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2007/11/22 Mit Computern auf der Jagd nach Autodieben
Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Polizei-Forderung KFZ-Überwachung - Populistische Aktion des Innenministers - Konformität mit dem Grundrecht auf Datenschutz nicht gegeben - deutsche Verfassungsrichter kritisieren vergleichbares Gesetz in Deutschland

In den vergangenen Tagen haben Medien intensiv darüber berichtet, dass seitens des Bundeskriminalamts an einer neuen Methode gearbeitet, wird, Autodiebe zu verfolgen. Mittels computergestützter Kennzeichenerfassung soll es gelingen, gestohlene Autos herauszufiltern.


Geplante Maßnahmen

Das Bundeskriminalamt arbeitet nach eigener Angabe an einer neuen Methode, um Autodiebe zu verfolgen. Mittels Computer werden Kennzeichen erfasst und mit Dateien von gestohlenen Autos verglichen. Das System läuft seit einem Jahr in Niederösterreich im Testbetrieb und soll- nach Angaben der Exekutive- sehr erfolgreich sein. In den vergangenen zwölf Monaten sei es mehrfach gelungen, gestohlene Fahrzeuge zu identifizieren, konkrete Zahlen, wie viele Autodiebstähle aufgrund des Systems tatsächlich geklärt werden konnten, wurden aber leider nicht genannt.
Die Kennzeichen werden von einer mobilen Kamera im Vorbeifahren digital erfasst und mit einer Datei verglichen, die gestohlene Autos auflistet. Bei einem Treffer wird die Polizeibenachrichtigt.


Zweifel an Praktikabilität

Ohne die Erfolge polizeilicher Ermittlungsarbeit vorweg anzweifeln zu wollen, ergeben sich bei näherer Betrachtung doch Fragen hinsichtlich der praktischen Durchführung der geplanten Maßnahmen.

Vorrangig ist zu hinterfragen, wie viele Autodiebe tatsächlich so unbeholfen sind, auf dem gestohlenen Auto das betreffende Kennzeichen zu lassen und damit weiterhin herumzufahren. Gerade bei professionellen Diebsbanden, die man bekämpfen möchte, wird eine Abnahme des Kennzeichens sicherlich so schnell wie möglich erfolgen. Zugriff auf die betreffenden Autos wäre damit wohl nur zeitlich relativ nahe an dem jeweiligen Diebstahlsvorgang möglich. Es ist mehr als fraglich, ob es in vielen Fällen zu einem derart schnellen Ablauf von der Anzeige des Diebstahls zur Aufnahme in eine entsprechende digitale Datei kommen wird, dass das geplante System tatsächlich sinnvoll anwendbar ist. Darüber hinaus müsste ein entsprechender Datenabgleich in Sekundenschnelle erfolgen und sofort an eine in unmittelbarer Nähe befindliche Polizeieinheit  vor Ort übermittelt werden. Sowohl aus technisch-logistischer Sicht als auch in personeller Hinsicht sicherlich ein überaus anspruchsvolles Verfahren.

Üblicherweise verschwinden gestohlene Autos, die auch weiterverwertet werden sollen rasch in Hinterhöfen oder Container und werden erst nach entsprechendem Umbau wieder weitergeleitet.

Bezüglich der Gelegenheitsdiebstähle, bei denen Autos "bloß ausgeborgt" wurden oder für eine Straftat kurzfristig entwendet wurden, ergibt sich in der Regel kaum ein Auffindeproblem. Diese Fahrzeuge tauchen meist nach wenigen Stunden, spätestens nachdem der Tank leer ist, wieder auf.


Datenschutzrechtliche Problematik

Von den Fragen der Praktikabilität und sinnvollen Einsatzfähigkeit abgesehen, ist die Frage der rechtlichen Zulässigkeit zu betrachten. Von Seite der Verantwortlichen wird freimütig zugestanden, dass es noch „Probleme mit dem Datenschutz“ gibt. Zu bedenken ist, dass aufgrund des geplanten Vorhabens Unmengen an personenbezogenen Daten verarbeitet und abgeglichen werden, die Personen betreffen, die mit Autodiebstahl nichts zu tun haben. Dafür lässt sich feststellen, wo ein Auto mit bestimmten Kennzeichen zu einer bestimmten Zeit war.


