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2003/02/12 Zentrales Melderegister (ZMR) - Immer mehr Ungereimtheiten
BMI-Support-Unit nur Spitze im aggressiven Meldedatenhandel - Gemeinden kassieren für Auskunftssperre unzulässiges Körberlgeld - Widerspruch zum Meldegesetz - Innenminister untätig - Immer mehr Unternehmen ermöglichen freien Zugang zu Meldedaten - BMI-Aktivitäten lassen für e-government und Bürgerkarte schlimmstes befürchten

BMI-Support-Unit nur Spitze im aggressiven Meldedatenhandel

Wie zuletzt berichtet (6.2.03) versucht Innenminister Strasser den 'Kontent' (O-Ton) Bürgerdaten auf dem Verordnungsweg aggressiv zu vermarkten. Steigerungsraten von 100% pro Jahr bei Umsatz und Datenzugriffen sollen die BMI-Kasse sanieren.

Hans G. Zeger, Mitglied des Datenschutzrates: 'Von Zuwachsraten in dieser Größenordnung kann die traditionelle Wirtschaft nur träumen. Abgesehen von der NewEconomy-Blase von 98-00 erreichen höchstens Drogendealer, Waffenschieber und Menschhändler derartige Wachstumsschübe.'

Um diese Ziele zu erreichen, ist das BMI in der Wahl seiner 'Business-Partner' nicht gerade zimperlich, wie die ZMR-Portale der ADVOKAT Unternehmensberatung und Jusline (siehe unten) zeigen.


Auskunftssperre gesetzlich verbrieftes Recht

Gleichzeitig werden die Rechtsansprüche der Bürger beschränkt. Gemäß §18 Meldegesetz besteht ein Recht auf Auskunftssperre, soweit ein 'schutzwürdiges Interesse glaubhaft gemacht' werden kann.

Was unter Glaubhaftmachung zu verstehen ist, ist zwar nicht ausdrücklich geregelt, wenn man sich bedroht fühlt, sind die Voraussetzungen sicher gegeben. In einer Meldebehörde meinte man, dass eine Sperre auf jeden Fall durchgeführt wird, wenn man eine Anzeige wegen Belästigung/Bedrohung bei der Polizei vorweist.

Hans G. Zeger: 'Die Sperre ist ein gesetzlich verbrieftes Recht, das gemäß Meldeevidenz mit keinen Kosten verbunden ist. Nicht einmal auf dem Verordnungsweg können Kosten nachträglich eingeführt werden.'

Die ARGE DATEN stellt zur Durchsetzung der Auskunftssperre einen Musterbrief bereit (http://ftp.freenet.at/beh/auskunftssperre-meldeevidenz.doc).


Gemeinden kassieren für Auskunftssperre unrechtmäßiges Körberlgeld

Eine Recherche bei verschiedenen Gemeinden förderte Erstaunliches zu Tage. In Linz, Wien und Dornbirn werden Kosten von 19.50 EUR verrechnet. Eine Rechtsgrundlage für diese Kosten konnte nicht genannt werden. 'Das sei eine Vorschreibung des Innenministeriums', lautete die vage Auskunft bei einer Stelle.

Hans G. Zeger: 'Gesetzlich verbriefte Rechtsansprüche dürfen von einzelnen Behörden nicht willkürlich mit Kosten belegt werden. Dies erinnert an die Uraltpraxis der früheren Post, für das Nichteintragen ins Telefonbuch 200 ATS zu verrechnen. Eine rechtswidrige Vorgangsweise, die mittlerweile abgestellt wurde.'

Sollte man mit der unrechtmäßigen Kostenforderung konfrontiert werden, dann muß eine bescheidmäßige Zahlungsaufforderung verlangt werden. Diese kann im Instanzenweg, letztlich beim Verwaltungsgerichtshof, bekämpft werden. Auf die Auskunftsperre selbst darf die Zahlungsaufforderung keinen Einfluß haben.


Wer hat Zugang zum Selbstbedienungsladen 'Meldeevidenz'?

Zuerst einmal Rechtsanwälte, Banken und Versicherungen, weiters Inkassobüros, Vermögenstreuhänder, Berufsdetektive. Allein die Gruppe der Finanzdienstleister (inkl. Inkassobüros) umfaßt lt. WKO mehr als 7.000 Gewerbeberechtigte, hinzu kommen rund 200 Versicherungsbetriebe, etwa 1.000 Inhaber von Banken-, Sparkassen- und Kreditkonzessoonen, knapp 5.000 Vermögens- und Immobillientreuhänder.

Hans G. Zeger: 'Die Gesamtzahl der erweitert Zugriffsberechtigten, im BMI-Jargon Business Partner, läßt sich nicht exakt ermitteln. Die verwaschene Definition des Meldegesetzes öffnet der freien Interpretation Tür und Tor. Insgesamt fallen bis zu 20.000 Personen und Orgnisationen in diesen Berechtigtenkreis. Dagegen nimmt sich die Zahl der berechtigten Auskunfteien und Detektivbüros mit knapp 200 geradezu bescheiden aus.'


