Nationalrat sollte keinem bilateralen Abkommen mit Nicht-EU-Staaten zustimmen,
- dem keine gemeinsame EU-Rechtsgrundlage zugrunde liegt,
- das automatisierten Datenaustausch persönlicher Daten (DNA- und Fingerabdruckdaten), egal ob in direkt personenbezogener Form oder in pseudonymisierter Form (indirekt personenbezogen) vorsieht,
- in dem keine unmittelbare (subjektive) Rechtsstellung den betroffenen Bürgern eingeräumt wird,
- in dem keine unabhängige Instanz (Gericht oder gerichtsähnliche Einrichtung) eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der Auskunftsersuchen und eine Qualitätsprüfung der übermittelten Daten vornimmt und
- die gesammelten Daten des BMI tatsächlich objektiven internationalen Standards genügen, sodass eine Aussagekraft gegeben ist, welche Gefährdung von einer Person ausgeht.

Jedenfalls sollten die neue EU-Verordnung Datenschutz (General Data Protection Regulation) abgewartet werden, die in nächster Zeit verabschiedet wird und unter anderem strenge Regeln im Austausch persönlicher Daten mit Dritt-Staaten vorsieht. Diese Regeln müssten jedenfalls im Abkommen berücksichtigt werden.

Eine Beschlussfassung des US-Ö-Abkommens zum jetzigen Zeitpunkt würde diesen gesamteuropäischen Bestrebungen entgegen stehen.

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