Rechtsgrundlage?

Zweifelhaft ist jedenfalls, ob der entsprechende Datenabgleich im Moment überhaupt eine Rechtsgrundlage hat. Festzuhalten ist dazu, dass der Datenabgleich durch die Bestimmungen der Strafprozessordnung gedeckt sein müsste. § 149i bestimmt dort dazu, dass der automationsunterstützte Abgleich von Daten einer Datenanwendung, die bestimmte, den mutmaßlichen Täter kennzeichnende oder ausschließende Merkmale enthalten, mit Daten einer anderen Datenanwendung, die solche Merkmale enthalten, um Personen festzustellen, die auf Grund dieser Merkmale als Verdächtige in Betracht kommen, nur zulässig ist, wenn die Aufklärung eines Verbrechens ansonsten aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Sinngemäß ist diese Rechtsgrundlage zwar auf den entsprechenden Sachverhalt anwendbar, das Kriterium der „Aussichtslosigkeit“ wird eher nicht erfüllt sein.


Erinnerung an „section-control“-Abenteuer

Zu erinnern sind Exekutive und Gesetzgeber an die Entscheidung des VfGH zur „section-control“.  Klare Worte fand der VfGH damals vor allem zur datenschutzrechtlichen Löschungsverpflichtung: Sobald sich herausstellt, dass kein Anlass zur Datenverarbeitung vorliegt, sind die verarbeiteten Daten jedenfalls "unverzüglich" zu löschen. Im Falle von Geschwindigkeitsübertretungen dürfen nach Ansicht des VfGH die Daten nur gespeichert bleiben, solange sie für die Verfahrensdurchführung notwendig sind. Dies wird analog auch für die hier geplanten Maßnahmen gelten. Bevor daran zu denken ist, ein derartiges System standardmäßig einzuführen, ist jedenfalls nötig, dass die rechtzeitige Löschung jener Daten, die nicht benötigt werden, gewährleistet wird.

Weiters hat der VfGH damals auch klar gemacht, dass er die Auffassung, erhobene Fahrzeugdaten hätten keinen Personenbezug und dieser sei durch Kennzeichen und Fahrzeugkategorie auch nicht herstellbar, nicht teilt. Der VfGH hielt fest: Es ist nicht zu bestreiten, dass es sich bei Autokennzeichen sich um personenbezogene Daten handelt, die uneingeschränkt den Regelungen der MRK und dem DSG unterliegen.


Resumee

Bevor man daran geht, bei der Bekämpfung von Autodiebstählen auf gezielte Videoüberwachung verbunden mit digitalem Datenabgleich zu setzen, sollte zunächst untersucht werden, was derartige Maßnahmen effektiv bei der Diebstahlsbekämpfung beisteuern können. Sinnvoll wäre dazu Tatstudien, die die typischen Tatabläufe analysieren und verschiedene Bekämpfungsmaßnahmen sowohl von der Effiktivität, als auch der Eingriffsintensität bewerten. Erst wenn entsprechende ALternativen vorliegen kann der Politik und den Bürgern eine faire Riskoabschätzung zugemutet werden.

Während sich Österreich nicht einmal um eine Rechtsgrundlage für derartige Üebrwachungsprojekte bemüht, wird ein vergleichbares Gesetz vom deutschen Bundesverfassungsgericht scharf kritisiert.

Überprüft wurden die Landesgesetze von Hessen und Schleswig-Holstein. Diese Bestimmungen erlauben es der Polizei, automatisch Kennzeichen zu erfassen und mit Fahndungslisten abzugleichen [1 BvR 2074/05]. Mit diesen Bestimmungen werde das informationelle Selbstbestimmungsrecht verletzt, dass - wie in Österreich - die unbeobachtete Lebensführung garantiert. Befürchtet wird von den Richtern, dass es durch diese Bestimmung der Polizei möglich wird, Bewegungsprofile der Autofahrer zu erstellen.

Archiv --> VfGH setzt Schlussstrich unter zügellose "Section-Control"
Archiv --> Autofahrer weiter im Visier - UNIQA verschiebt Überwachungspro...

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