Private Abfragen gehen über gesetzliche Möglichkeiten hinaus

All diese Stellen können nicht nur einzelne Personen abrufen, sondern haben Zugang zu sogenannten Listen- und Stöberrecherchen.

Bei der Firma ADVOKAT Unternehmensberatung, eine EDV-Firma die sich auf Rechtsanwaltssoftware spezialisiert hat, liest sich das so: 'Das Geburtsdatum kann angegeben werden. Wird kein (oder ein falsches) Geburtsdatum angegeben, so erhalten Sie eine Liste aller zutreffenden Personen mit deren Geburtsdaten.'

Der bloße Name genügt offensichtlich für eine Meldeevidenz-Recherche!

Hans G. Zeger: 'Ein offensichtlicher Widerspruch zu den Beteuerungen des BMI auf der ZMR-Homepage und auch zu den gesetzlichen Bestimmungen.'

BMI-O-Ton: 'Gemäß §16 Abs. 1 MeldeG kann eine Anfrage nur mit Vor- und Nachnamen, Geburtsdatum und mit einem zusätzlichen Merkmal, wie Staatsangehörigkeit, Geburtsort, ZMR-Zahl oder einen bisherigen Wohnsitz eingegeben werden.'

Auch die verpflichtend vorgeschriebene Begründung für die Meldeevidenzabfrage wird bei Advokat automatisiert vorgegeben: 'Durchsetzung von Ansprüchen'.

Hans G. Zeger: 'Eine provokante NoNa-Begründung. Jeder Zuhälter oder Kleinganove wird mit derselben Formulierung den Wunsch nach den Daten seiner Opfer begründen.'

Noch einfacher geht's bei jusline. Buchstäblich jeder kann eine Abfrage durchführen.

Jusline-O-Ton: 'Sie haben kein Geburtsdatum für die gesuchte Person. Sie sind kein registrierter Profi-Kunde.' Neben dem Namen ist nur noch eine weitere Information nötig, die ZMR-Zahl, der jetztige oder frühere Wohnort, der Familienname vor der Ehe, ... Auch hier wird die Begründung für die Personensuche automatisch vorgegeben 'Forderungseintreibung'. Wohl nicht ohne Grund heißt diese Suchmöglichkeit 'Komfort-Abfrage'.

Hans G. Zeger: 'Das System ist so aufgebaut, dass man bei genügend langem Stöbern immer die gewünschte(n) Personen findet, auch wenn das gesetzlich vorgeschriebene Geburtsdatum nicht bekannt ist. Selbst die - sowieso verwaschene - Beschränkung auf 'berufsmäßige Forderungseintreiber' fällt beim kommerziellen Anbieter Jusline.


Bundesminister Strasser bisher untätig

Innenminister Strasser versuchte in den letzten Tagen die Vorkommnisse rund um das ZMR als 'business as usual' und völlig gesetzeskonform darzustellen. Dies ist offensichtlich nicht der Fall.

Hans G. Zeger: 'Unter 'business as usual' stelle ich mir eine wesentlich stärkere Bürgerorientierung vor.'

Der Unfug der Listen- und Stöberabfragen, aber auch der Sperrkosten müßten als rechtswidrig sofort abgestellt werden. Weiters hat der Innenminister offen zu legen, welche weiteren 'Dienstleister' Bürgerdaten vermitteln und auch selbst speichern.

Hans G. Zeger: 'Diese Information ist eine wesentliche Voraussetzung für die Durchsetzung der Auskunftsrechte nach dem DSG 2000. Der Bürger hat ein Recht zu erfahren, welche Stellen Handel mit seinen Daten treiben.'


Überprüfbare Begründung gefordert

Als weitere Sofortmaßnahme sollten zumindest überprüfbare Begründungen verlangt werden, d.h. konkrete Angaben zu einer Forderung, etwa die Daten, die im Rahmen der Rechnungslegung vom Finanzministerium verpflichtend vorgeschrieben sind.

Hans G. Zeger: 'Da alle Meldeevidenzabfragen verpflichtend protokolliet werden müssen, könnten dadurch Betroffene erfahren, wer Daten mit welcher Begründung abgerufen haben. Das Auskunftsrecht nach dem DSG2000 wäre dazu eine geeignete Handhabe.'


Skepsis bei e-government und Bürgerkarte angebracht

Solange die Informationstechnologie bloß zur besseren Kontrolle der Bürger und zur Beschneidung seiner Informations- und Schutzrechte eingesetzt wird, ist Skepsis zu den ambitionierten e-government-Projekten angebracht.

Gerade den Datenfluß vom und zum ZMR für den Betroffenen transparent zu machen, wäre poisitves Signal in bürgernahe Informationsverarbeitung. Jeder von uns hat ein berechtigtes Interesse, welche Inkassobüros und Finanzdienstleister mit welchen Begründungen welche Daten über ihn sammeln.


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